
Jedes Jahr ist es ein besonderes Naturschauspiel, wenn der erste Schnee bis in die Wälder hinunterfällt, deren Laubbäume noch golden und rot gefärbt sind. Mir fällt auf, dass ich nun gerade naturromantisch wie Ludwig Ganghofer schreibe, auf dessen Spuren ich heute bin. Aber zurück zum Anfang. Seefeld liegt fast im zeitlichen Danach und Davor – nach der Sommer&Herbstsaison und vor der noch viel belebteren Wintersaison. Der Zug von Innsbruck bringt uns zum Startpunkt bei der Kirche in Seefeld. Ich mag das ruhige gotische Innere dieser Kirche, die uralten Mauern mit dem Rippengewölbe und einem wunderschönen Altar. Es ist ein Ort zum spirituellen Verweilen. Mich zieht es hinaus in jene Waldgegend, die mir vom winterlichen Skaten so vertraut ist. Auf den Wegen liegt Schnee. Zuerst nach Wildmoos dann hinunter in die Leutasch und hinein ins Gaistal. Längst sind die Radschuhe vom Schnee und Gatsch nass geworden. Die Schönheit des Tales lässt die Kälte und Nässe vergessen. Autospuren am Weg erleichtern das Fahren am Weg, weil in der Fahrspur kaum Schnee liegt. Es ist der Ganghoferweg. Tief unten ist anfangs eine Schlucht hinunter zur Leutascher Ache. Beeindruckend sind einmal mehr die steilen Felswände der Mieminger Kette. Wir ändern das Ziel. Es wird die Tillfussalm, die etwas unterhalb vom Hubertus-Jagdhaus liegt, in dem Ludwig Ganghofer wohnte, wenn er auf der Jagd nach Wild oder nach Ideen für seine Heimatromane war. In der Almhütte liegen Bücher von Ganghofer auf. Beim Kaspressknödelessen denke ich mir, dass hier wohl auch Ganghofer mit seinen Freunden gesessen sein könnte. Seine Bücher, die in der Almhütte aufliegen, werde ich wohl nie lesen. Zu fremd ist mir seine Geisteswelt mit reaktionären Familienbildern, mit fanatischer Kriegshysterie und völkischen Klischees. Der Schriftsteller Ganghofer war Kriegspropagandist – und als solcher passt er gut zu den Kriegspropagandisten der Gegenwart. Ich schiebe solche Gedanken weg, freue mich an der weißen Winterlandschaft mit ihren Gegensätzen, der Kälte im Schatten und der Wärme in der Sonne, den eisigen Nordwänden und den lichtdurchfluteten Südflanken, dem Gelb der Birkenblätter und den dunklen Baumstämmen, dem tiefblauen Himmel und den tiefgrünen Wäldern. Zurück in der Leutasch führt dann sehr bald eine Mountainbikestrecke hinauf auf die Buchener Höhe und dann geht es die Asphaltstraße hinunter ins sonnige Inntal. Es ist wieder ein Tag mit einer Welterfahrung jenseits der dystopischen Wirklichkeiten unserer Zeit.