
In Zeiten, in denen wir noch vom „Kalten Krieg“ sprachen, der doch so heiß war wie ein zwanzigjähriger Vietnamkrieg mit bis zu drei Millionen getöteten Menschen, mit Agent Orange und all den Grausamkeiten, in diesen Zeiten, von 1955 bis 1975, erstarkte zugleich weltweit eine Friedensbewegung. Millionen stimmten ein in John Lennons Lied „Imagine“ – “Imagine there’s no countries/It isn’t hard to do/Nothing to kill or die for”. Wir träumten inmitten von kalten und heißen Kriegen davon, dass es eine Welt in Frieden geben könnte und protestierten mit Songs wie „where have all the flowers gone …“ gegen die Sinnlosigkeit des Krieges. In Zeiten, in denen die USA und die UdSSR ihren Stellvertreterkrieg in Afghanistan führten – beginnend im Jahr 1978 mit all den schrecklichen Folgen bis heute, sang Reinhard Mey seine Anti-Kriegshymne „Nein, meine Söhne geb ich nicht …“ und Tausende sangen mit. In Zeiten der Reagan-Rambo-Paranoia Mitte der 80er Jahre zeigte Sting mit seinem Song „Russians“ auf, wie dumm-dreist gefährlich und im Dienst des militärisch-industriellen Komplexes ein Feindbilddenken gegenüber dem russischen Volk ist. Die Singer-Songwriters schenkten der Friedensbewegung der 70er- und 80er Jahre eine spirituell-poetisch-musikalische Dimension. Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichsten Disziplinen analysierten in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gleichzeitig die verheerenden Spiralen der militärischen Logik. Insbesondere wurde von Denkern wie Robert Jungk aufgezeigt, dass atomare Rüstung die Welt in einen Abgrund führt. Zugleich wiesen Friedensforschende wie Gene Sharp oder Theodor Ebert nach, dass es zivilgesellschaftliche und in der Praxis bewährte Wege für eine Sicherheit jenseits von militärischer Gewalt gibt. Es fiel die Mauer zwischen Ost und West und atomare Abrüstungsverträge wurden unterzeichnet. Die Grünen verstanden sich als parlamentarisches Standbein einer pazifistischen und antimilitaristischen Bewegung. Dann kamen die Golfkriege, die neuen Stellvertreterkriege in Afrika, die Sezessionskriege im ehemaligen Jugoslawien und schließlich der Angriffskrieg Russlands gegenüber der Ukraine und der Vernichtungskrieg Israels gegenüber den Palästinensern in Gaza als Folge des Hamas-Terrors. Plötzlich verstummten die Lieder, die einst gesungen wurden, und Konzeptionen einer Sozialen Verteidigung schienen nicht mehr zu gelten. Abrüstungsverträge wurden brüchig und ein neues Wettrüsten begann, dem selbst die einst pazifistischen Grünen ihre Zustimmung zu geben scheinen. Niemand scheint sich nun mehr daran zu stören, dass die Militärbudgets verdoppelt und verdreifacht werden. Es scheint Common Sense zu sein, dass unsere Gesellschaften „kriegsfähig“ werden müssen. Doch gibt es auch jene Stimmen, die sich erheben gegen all das Kriegsgeschrei. Papst Leo XIV. ist eine deutliche darunter. Das schenkt Mut.
Klaus Heidegger
(Bild: Origami-Kraniche, entdeckt in einer Kirche im Norden Deutschlands)