Erdrutschsiege gegen Flüchtlinge – eine exemplarische Chronologie von zwei Jahren blauer Flüchtlingspolitik

0412013 und danach

Das Drama von Lampedusa in der Woche nach den Nationalratswahlen 2013 führte sinnfällig vor Augen, wohin eine Politik der Menschenfeindlichkeit führt. Wer eine asylfeindliche Politik zu verantworten hat, wird mitschuldig an diesem Leiden und Sterben. Wer dafür eintritt, die Mauern der Europäischen Union noch mehr hochzuziehen und zugleich Nächstenliebe gegenüber den verhungernden Massen in den Ländern des Südens vermissen lässt, trägt bei zum Massenelend in dieser Welt. Mit Papst Franziskus können wir von einer „Schande“ sprechen. Die FPÖ mit ihrem ehemaligen Rechtsaußen-Vertreter im EU-Parlament, Andreas Mölzer, und ehemaligen EU-Spitzenkandidaten forderte angesichts der Tragödie vor Lampedusa im Herbst 2013 nicht Solidarität mit den Flüchtlingen, sondern eine Verstärkung von Frontex im Mittelmeer. Flüchtende Menschen sollen noch rigider zurückgewiesen werden. Je mehr aber die Grenzen dicht gemacht werden, desto gefährlicher werden die Flüchtlingswege.

Stimmungsmache gegen Flüchtlinge
Kaum ein Tag verging in den vergangenen zwei Jahren, ohne dass von FP-Mandataren nicht Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylsuchende gemacht worden wäre. Dies hat System. Ein FP-Nationalratsabgeordneter beschimpfte die Flüchtlinge in Traiskirchen als „Erd- und Höhlenmenschen“. Bis hinunter in die kleinen Bereiche wird die FPÖ-Position, Flüchtlingen in Österreich ein Asyl zu erschweren, merkbar, etwa wenn der Tiroler FP-Nationalratsmandatar Peter Wurm Kräfte unterstützt, die die Aufnahme in einem Tiroler Dorf erschweren. Ähnliches geschieht in ganz Österreich. In den Sommerdiskussion 2014 um die Aufnahme von Flüchtlingen vertrat die FPÖ unermüdlich den Standpunkt, keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen.

Flüchtlinge und die Kostenfrage
Typisch für eine populistische Politik ist es, immer wieder auf die Kosten hinzuweisen, die für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen aufgewendet werden. Das weckt dumpfe Gefühle, dass „dem heimischen Volk“ etwas weggenommen wird, das ihm gehört. Während die Welt an die humanitären Katastrophen im Mittelmeer denkt, unmittelbar nach den Tagen, an dem innerhalb kurzer Zeit mehr als 1000 Menschen im Mittelmeer ertranken, rechnete der FPÖ-Klubobmann Tirols vor, was jedes Flüchtlingsheim in Tirol kosten würde.

Abwehr von Flüchtlingen
Die blau-braune Politik rechtspopulistischer Parteien ist geprägt von einer Abwehr von Flüchtlingen. Wenn FPÖ-Chef Heinz Christian Strache die Errichtung von Auffanglagern in Nordafrika fordert, dann passt dies wie ein Puzzlestück zu den Forderungen von Rechts-außen Viktor Orbán, die Grenzen der EU mit Militär stärker zu bewachen und aufgegriffene Flüchtlinge schneller abzuschieben. In seiner Rede zum „Asylnotstandt“ trat der FP-Parteichef in Präsidentenpose auf und lobte die Politik von Vitkor Orbán, dessen Politik einige Tage zuvor vom Bundeskanzler mit Vorgängen in Hitlerdeutschland verglichen worden war. m Mai 2015 forderte der Tiroler Landtagsabgeordnete Rudi Federspiel ein Dichtmachen der Grenze am Brenner mit der Bemerkung „Das Boot ist voll“.
Auch in den Landtagswahlkämpfen spielt das Asylthema für die FPÖ eine zentrale Rolle. Dabei folgt die FP-Propaganda dem gleichen Strickmuster. Flüchtlinge werden zum einen mit Kriminalität in Beziehung gebracht, zum anderen wird permanent auf die angeblich hohen Kosten verwiesen, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen für die Allgemeinheit erwachsen würden. Für den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek waren im Wahlkampf „Asylschwindler“, „Kriminaltourismus“ und „Das Boot ist voll“ die Ankerworte. Auf der Bildebene werden Emotionen gegen Ausländer und Flüchtlinge geweckt.
Der FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verknüpft dabei seinen Antiislamismus mit der Flüchtlingsfrage, wenn er meint, Österreich solle vorwiegend christliche Flüchtlinge aufnehmen, während die Muslime in den islamischen Ländern Zuflucht suchen sollen.
Bei einer Asyldebatte im Nationalrat im Frühsommer 2015 forderte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein mehr Abschiebungen. Flüchtlinge sollten in Transportmaschinen außer Landes gebracht werden, um Widerstand unmöglich zu machen. Zum möglichen Protest der Flüchtlinge bei der Abschiebung meinte sie menschenverachtend: „Da können sie so laut schreien, wie sie wollen.“
Mit Beschimpfungen von Ausländern und plumpen Unterstellungen tat sich immer wieder die blaue Landtagsabgeordnete aus Tirol, Hildegard Schwaiger, hervor. In einem Facebook-Beitrag postete sie: „Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eigenen Land.“ Und weiters: „Flüchtinge sollten in Gewehrläufe und Mistgabeln blicken.“
Im Herbst 2015, als die Flüchtlingskrise in Europa besonders greifbar war, in den Tagen, als Tausende Flüchtlinge aus Syrien nach Österreich kamen bzw. über Österreich nach Deutschland und andere EU-Staaten reisen wollten, waren zugleich zwei Landtagswahlen. Geschickt konnte die FPÖ damit Stimmen auf sich ziehen. Der Chefredakteur der TT, Mario Zenhäusern, schrieb dazu am Tag nach den Wahlen in Oberösterreich, bei denen die FPÖ ihren Mandatsstand auf über 30% verbessern konnte, „FPÖ nützt eiskalt Ängste, die sie selber schürt“. Kommentatoren und Politologen buchten jedenfalls die Erfolge der FPÖ einheitlich auf die Flüchtlingsfrage.

Grenzen dicht
Menschenrechtswidrige Äußerungen von Seiten der Freiheitlichen geschehen in einem Klima, wo die Grenzen gegenüber Flüchtlingen von der herrschenden Politik zunehmend mehr aufgebaut werden. Im Juni 2015 begann Ungarn mit dem Bau eines 175 Kilometer langen Grenzzaunes zu Serbien. Die Grenzen Bulgariens und Griechenlands zur Türkei wurden bereits dicht gemacht.

Dem Populismus nachgeben
Gleichzeitig wird auch von Politikern anderer Parteien in abgeschwächter Form auf die Forderungen der FPÖ eingegangen. Die österreichische Innenministerin Mikl-Leitner kündigte im Juni 2015 – unmittelbar nach den blauen Wahlerfolgen in der Steiermark und im Burgenland – an, die Bearbeitung von neuen Asylverfahren zu stoppen und Dublin-Flüchtlinge abzuschieben. Der Sinn ihrer Aktion: Erstens solle Österreich als Asylland unattraktiver werden, wenn es keine neuen Asylverfahren mehr geben würde; zweitens würden jene, die aus ihrer Sicht laut Dublin-Verordnungen unrechtmäßig in Österreich sind, schneller abgeschoben. Damit wird die FPÖ-Forderung, Abschiebung statt Aufnahme, Abschreckung statt Hilfe für Flüchtlinge von Seiten der bestehenden Regierung umgesetzt.
Im Sommer 2015, zwei Tage vor dem schrecklichen Ereignis erstickter Flüchtlinge bei Parndorf, kritisierte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz Griechenland, weil es sich zu wenig um den Schutz der EU-Außengrenze kümmere. Zugleich erinnerte er daran, dass Griechenland eine der größten Armeen Europas hätte. Mit den Forderungen, Grenzen dicht zu machen, entsprach Sebastian Kurz genau den Forderungen der Rechtspopulisten. Ebenso meinte der wahlkämpfende oberösterreichische Landeshauptmann einen Tag nach der Flüchtlingstragödie von Parndorf: „Man muss die EU-Außengrenzen schärfer kontrollieren.“ Wer allerdings ohnehin gegen Flüchtlinge eingestellt ist, wird trotzdem lieber die FPÖ als die ÖVP wählen. Bis hinunter auf Gemeindeebene lässt sich jener Populismus auch in anderen Parteien festmachen, den die FPÖ gekonnt instrumentalisiert. Der SPÖ-Bürgermeister aus Rum, Edgar Kopp, meinte etwa: „Es gibt daher gar keine andere Lösung, als Europa dichtzumachen. Je eher dies geschieht, umso besser für unsere Bevölkerung.“ Geflissentlich wird dabei ignoriert: Je dichter die Grenzen sind, desto mehr werden verzweifelte Flüchtlinge auf Schlepperei und gefährliche Fluchtversuche angewiesen sein, um überhaupt nach Europa gelangen zu können.
Was in diesem ganzen Klima, angesichts dieses Populismus, des Auseinanderdividierens der schwachen Gesellschaftsgruppen im Lande, eines egoistisch motivierten Nationalismus, geschieht, kann angst machen. Doch wo die Erkenntnis von der Not ist, kann auch das Rettende wachsen.