Lieber Stephanus!

stephanusAn Deinem Festtag, so knapp nach dem Weihnachtsfest, betrachte ich die heutige verrückte Welt im Spiegel Deines Lebens. Du bist für mich bleibendes Vorbild der Gewaltfreiheit. Noch in den Minuten des Todes, so wird es uns überliefert, hast Du wie Jesus am Kreuz für Deine Peiniger mit den Worten gebetet „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apg 7,60) So stehst Du auch 2000 Jahre später für eine Haltung und Gesinnung, die selbst die schlimmsten Feinde durch die Kraft der Liebe verändern möchte. So stehst Du für einen Ausstieg aus der unseligen Spirale von Gewalt und Gegengewalt. So steht Dein Vorbild im Widerspruch zur herrschenden Logik dieser Welt: Man versucht, die Gewalttäter und Mörder des Daesh mit höchster Militärgewalt in die Knie zu zwingen. Man jubelt fast, wenn der Attentäter des Christkindlmarkts von Berlin „auf der Flucht erschossen“ wird und der italienische Innenminister spricht davon, dass der Attentäter „neutralisiert“ wurde.

Du, Stephanus, stehst auch für eine Kirche, die ihren Platz bei den Armen dieser Welt hat. Von der ganzen Gemeinde, nicht hierarchisch bestimmt von oben, wurdest du als Diakon gewählt (Apg 6,5b), um für die „Mahlzeiten“ zu sorgen, dafür, dass alle Menschen genügend zu essen und zu trinken hatten, dass es in der Gemeinde niemand mehr geben soll, der an Not leidet. So bist du zum Vorbild all jener geworden, die sich in kirchlichen Organisationen für die Armen engagieren, die sich für die Flüchtlinge kümmern, die ihre Stimme erheben, wenn auf politischer und ökonomischer Ebene Strukturen bestehen, die zu Armutsverhältnissen führen. Da denke ich heute an die klaren Worte kirchlicher Vertreter gegen eine Kürzung der Mindestsicherung. Da habe ich allerdings auch Zweifel an den jüngsten Aussagen von Kardinal Schönborn, die für eine Obergrenzenpolitik gegenüber Asylsuchenden missdeutet werden könnten.

Du, Stephanus, erinnerst uns heute an das Schicksal der verfolgten Christen in vielen Ländern. Der Anschlag auf die betenden Kopten in der Markuskatherale von Kairo ist erst wenige Tage her. Daesh hat weitere Anschläge angekündigt. Heute sind es nicht mehr Steine, die auf Christen geschleudert werden, sondern fanatisierte Selbstmordattentäter sprengen sich in christlichen Kirchen in die Luft. 100 Mio. Christen werden weltweit diskriminiert, bedroht und verfolgt. In rund 50 Ländern sind Christen Schikanen, Diskriminierung und der Bedrohung ihrer Person ausgesetzt.

Du, Stephan, warst das Opfer einer aufgehetzten Volksmasse, die von Lügen angestachelt wurde. Auch heute wird gehetzt und werden Lügen verbreitet, werden Sündenböcke produziert und Personengruppen zu Opfern gemacht.

Möge Dein Vorbild, Stephanus, uns heute bewegen, selbst gewaltfrei zu denken und zu handeln, den Feinden zu verzeihen, für die Armen einzustehen, die verfolgten Christen nicht aus dem Blick zu verlieren und das Lügengebäude des Rechtspopulismus zu durchbrechen.

Klaus Heidegger, 26.12.2016

 

Kommentare

    1. Danke! Und dir noch ein gutes Wiederkauen und Verdauen – wie der Ochs an der Krippe – der Weihnachtsbotschaft. Mlg

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