Österliches Post-Corona-Zeitalter: Tutto andrà bene

Wir werden in uns neu das Freiheitsgefühl spüren, wenn wir  wieder von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt gehen können. Wir werden die Freude auskosten, in andere Länder zu fahren und dort Menschen zu besuchen, die wir lieb haben. Wir werden diese Freiheiten besonders genießen und an jene denken, die selbst ohne Corona eingesperrt sind hinter Mauern des Unrechts. Das wird uns inspirieren, uns politisch für die Ausgegrenzten, Eingesperrten und politisch Gefangenen zu  engagieren. Wir werden wachsam sein, um ungerechtfertigte Einschränkungen und Überwachungen zu erkennen,  und wir werden für Meinungsfreiheit aufstehen.

Wir werden so glücklich sein, wenn wir uns umarmen können und uns in den Armen liegen dürfen. Soziale Distanz war lebenswichtige Vergangenheit, soziale Nähe wird Gegenwart sein. Wir dürfen uns wieder nahe kommen. Kinder haben die Spielplätze zurück erobert und die Sportbegeisterten sausen mit ihren Rädern durch die Landschaften und klettern voller Leidenschaft auf den Bergen herum. Wir werden uns analog begegnen können und nicht nur auf Bildschirmen sehen. Nein, vergessen werden wir sie nicht, die roten Linien als Abstandshalter und die verzerrten Videokonferenzbilder, die Atemschutzmasken und gespenstisch leeren Städte und Dörfer. Aber sie werden Bilder aus der Vergangenheit sein und uns dankbar sein lassen für ein Leben danach.

Wir werden wieder dankbar sein, dass in den Schulen unterrichtet und an den Universitäten gelehrt und geforscht wird. Das E-Learning der vergangenen Wochen kann nun im Gespräch vertieft und in persönlichen Kontakten im Klassenzimmer vertieft werden.

Wir werden genau hinsehen müssen, wie die von der Corona-Krise geschüttelten Staatsbudgets konsolidiert werden: nicht auf Kosten der sozial Schwachen und nicht zugunsten der großen Bankunternehmungen, bei denen die Staaten ihre Schuldenberge getürmt haben.

Wir werden mit Dankbarkeit zurück blicken auf all die Ärzte, Pflegekräfte und Rettungsorganisationen, die für die Erkrankten dagewesen sind – oft unter der Gefahr, selbst zu erkranken. Wir werden uns erinnern, dass wir mit Vernunft die nötigen Schutzmaßnahmen ergriffen haben, ohne uns von Panikmache und Hysterie anstecken zu lassen, um ein schnelleres Ausbreiten der Pandemie zu verhindern.

Wir haben gelernt, wie die kleinen Netzwerke uns Kraft geben. Es ist uns bewusst geworden, dass Balkongeländer oder Gartenzaun nicht eine Grenze zu unserer Nachbarschaft sind und Musik und Klatschen uns mit Menschen in der Nähe verbinden. Selbst jenen Menschen, die uns vorwurfsvoll  anblickten, als wir einen „Spaziergang“ mit Schutzabstand in der frischen Luft trotz Ausgangssperre wagten, haben wir verziehen, weil sie meinten es ja nur gut.

Wir sind uns bewusst geworden, dass es vor allem die Ärmeren und Ärmsten sind, die in einer Krise besonders betroffen sind. Menschen an oder unter der Armutsgrenze haben einen schlechteren Gesundheitszustand und waren durch den Coronavirus mehr gefährdet. Jenen, die im Zusammenhang mit der Corona-Krise ihre Jobs verloren haben und nur eine geringe Arbeitslosenunterstützung bekommen, wird mit einem Notprogramm geholfen werden. Vor allem aber werden wir nach Corona in einer Gesellschaft leben, in der die Einkommensdisparitäten abgebaut werden. Eine Art erwerbsunabhängiges Grundeinkommen wird für eine bedarfsorientierte Gerechtigkeit sorgen und den sozialen Absturz  Tausender verhindern.

Wir haben neu unser Sozial- und Gesundheitssystem schätzen gelernt und wissen, dass es mit unseren Steuergeldern finanziert wird. Daher werden wir kaum noch bei jenen Online-Riesen bestellen und einkaufen, die keine Steuern zahlen, um unsere Krankenhäuser zu finanzieren.

Wir haben Dankbarkeit neu entdeckt für die Angestellten in den Lebensmittelgeschäften, die für den Nachschub in den Geschäften sorgen, die die Regale stapeln oder hinter der Theke stehen, die unsere Waren einscannen und selbst in Corona-Zeiten oft ungeschützt an den Kassen waren, an die Lkw-Fahrer, die die Waren liefern und die Produzentinnen und Produzenten unserer Lebensmittel. Wir werden es als ungerecht empfinden, wenn die Löhne der Handeslangestellten weit unter dem Durchschnitt liegen.

Wir lernen neu so zu leben und einzukaufen, dass eine regionale Wirtschaftsstruktur gestärkt wird, in der es weniger globale Abhängigkeiten gibt, in der Arbeitsplätze vor Ort erhalten werden und der ökologische Fußabdruck kleiner gehalten wird.

Wir sind uns einmal mehr bewusst geworden, wie wichtig die Pflegekräfte in unserem Land sind. Im nationalen Budget wird es weniger Geld für Baumaßnahmen und militärische Ausrüstung geben, aber die sozialen Bereiche werden ausgebaut.

Wir werden uns immer daran erinnern, wie ein Himmel ohne giftige Kondensstreifen aussieht und erfahren, dass wir nicht in ferne Länder fliegen müssen, um das wirklich große Glück zu finden.

Wir werden Seite an Seite weltweit mit Tausenden Freitag für Freitag gegen die Erderhitzung auf der Straße sein. Die Alten, die durch die Jungen während der Corona-Zeit besonders geschützt wurden, unterstützen die Jungen in ihrer Sorge um das Klima. Wir sind nicht wegen des Coronavirus in Panik geraten, sondern wollen, dass die Welt in Panik gerät, wenn durch die Erderhitzung Massentod, Elend und Zerstörung der Lebensgrundlagen drohen.

Wir werden es genießen in Kirchen zu gehen und die Nähe einer gläubigen Gemeinschaft zu spüren. Unser Gebet wird voll Dankbarkeit sein, Gott in einer langen Krise als stärkend-begleitende Kraft in Gestalt menschlicher Hilfe erlebt zu haben. Wir haben neu erfahren können, wie Göttliches gerade in einer schweren Krise Halt geben kann und der Glaube trägt, weil er mit Hoffnung und Liebe untrennbar verbunden ist. Ganz konkret. Das wird ein Fest der Auferstehung sein.

Klaus Heidegger, 21.3.2020

Kommentare

  1. Das wird ein Fest der Auferstehung sein…
    Ja. Wie sehr ich mich darauf freue! Ich kann Ostern – wann immer es sein wird – kaum noch erwarten.

    DAnke für Ihre Texte. Sie schreiben mir aus der Seele und in die Seele.

  2. Sehr schöner Text, eine Legierung aus Zukunfts-Reportage und Wunschphantasie, als diese ebenso plausibel wie irreal als jene; reich an guten Gedanken und einer Fülle an Vorstellungen, mindestens wert, überlegt, wenn nicht beherzigt zu werden.

    Bis zum letzten Absatz, der allerdings aus jedem Rahmen der Vernunft fällt und mit dem Versuch des Autors, sich mit uns zu einem „Gebet voll Dankbarkeit“ zu verabreden, obskur wird. Wenn Klaus Heidegger „erfahren hat, wie Göttliches gerade in einer schweren Krise Halt gegeben hat und der Glaube trägt“, so ist ihm aus meiner Sicht entgegenzuhalten, dass ihm nicht „Göttliches“ – welches eigentlich? ein antik-griechisches, altindisches, oder hat sich aus literarischerm Bildungsgut „Das Göttliche“ aus Goethes gleichnamigem Gedicht eingeschlichen, das ihm diesen „Halt gegeben hat“? — Nein, sondern er hat sich an einem religiösen Vorurteilspaket festgehalten, sicherheitshalber ohne es aufzuschnüren. Ausgeblendet bleibt die naheliegende Frage, warum sein in der geballten Unbestimmtheit des bloßen Wortes gedachtes „Göttliches“ erst *in-der- Krise-Halt* gäbe und nicht schon *vor-der-Krise-dieser-Halt* geboten hatte. Das wäre ein *Halt,-des-Göttlichen-würdig* gewesen, odr. Und von einem „Fest der Auferstehung“ zu schwärmen, ist, gleichgültig an welche der einschlägigen Religionen damit angespielt wird, angesichts der Sterbenden und Toten abgeschmackt.

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