
Eigentlich mag ich keine Weisheitssprüche, die über die Sozialen Medien gepostet, verbreitet, geliked werden. Sie wirken mir oft trivial, manchmal oberflächlich, manchmal zu pauschal. Zuletzt las ich gleich öfters den gleichen Aphorismus, meist hinterlegt mit einem Bild. Da trottet ein großer Papa-Pandabär neben einem kleinen Kind-Pandabär. Klein-Panda fragt großen Papa-Panda: „Papa, was ist Wichtigste im Leben, der Weg oder das Ziel?“ Papa-Pandabär antwortet: „Die Begleitung“. Ausgedrückt wird in diesem Aphorismus eine Erfahrung, die mir nicht nur bei Bergunternehmungen, sondern im Leben überhaupt immer wieder geschenkt wird.
Es wird der erste richtige Sommertag. Im Tal wird an diesem Christi-Himmelfahrtswochenende die 30-Grad-Marke gekratzt werden. Unser Ziel, unser Weg: Absamer Klettersteig – Bettelwurfhütte – Abstieg über Normalweg. Der Tag ist noch kühl, als wir losgehen. Das Gravelbike schiebe ich bis zum Trinkwasserstollen im Halltal. Vom Bettelwurfeck geht es wieder weg. Verletzungsbedingt musste ich ein Jahr Pause von Klettersteigen machen. Umso mehr freue ich mich jetzt, meist gesichert durch ein Stahlseil, über die Bewegung in der Vertikalen, über die Schluchtquerungen und die Plattenwand, über die Steilpassagen und Felsbänder, über die Tiefblicke hinunter nach St. Magdalena und ins Halltal, hinüber zum Hochmahdkopf und den Zunterköpfen, wo wir erst vor zwei Wochen noch im Schnee gewesen sind. Die gelben Platenigl zwischen den Felsspalten sind bereits verblüht. Manchmal lugt ein tiefblauer Enzian hervor. Weiter bis zum Bettelwurfgipfel wollen wir heute nicht gehen. Da liegt noch Schnee. Vom Bettelwurfeck bis zur Hütte dauerte der Anstieg für 1000 Höhenmeter – und davon 600 Höhenmeter im Klettersteig – knapp unter drei Stunden. Die Bettelwurfhütte (2077 m) hat noch nicht richtig geöffnet. Doch ist der Wirt schon da, um für den Hüttenstart zu Pfingsten Vorbereitungen zu machen. Trittsicherheit verlangt wieder der Abstieg über den Normalsteig hinunter ins Halltal zum Ausgangspunkt. Da gibt es niemand, der fragt, was ist das Wichtigste im Leben, das Ziel oder der Weg, dem ich antworten könnte: Die Begleitung. Doch ist auch der Weg wunderschön und das Ziel nicht minder – und meist ist es doch so, philosophiere ich für mich dahin, dass Weg und Ziel und Begleitung im besten Fall miteinander ein Ganzes bilden.