Militärmusik und die Frage des Krieges

Erst vor einem Jahr wurden gegen den Widerstand von Teilen des Militärs Einsparungen und Umstrukturierungen für die Institution Militärmusik unter Ex-Verteidigungsminister Gerald Klug beschlossen. Die Militärmusik sollte um Zweidrittel der bestehenden Größe reduziert werden.

In vielen Bereichen gibt es seit dem Amtsantritt von Hans Peter Doskozil nun wieder eine Aufhebung der Pläne, das Militärische in unserer Gesellschaft einzuschränken. Dies passt zum aktuellen Beschluss, das Militärbudget  in den nächsten Jahren um 1,3 Milliarden Euro zu erhöhen und geplante Schließungen von Kasernen nun doch nicht umzusetzen.  Nun soll also die Neustrukturierung der Militärmusik rückgängig gemacht werden. Doskozil spricht von dem „großen kulturellen und gesellschaftlichen Wert“ der Militärmusik. Geplante Einsparungen und Kürzungen sieht Doskozil als hinfällig. Derzeit betragen die direkten Aufwendungen für die heimische Militärmusik 11 Millionen Euro, das sind 0,56 Prozent des Militärbudgets. Es ist kein unbeträchtlicher Betrag, der sich für das Image und damit die Verankerung des Militärs in der Gesellschaft  jedoch lohnen dürfte. Ich möchte hier die zentrale Frage „cui bono?“ – wem nützen Musikkapellen in Heeresuniform – stellen.

In der Geschichte hat die Militärmusik stets kriegerisches Geschehen unterstützt. Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg ist bereits wieder in den Hintergrund getreten. Hundertschaften von zwangsverpflichteten Soldaten zogen vor 100 Jahren in sinnlose Schlachten. Beim Abmarsch gingen ihnen Militärkapellen voraus. Gleichschrittmusik macht Körper zu Gleichschrittmaschinen. Der Marsch wird zur musikalischen Kriegspropaganda. Die Aufgabe der Militärmusik war es immer schon, den „guten Ton“ zum martialischen Getöse zu machen. Der Kampfeswille sollte gestärkt werden. 1915 schrieb Kurt Tucholsky im Gedicht „Unser Militär“ im letzten Vers: „Aber noch übertönte den Jammer im Krieg: Militärmusik! Militärmusik!“

Auch heute ist der primäre Zweck der Musiker in Tarnfarbe nicht, schöne Musik zu bieten, sondern Sympathieträger für das Heer zu sein. Es soll eine emotionale Brücke zwischen Bevölkerung und Armee hergestellt werden. Der österreichische Spitzendiplomat der Nachkriegsjahre, Josef Schöner, schrieb in sein Tagebuch: „Überhaupt finde ich, daß trotz aller pazifistischen Vernunftargumente richtige Marschmusik etwas ist, das das Unterbewußtsein der Masse ganz direkt anrührt und aufrüttelt, sie geht ohne den Umweg über das Gehirn direkt an die Massenseele. Da kann die Vernunft noch so schöne Reden gegen den Militarismus halten – die Trompeten eines Militärmarsches rütteln die Herzen auf.“ Militärmusik verhindert auch Rekrutierungsprobleme. Ich könnte an dieser Stelle Dutzende meiner ehemaligen Schüler aufzählen, die auf die Frage, warum sie zum Heer gingen, die Militärmusik nannten. Dies gab ihnen tatsächlich die Möglichkeit zu einer gediegenen musikalischen Weiterbildung.

Sinn und Ziel der Militärmusik ist und bleibt, der militärischen Logik eine emotionale Basis zu geben und das militärische System zu stärken. Ein Land mit mikrigem Entwicklungsbudget bräuchte jedoch andere Töne: Es ginge nicht darum, in die militärischen Eskalationen überall auf dieser Welt noch mehr auf Militär zu setzen, sondern auf eine Politik der Deeskalation, der friedlichen Konfliktlösungsstrategien und, ja auch dies, der Entmilitarisierung. Dafür steht eben eine Militärmusik nicht. In einer Welt voller Kriege fehlt es an Signalen gegen jede Form der Militarisierung. Daher wäre eine Abschaffung der Militärmusik ein kleiner Schritt in eine Welt des Friedens.

Klaus Heidegger, klaus.heidegger@aon.at ,12. Mai 2016