Vom Inntal hinauf ins Rofangebirge

„Nicht du gibst dem Leben einen Sinn, sondern das Leben gibt dir den Sinn.“ Heute habe ich wieder einmal Worte von Viktor Frankl in meine geistige Jausenbox gepackt, die mir meist wichtiger ist als eine physische Jause. Bin ich unterwegs, manchmal ganz ohne spezifisches Ziel, dann philosophiere ich gerne vor mich dahin, während sich die Laufräder drehen wie Gedanken, die sich drehen, die dann wie der Radfahrer, gerade wegen des Drehens der Räder zu einem Ziel kommen, vor allem aber im Drehen selbst schon einen Sinn ergeben, ohne dass es ein Ziel bräuchte.

So war mir an einem leicht regnerischen und kühlen Maitag Zeit geschenkt, um vor einem meiner Lieblingsbesuche in Münster eine neue Route auszuprobieren. Vom Bahnhof in Brixlegg geht es zunächst quer durch das Inntal, in dem sich der Massenverkehr in alle Himmelsrichtungen bewegt, in dem die Verbrennermotoren heulen und stinken, dass ich nur fliehen möchte. In den Tanks stecken die Kriege, weil die Ölmilliardäre sich mit den Milliardengewinnen die Waffen kaufen, mit denen dann Kriege geführt werden. Aus den Auspuffen kommen die Treibhausgase, die wieder die Erderhitzung befeuern und damit die künftigen Kriege, weil Millionen Menschen die Lebensbedingungen zerstört werden.

Am nördlichen Ortsende von Kramsach beim Eingang ins Brandenberger Tal ist das Liftstüberl. Dort beginnt der Anstieg. Die Sonnwendjochbahn wird aktuell abmontiert. In diesen Höhenlagen ist ein normaler Skibetrieb aufgrund der Erderwärmung nicht mehr durchführbar. Großangelegte Ausbaupläne rund um das Sonnwendjoch sind abgesagt worden und so konnte, wie es der Alpenverein und Naturschutzverbände auch ugierten, ein besonderes Schutzgebiet in seiner Natürlichkeit erhalten werden. Für mich geht es nun in vielen Serpentinen einen zauberhaften steilen Mischwald hinauf. Teilweise schiebe ich lieber, als mich zu sehr anzustrengen. Der Forstweg windet sich zwischen den gigantischen Felsbrocken, die an mehrere Bergstürze erinnern. Der letzte große war in der Römerzeit. Rötliche Stellen in den Felswänden zeigen an, dass sich immer noch Gestein löst. Ich denke an die aktuellen Bergstürze in der Schweiz, die – anders als jene hier im Unterinntal – Folge der Erderwärmung und des Abschmelzens des Permafrostes sind.

Vorbei komme ich am „Kaltes Wasser-Brünnl“, eine Abzweigung zeigt den „Herrgott-Stein“ an. Immer wieder laden Bänke zum Verweilen ein und Blicke ins Inntal und hinein ins Zillertal werden stets interessanter. Oft habe ich vom Tal hinauf zu den Hängen hinaufgeschaut und nun bin ich mitten im Gelände der Pletzachbergstürze. Rote Steine liegen in den kleinen Bächlein, die sich entlang des Weges gebildet haben. Kleine Marmorsteine. Nach dem steilen Anstieg wirken die lieblichen Almen darüber noch sanfter. Der Regen der vergangenen Tage hat die weitläufigen Almwiesen saftig-grün gemacht. Die senkrechten Felswände des frisch angeschneiten Rofangebirges erscheinen wie eine fast unwirkliche Kulisse. Davor ist mein Ziel – die Bayreuther Hütte (1576 m). Sie ist noch nicht geöffnet. Manchmal kommt die Sonne zwischen den Wolken hervor, manchmal regnet es, manchmal wird der Regen zum Graupelschauer. Ganz allein bin ich an diesem Tag in dieser großartigen Umgebung. Für die 1000 Höhenmeter hinunter ins Tal direkt zum Ortsteil Grünsbach in Münster wähle ich nun einen anderen gut befahrbaren Forstweg.

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