Opernball-Nachlese: Über Reichtum und Armut reden können und darüber, wie beides zusammenhängt

Draußen parken überdimensioniert lange, weiß glänzende Stretchlimousinen und aufgemotzte schwarz-glänzende Luxusfahrzeuge. Für die Politiker werden die 6er-BMWs vor dem Eingang der Oper abgestellt. Für eines dieser Autos müssten manche hierzulande zehn Jahre lang ihren kargen Verdienst hinlegen. In Designer-Ballkleidern und maßgeschneiderten Fracks entsteigen den Reichtumssymbolen jene, die es sich leisten können, für eine Ballnacht das auszugeben, was manche Österreicher durchschnittlich in einem Monat verdienen. Es ist anzunehmen, dass selbst die Opernballausgaben aber noch als Werbekosten von der Steuer abgezogen werden und die Luxuslimousinen steuerbefreite Dienstautos sind, steuerbefreites Geld freilich, das dann im Staatsbudget fehlt und eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen in Österreich vereitelt. Kritik dringt in dieser Nacht nicht durch die Mauern der Staatsoper, wo alles seinen Glanz und seine Glorie hat. Die Repräsentanten des Staates können sich stolz in der Mittelloge zeigen. Bei ihrem Anblick denke ich freilich an die deutlichen Worte des Generalsekretärs von amnesty international, dass sich Österreich mit seiner Asylpolitikgesetzgebung von Menschenrechtstandards immer mehr entferne. Die Pressekonferenz von amnesty war wohl nicht zufällig am Vorabend des österreichischen Staatsballs.

Dass einige wenige im Luxus leben können und andere zu wenig haben, das habe doch nichts miteinander zu tun, wird nun so gerne argumentiert. Jene, die drinnen sind, haben es sich doch durch Leistung und Arbeit verdient, so zu sein und so zu leben. Was in dieser Logik dann nicht ausgesprochen wird, würde lauten: Jene, die aber am Rand der Gesellschaft sind, waren einfach zu faul, zu dumm, zu ungeschickt, jedenfalls: selbst schuld. Jeder ist seines Glückes Schmid usw. Wer so denkt, negiert jedoch die einfache und doch stimmige klassisch-marxistische Mehrwertanalyse. Kapitalbesitzer können aufgrund ihrer Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel entscheiden, wie sie mit den Gewinnen verfahren. Unter kapitalistischen oder neokapitalistischen Produktionsverhältnissen wird ein mehr oder weniger großer Teil des erarbeiteten Wertes nicht den Beschäftigten ausbezahlt, sondern verbleibt beim Kapitalbesitzenden und führt so zu einer Kapitalakkumulation. Es sind aber vor allem die Banken und Aktienbesitzer, die Hedgefonds und Börsenspekulanten und Immobilienbesitzenden, die auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung ihre Gewinne machen. Wer bekommt das Geld, das beispielsweise eine Arbeiterfamilie in Innsbruck für eine Mietwohnung bezahlt? Nur ein Teil wohl geht in den realen Vermögenswert dieser Wohnung, den Rest streifen sich die Banken und Immobilienbesitzer ein. Je höher die Mietpreise, desto größer ihr Verdienst. Wer bekommt die Zinsen, die ein verschuldeter Mensch oft jahrelang für sein dringend benötigtes ausgeborgtes Geld zurückzahlen muss?

„TAX THE RICH“ steht auf einem Plakat einer jungen Demonstrantin vor der Oper. In diesem Dreiwortsatz, der so viel kreativer ist als das Demomotto „eat the rich!“ läge die Alternative, für die aber der drinnen befindliche Finanzminister nur bedingt ein Verständnis haben dürfte. Stärkere Besteuerung von Höchsteinkommen mit effizienter Steuerprogression wäre eine Lösung, bedürfte aber auch europäischer und internationaler Abkommen, um eine Abwanderung des Kapitals zu verhindern. Die IWF-Chefin war selbst Opernballgast und hätte so viele Möglichkeiten, für Maßnahmen wie Transaktionssteuern – die international gelten – einzutreten. Die Opernballlogen sind prominent besetzt von den Generaldirektoren und Bankiers. Jean Ziegler, lange Zeit Chef der FAO, nennt ebenjene „Massenmörder“, „Wegelagerer“ und „Banditen“ angesichts der Tatsache, dass alle fünf Sekunden qualvoll ein Kind verhungert.

Was wurde aber im Casino, das in einem der Räume der Staatsoper eingerichtet worden ist, was wurde in den Logen und Gängen von den Wirtschaftstreibenden, Bankiers und Politikern besprochen? Wohl eher dürfte es oligopolistische Absprachen gegeben haben. Oder hat Finanzminister Schelling die Gunst der Stunde genützt, um mit der IWF-Chefin Christine Lagardere darüber zu plaudern, wie die mörderischen Nahrungsmittelspekulationen beendet werden könnten?

Von Che Guevara stammt der Satz: „Die stärksten Mauern fallen, wenn sie Risse haben.“ Für den ORF war es bei der Liveübertragung des Balls eine peinliche Panne, dass die Alarmanlage eines Autos über die eigenen Mikrofone zu den Walzerklängen hineingespielt worden ist. Kritiker der herrschenden Wirtschaftsordnung, werden diese Symbolik zu schätzen wissen. Es ist wie eine Warnung vor der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich hierzulande und weltweit und vor dem Hunger in der Welt, obwohl und weil es so viel Reichtum in den Händen weniger gibt.

Mir ist bewusst, dass der hier ausgedrückte Blickwinkel differenzierter ausfallen könnte, mit vielen Argumenten noch untermauert werden müsste, und dass vor allem die Welt nicht so schwarz-weiß wie die Debütantenpaare ist. Daher ist immer auch legitim, wenn nun irgendwer zu meinen Gedanken hinzufügt: Ja, aber …

 

Klaus Heidegger, 25.2.2017

 

(Fotos wurden freundlicherweise von A. Reisenbichler zur Verfügung gestellt)

Kommentare

  1. Ich bin nicht Reich, arbeite Wöchentlich 40-70 Stunden die Woche zahle brav meine Steuern. Mich stört nicht die fleißig arbeitenden Reichen. Mich stören die mehr, die mir erklären „für dieses Geld soviel arbeiten, du bist ja blöd bleib daheim da bleibt dir mehr“ allein an solchen weitverbreiteten Einstellungen ist unser großzügiges Sozialsystehm schuld und vor allem der Staat der den fleißigen mit Steuern straft. Die Richtig Reichen und Politiker sind davon vielleicht ausgeschlossen. Aber das weiß ich nicht! Was ich weiß arbeiten in unserem Land wird Steuerlich für viele zur Strafe…

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