Eine Nachlese zum Ausgang der Parlamentswahlen in Großbritannien und in Israel im Mai 2015
Es weht ein eisig kühler Wind von Nord und Süd, der mich frösteln lässt, der mir die Freude an der draußen aufblühenden Natur trübt und eine positive Grundstimmung aus den Gesichtszügen nimmt. Die Kraft und der Geist der Auferstehung – wo sind sie im großen Geschehen dieser Welt spürbar? Wo sind sie nicht nur in den Nischen und an den Rändern des kollektiven Weltgeschehens wahrnehmbar?
In Großbritannien haben die regierenden Tories einen fulminanten Sieg errungen. Sie werden künftig mit Regierungschef David Cameron die Alleinregierung übernehmen. Im britischen Unterhaus können sie mit 331 der 651 Sitze über die künftige Politik Großbritanniens bestimmen. Auch die rechtsnationalistische UKIP erreichte 13 Prozent der Stimmen. David Cameron hat sich in den letzten Jahren als Regierungschef präsentiert, der auf ein einsatzbereites Militär setzt. Den Islamischen Staat wollte er „zerquetschen“. Militärschläge in Syrien sollten auch ohne Zustimmung der syrischen Regierung durchgeführt werden. Kurdische Widerstandskämpfer wurden militärisch ausgerüstet. Das Kabinett Cameron stand in der letzten Regierungsperiode für eine Politik eines unilateralen Militarismus in Abstimmung mit der US-Politik. Großbritannien befindet sich knapp hinter Frankreich mit 60 Milliarden US-Dollar (2014) an 6. Stelle der Staaten der weltweit höchsten Militärausgaben. Angesichts des hohen Staatsdefizits und eines zu knappen Sozialbudgets sind die Militärausgaben aus der Perspektive der Gerechtigkeit und des Friedens ein Skandal. Die UK Deterrent Forces verfügen weiterhin über einsatzbereite Atomraketen. Die britische Rüstungsindustrie beliefert mit Milliardenaufträgen kriegführende Länder wie Saudi-Arabien, Russland oder Sri Lanka. Gegenwärtig bombardieren Kampfflugzeuge aus britischer Produktion Städte und Dörfer im Jemen und erzeugen ein neues humanitäres Desaster. Großbritannien steht an 5. Stelle im Ranking der weltweit größten Exporteure von Kriegsmaterial.
In Israel hat eine rechts-„religiöse“ Koalition unter Führung von Netanjahu die Regierungsgeschäfte übernommen. In dieser Koalition sind Kräfte, die den Siedlungsbau in Palästina forcieren. Es ist eine Koalition, die den Krieg gegen das palästinensische Volk fortsetzt.
Europaweit finden Gedächtnis-Zeremonien zum Kriegsende vor 70 Jahren statt. In Tirol wird in diesen Maitagen vor allem an die Ereignisse vor 100 Jahren gedacht, als 1915 mit der Kriegserklärung Italiens im Süden meiner Heimat die Brutalität eskalierte. Tu felix Austria? 100 Jahre später, 70 Jahre später – es sind Politiker an der Macht, die weiterhin in militärischer Logik verhaftet sind. Während auf der einen Seite das Ende der großen Kriege gefeiert wird, wird auf der anderen Seite für neue Kriege gerüstet. Der Ruf vor 70 Jahren – Nie wieder Krieg! Nie wieder Kriegsbeteiligung! Nie wieder Militärbündnis! – der sich kurze Zeit später im Staatsvertrag und in den Neutralitäsverpflichtungen manifestierte, wird heute mit der Missachtung der Österreichischen Neutralität verraten. Just am Tag, an dem die Befreiung aus den Klauen der Naziherrschaft gefeiert wurde, propagiert die ÖVP ihre Vorstellung von einer Europa-Armee. Die Stellvertreterin von ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und EU-Abgeordnete Eva Köstinger wird beim ÖVP-Parteitag diese Idee vorstellen. Es sei mit Lissabon-Vertrag und dem Status der österreichischen Neutralität vereinbar, so meint sie. Was die heimischen Sicherheitsexperten dazu sagen, wie der Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik, Reinhold Gärtner, wird ignoriert.
Bei diesen eisigen Winden bräuchten Menschen, die sich gegen Krieg und atomaren Wahn auf dieser Welt einsetzen und Nein zu Aufrüstung ohne Wenn und Aber sagen, die wärmende Gegenwart von Seelenverwandten und Gleichgesinnten.
Klaus Heidegger, 9. Mai 2015