
Frühherbstlich kühlt ist es. Startpunkt ist der Bahnhof in Seefeld. Die sommerliche Sperre der Karwendelbahn ist seit einer Woche aufgehoben. Das Leben im Tourismus-Ort ist noch nicht erwacht. Ich wähle zu Beginn die Asphaltstraße in die Leutasch. Die Strecke hinein durch das Gaistal ist mir vertraut – zugleich erlebe ich sie wieder ganz neu. Ich bin fast allein. Die Leutascher Ache fließt zunächst weit unten in einer Schlucht und weiter oben direkt neben dem Forstweg durch das Hochtal. Über den vielen weiten Almen ragen die Bergketten des Mieminger Gebirges im Süden und des Wettersteingebirges im Norden. Über „Vom Schweigen im Walde“ schrieb der berühmteste Literat aus der Leutasch hier seinen Roman. So mächtig wie die Natur sind die Gefühle der Menschen, die ohne Rationalität zerstörerisch sein können. Beeindruckend und unnahbar ist der Hochwanner, zweithöchster Berg Deutschlands. Beim Igelsee mache ich kurz Halt um zu schauen und zu staunen und einfach innezuhalten. Der See hat keinen Zufluss und keinen Abfluss, ist also ein periodisches Gewässer, das je nach Wetterlage und Niederschlagssituation größer oder kleiner ist und auch manchmal ganz verschwindet. Heute ist er ein kleiner Tümpel, in dem sich dennoch einige der Kalkriesen spiegeln. Die Nadelwälder im Hintergrund der Weiden ragen stolz hinauf. So einsam es im Gaistal war, so touristisch voll ist es dann auf der anderen Seite bei der Ehrwalder Alm. Die Gondelbahn befördert eine Menschenmenge hinauf. Der Aufstieg zur Zugspitze wäre von hier noch 1700 Höhenmeter. 6 Stunden zeigt eine Tafel an. Ich umrunde mit dem Gravelbike den höchsten Gipfel Deutschlands an seinem Fuß. Steil und geteert ist der Weg hinunter nach Ehrwald. Dort sind Trauben von Wanderern wie die reifen Früchte an den Weinreben. Der Radweg durch das flach ansteigende Ehrwalder Becken entlang der Loisach ist naturschön. Garmisch selbst umfahre ich im Süden, vorbei an den Olympiaschanzen und weiter Richtung Mittenwald. Gut erinnere ich mich an Hamersbach, als wir von dort über das Höllental auf die Zugpsitze gingen und retour über die Wiener Neustädter Hütte zum Eibsee hinunter. Ein gutes Stück führt meine Strecke entlang der Bundesstraße – zum Glück nicht auf ihr. Stockender Kolonnenverkehr in beide Richtungen. Da beginne ich wieder an der ökologischen Vernunft der Masse zu zweifeln. Ich wähle intuitiv die schnellere Strecke, die für mein Gravelbike bestens geeignet ist. Eine andere Variante über die Partnachklamm, Ferchensee und Elmau werde ich ein andermal probieren. Heute hatte ich zu wenig Akku für das Handy, um die Strecke mit Komoot zu navigieren. Vertraut ist mir dann die Fahrt von Mittenwald durch die Leutasch und rasant hinunter nach Telfs. Die Runde ist geschlossen. 111 Kilometer, 1400 Höhenmeter – eine mehrfach runde Sache mit unendlich vielen Eindrücken von den stolzen Kalkgipfeln, wie sie von den Tälern aus wirken.