Omikron und offene Schulen: ein Oxymoron (3. Teil)

Omikron in den Schulen

Von „Flexibilität“ spricht die Bundesregierung als notwendige Grundhaltung im Umgang in der Pandemie. Über Möglichkeiten von einem situativ angepassten Verhalten an den Schulen habe ich am Ende der Weihnachtsferien und zum Schulstart im neuen Kalenderjahr zwei Beiträge geschrieben mit meiner Sorge, dass Ministerium wie Schulbehörden letztlich fatalistisch eine „Durchseuchung“ der Schulen in Kauf nehmen könnten. Etliche Kolleginnen und Kollegen haben bestätigend darauf reagiert, andere haben die Überlegungen lieber ignoriert. Die Haltung der zweiten Gruppe: Es gäbe ohnehin die Erlässe und Verordnungen – was müssten wir uns da noch selbständig Gedanken machen. Außerdem wäre ja ein super „Sicherheitskonzept“ für die Schulen vorgesehen. Man würde das Testsystem ausbauen – und hat in der ersten Schulwoche im neuen Jahr aber gemerkt, a) wie unzuverlässig die Anti-Gen-Tests bei der Feststellung der Omikron-Variante sind und b) wie überfordert und fehleranfällig das System bei den Hunderttausenden PCR-Tests ist. Inzwischen kann in den Schulen eine Stricherliste gemacht werden von Lehrpersonen oder Schüler:innen, die an Omikron erkrankten. Zum Glück sind viele schon geimpft. Meine Sorge gilt jenen, die nicht geimpft sind. Ich stimme auch jenen nicht zu, die mir auf diese Sorge antworten: Die sind eben selber schuld, wenn sie sich nicht impfen lassen.

Fragwürdig ist wohl vor allem die neue Strategie, dass in den Schulen die Kontaktpersonen von Infizierten – egal ob Lehrpersonen oder Schüler:innen – nicht mehr in Quarantäne müssen, sondern in die Schule, wobei für Schüler:innen zumindest keine physische Anwesenheitspflicht besteht.

Ich habe in meinen letzten Beiträgen davon geschrieben, wie realitätsfern manche Aussagen sind, die davon sprechen: Man müsse halt ordentlich die Masken tragen. Jeder, der eine solche Äußerung macht, soll sich mit mir in einer 6. Stunde in einer Klasse mit 20 Schüler:innen auf relativ engem Raum aufhalten – und vor allem auch in der Pause davor. Wie oft habe ich letzte Woche zu einem Schüler oder einer Schülerin gesagt: Bitte ordentlich die Maske tragen – bitte über der Nase usw. usf.?

Ich hatte – bin selbst Gewerkschaftsmitglied – bislang nicht das Gefühl, dass sich die Gewerkschaft um die Gesundheit des Lehrpersonals kümmert. Die Grundhaltung lautet wohl auch hier: Da müssen wir eben durch. Man könnte es anders formulieren: Das Lehrpersonal soll Opfer bringen für das Konzept der offenen Schulen inmitten der Pandemie.

Selbst wenn eine Omikron-Infektion für Geimpfte weniger gesundheitsgefährdend ist, so darf mit ihr nicht gespielt werden. Es wäre daher nicht richtig, sie durch die Schulen – das heißt durch die Klassenzimmer und Konferenzzimmer „durchlaufen“ zu lassen. Zum einen ist sie weniger gefährlich für die bereits Geimpften – für die Ungeimpften bleibt sie sehr gefährlich, zum anderen bedeutet aber die Ausbreitung einer Covid-Pandemie immer auch, dass dadurch wieder neue Mutationen entstehen könnten.

„Listen to the scientists“

Zynisch wurden letzte Woche meine Bemühungen, dass wir uns in der Schule bestens in der 5. Welle schützen sollten, mit einer Aussage kommentiert, ich solle lieber Lehrer sein, statt einen weißen Arztkittel anzuziehen. Es sind solche Bemerkungen, die verletzen und letztlich sachlich ohne Substanz sind. M.a.W.: Das Ziel ist es dann nicht, dass inhaltlich argumentiert wird, sondern eine andere Meinung verbal torpediert wird. Dennoch habe ich mich gerechtfertigt. Ich weiß, dass ich kein Arzt bin, weswegen ich auf die Mehrheit der Ärzteschaft hinhöre und der medizinischen Forschung vertraue.  Würde ich jetzt schreiben, dass auch die Impfskeptiker großteils keine medizinische Ausbildung haben, dann würde ich aber genau in die Falle der verletzenden Demagogie tappen. Ich möchte lieber mit einer Analogie antworten: Ich bin kein Klimaforscher und dennoch setze ich mich für die Erreichung des 1,5 Grad-Klimazieles ein und mache es zum Thema in einem religiös-ethischen Unterricht. Ich bin kein Historiker und dennoch arbeite ich in der Schule über die Unterschiede zwischen einer austrofaschistischen Diktatur in den 30er-Jahren und der parlamentarischen Demokratie des Jahres 2022. Es geht in der Frage der Impfpflicht um die Bauprinzipien der Katholischen Soziallehre, die Bundeskanzler Nehammer bei der Präsentation des Imfpflichtgesetzes mehrmals nannte: Gemeinwohl und Solidarität. Daher wird es in einem Religionsunterricht, in dem es um kompetenzorientierte Ziele geht, seinen Platz finden. Ein Unterricht freilich, der auch im Distanzlernen geschehen könnte, gäbe es die Bereitschaft dazu.