Militärische Flüchtlingsabwehr Made in Austria

Brauchbares Heer für Flüchtlingsabwehr

Der Neo-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil bringt das österreichische Militär und damit auch sich selbst im wahrsten Sinn des Wortes seit seinem Amtstritt täglich in Stellung. Das Bundesheer wird als brauchbares Instrument einer Obergrenzen-und Abschottungs-Politik angepriesen. Zuerst war es Doskozils Angebot, Hercules-Transportflugzeuge des Bundesheeres für Abschiebungen einzusetzen. Dann folgte seine Überlegung für einen bewaffneten Assistenzeinsatz des Heeres an der Südgrenze. Mit 15.2.2016 beginnt an der steirischen Grenze der „Vollbetrieb“. Soldaten sorgen gemeinsam mit Polizeikräften dafür, dass die „tägliche Obergrenze“ nicht überschritten wird. Für Milizsoldaten ist dies auch ein lukratives Geschäft. Sie können bei diesem Einsatz monatlich € 2770 netto verdienen. 18-Jährige bekommen daher mehr als ein Lehrer nach vielen Schuljahren! Im Zusammenhang mit dem Assistenzeinsatz an der Grenz fügte Doskozil gleich hinzu, dass man dabei eine Verlängerung des Präsenzdienstes prüfen könnte. Schließlich bot Doskozil an, österreichische Soldaten am Balkan im Rahmen der EU-Flüchtlingsabwehr „Frontex“ einzusetzen. Im Einklang mit Außenminister Kurz will Doskozil sehr bald Mazedonien Soldaten zur Verfügung stellen, damit dort die Grenze besser bewacht werden kann. (13.2.2016)
Das heimische Militär soll also durch den „sicherheitspolitischen Assistenzeinsatz“ an der Grenze, durch das Bereitstellen seiner Transportmaschinen und das Entsenden von heimischen Soldaten für EU-Operationen gegen Flüchtlinge zum Erfüllungsgehilfen der neuen Obergrenzen-Richtwerte-Politik und EU-Abschiebepolitik werden. Doskozil scheint in populistischer Absicht zu handeln, weil das Volk doch solche scharfen Methoden erwarte. Gegen eine solche Politik der Militarisierung der Flüchtlingspolitik sprechen jedoch mehrere humanitäre wie demokratiepolitische Gründe.

 

Verletzung von Menschenrechten

Erstens hängt an der Abschiebepraxis bzw. ihrer Ankündigung immer der Geruch einer Missachtung grundlegender Menschenrechte. Warum bekommen nur mehr Menschen aus ganz bestimmten Ländern nicht Asyl, auch wenn sie nachweislich aus Kriegs- und Elendssituationen geflohen sind, nicht aber in eine quotenorientierte Praxis passen? Was geschieht mit Menschen, die unfreiwillig in ihre Herkunftsländer geflogen werden? Wenn an Hercules-Transportmaschinen gedacht wird, dann stellt sich die Phantasie auf eine größere Anzahl von abzuschiebenden Flüchtlingen ein. Wer wird dann genau prüfen, ob das Refoulement-Verbot bei kollektiven Abschiebungen eingehalten wird?

 

Innere und äußere Sicherheit sind zwei paar Schuhe

Zweitens ist aus demokratiepolitischer Sicht die Aufhebung der Trennung von militärischen und polizeilichen Aufgaben gefährlich. Polizei und Militär haben in Rechtsstaaten verschiedene Aufgaben. Für die innere Sicherheit – also auch für die Flüchtlinge – sind das Bundesministerium für Inneres und seine Exekutivorgane zuständig. Flüchtlinge bedrohen nicht die äußere Sicherheit Österreichs. Wenn es schon zu wenig Mittel für eine Kontrolle der Flüchtlingsbewegungen gibt, dann sollten nicht das Heer mehr finanzielle Mittel bekommen, sondern die Polizeikräfte, die dann nicht Assistenz vom Heer nehmen müssten.

 

Flüchtlinge werden zu Feinden und zum Bedrohungspotential

Drittens beinhaltet militärische „Flüchtlingsabwehr“ bedenkliche psychologische Aspekte. Flüchtlinge sind in den meisten Fällen aus Kriegssituationen geflohen. Kriegstraumatisierte Menschen brauchen nicht den Anblick von Uniformen und Kriegsgerät, sondern helfende Hände von Polizei und Hilfsorganisationen. Wenn das Militär zur Bewältigung der Flüchtlingskrise eingesetzt wird, erscheinen Flüchtlinge zudem als Bedrohung der heimischen Sicherheit. Es ist, als müsste man „Krieg“ gegen Flüchtlinge führen.

 

Offenheit statt Grenzen, Hilfe statt Abwehr

Die primäre Aufgabe einer verantwortungsvollen und an den Menschenrechten orientierten Politik für Flüchtlinge wäre es, nicht nach Gewaltapparaten zu rufen. Der Einsatz des Militärs für die Lösung des Flüchtlingsproblems ist ein Zugeständnis des Scheiterns der Politik. Zum Glück leisten in unserem Land zunehmend mehr junge Männer ihren Pflichtdienst im Rahmen des Zivildienstes. Flüchtlinge brauchen Kräfte in den Hilfs- und Rettungsorganisationen, nicht aber Rekruten an der Grenze. Flüchtlinge in der Ägäis brauchen Rettungsboote, nicht aber Kampfschiffe, die sie zurückdrängen wollen. Grenzziehungen braucht es für die Produktion von Rüstungsgütern und den Export von Kriegsmaterialien. Es gilt, den Krieg auszuhungern und den Hungernden Nahrung zu geben.
Klaus Heidegger, aktualisierte und ergänzte Version, Valentinstag – aus Liebe zu den Flüchtlingen, 14.2.2016