Bischof Martin und die Frage der Bischofsernennungen heute

 

Bischof aus dem Volk und für das Volk

Im Martinsjahr – es wird der 1700. Geburtstag von einem der bedeutsamsten Heiligen Europas gefeiert – wartet die Diözese Innsbruck auf einen Nachfolger von Bischof Manfred Scheuer. Wer es wird, ist für die breite Öffentlichkeit, für die passiven wie aktiven Mitglieder der Kirche und selbst für Verantwortliche ein Geheimnis. Spekulationen und Geheimniskrämerei gehören dazu. Es wird darüber geschrieben und darüber geredet.

Längst wünschen sich Gläubige eine andere Vorgangsweise, die mehr dem Geist der Kirche entspricht und von einem Vertrauen in das Volk Gottes geprägt ist. Ein Bischof soll nicht mehr aus der Tiara des Papstes und der Mitra des Nuntius gezaubert werden – bzw. durch die einflussreichen vatikanischen Seilschaften, sondern soll durch das Hinhören und Mitentscheiden jener, für die ein Bischof  „Hirte“ ist, aus dem Volk heraus wachsen.

Vor mehr als einem Jahr hatten sich Verantwortliche der Diözese in einem Gesprächsprozess auf einen Dreiervorschlag geeinigt und diesen dem Nuntius überreicht. Ob „man“ sich daran halten wird, ist jedoch allein Sache von Papst und Nuntius. Es bleibt uns – als Menschen die in der katholischen Kirche beheimatet sind und mitarbeiten – also nur die Hoffnung mit Blick auf Papst Franziskus und auch darauf, dass es wieder so gut ausgehen wird wie mit den Innsbrucker Bischöfen zuletzt. Die positiven Erfahrungen mit Erzbischof Kothgasser und Bischof Scheuer geben auch keinen Anlass für eine grundsätzliche Kritik an solchem Bestellungsmodus. Weit entfernt ist er jedoch von den Spielarten einer echten Demokratie, zu der sich die Kirche auf gesellschaftlicher Ebene bekennt. Die Kirche predigt demokratische Grundsätze und hält es bei Bischofsbestellungen mit monarchistischen Traditionen. Eine Beteiligung der Ortskirchen ist bei der Auswahl neuer Bischöfe nicht gefragt. Die Kultur der Verschwiegenheit hat System. Während die Vorbereitungen für die Pfarrgemeinderatswahlen im kommenden Jahr bereits voll anlaufen und während es in vielen Bereichen – vor allem in den Gliederungen der Katholischen Aktion – eine bewusste Pflege demokratischer Partizipation gibt, setzt diese an der Spitze der Hierarchie aus. Dass es nicht so sein müsste, zeigt uns auch die Art und Weise, wie in der evangelischen oder altkatholischen Kirche die bischöflichen Repräsentanten durch das Volk gewählt werden.

Während es also in den Gerüchteküchen brodelt und sich die Bischofskonferenz in dieser Frage zugeknöpft wie die lange Reihe der roten Knöpfe an Bischofstalaren gibt, wird landauf landab des Heiligen Martin gedacht. Just an seinem Festtag erscheint wieder ein ausführlicher Bericht in der Tiroler Tageszeitung über die Spekulationen zur Bischofsnachfolge.

Gerade der Mantelteiler steht jedoch auch für eine andere Kirche. Bekannt ist seine anfängliche Weigerung, dem Ruf auf das Bischofsamt zu widerstehen. Ruhm, Macht und Karriere sind nicht sein Lebensziel und nicht der Grund, warum er sich für Jesus entschied. Daher versteckte er sich laut Legende in einem Gänsestall. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass die Gänse ihn verraten würden. Heute müssten sich Bischofsanwärter wohl nicht mehr in einem Gänsestall verstecken, um dem Ruf des Volkes, Hirte zu sein, zu entgehen. Längst schon werden Bischöfe nicht mehr – wie zu Martins Zeiten – vom Volk und auf Wunsch des Volkes bestellt, sondern hinter den dicken vatikanischen Mauern beschlossen.

 

Bescheidenheit

Es gibt Bischöfe im Stile von Martin, der jeglichen Prunk vermied und in seinem Lebensstil auf Insignien der Macht verzichtete. Der heutige Bischof von Rom setzt Zeichen in diese Richtung. Ein Bischof passt auf keinen Thron, darf sich nicht beweihräuchern lassen und vor einem Bischof soll sich kein Mensch niederwerfen: Das war die Botschaft des Martin zu einer Zeit, als sich die Kirche mehr und mehr dem römischen Herrschaftsgehabe anzupassen begann. Da passt Martin von Tours so ganz zu Martin Luther, dem der päpstliche und bischöfliche Pomp seiner Zeit ein Gräuel war. Es ist ein schönes, symbolisch kräftiges Zusammentreffen, dass der Beginn zur Feier des Reformationsjahres sich fast genau deckt mit der Feier zum 1700. Geburtstag des Bischofs von Tours.

 

Mantelteilen als antike Friedensdividende

Der Heilige aus dem 4. Jahrhundert entspricht auch dem Pazifismus eines Martin Luther King. Landauf landab wird Martinus als römischer Soldat hoch zu Ross dargestellt. Martin – der dem Kriegsgott Mars „Geweihte“. Dieses Bild passt besser zu einer militärischen Kultur als ein Christ, der sich aufgrund seines Glaubens entscheidet, keine Waffe mehr zu tragen. Es stimmt zwar, dass Martin zunächst als Berufssoldat gedient hatte. Mehr und mehr aber dürfte Martin dies nicht mehr als vereinbar mit seinem Christsein empfunden haben, obwohl damals die Kaiser Soldatendienst und Christsein durchaus nicht als Gegensatz gesehen hatten. Sulpicius Severus berichtet in seiner Vita Sancti Martini, verfasst um 395, von dessen Absage an den Kaiser. Martin soll ihm gesagt haben: „Bis heute habe ich dir gedient, Herr, jetzt will ich meinem Gott dienen und den Schwachen. Ich will nicht mehr länger kämpfen und töten. Hiermit gebe ich dir mein Schwert zurück. Wenn du meinst, ich sei ein Feigling, so will ich morgen ohne Waffen auf den Feind zugehen.“ Wenn später aus dem Martin der Patron der Soldaten und Waffenschmiede gemacht wurde, so stimmt dies mit dem Leben des Bischofs von Tours in keinster Weise überein. Wer immer nun auf monarchistischem Weg unseren Diözesen als Bischof vorgesetzt wird, es ist zu hoffen, dass er diesem pazifistischen Wesenszug des Christentums gerecht wird.
Option für die Armen

Ein dritter Wesenszug des beliebten Martin ist integral mit den zuvor genannten verknüpft. Er entscheidet sich für Jesus Christus und den gewaltfreien Weg aufgrund seiner Begegnung mit den Armen. Bei ihm findet eine Friedensdividende statt. Sein Schwert dient nicht mehr zum Kämpfen, sondern zum Teilen von Besitz. Seine Rüstung – der Mantel – wird aufgelöst, um die Armen damit zu kleiden. Er spricht kein sanftes Bettelverbot aus, sondern steigt vom Ross, um auf Augenhöhe mit dem Bettler zu sein. Wer den Mantel teilt, macht sich freilich verletzlich. Auch Martin, so die Legenden, musste zunächst mit dem Spott der Umstehenden rechnen, weil er mit einem halben Mantel sehr hässlich ausgesehen habe.

Entrüstet euch für die Armen dieser Welt und steigt von euren Thronen – so die Botschaft des Geburtstagskindes Martin. Mit Blick auf die Bilder des Heiligen Martin fällt mir ein Bild ein, das gerade ein Schüler auf Facebook gepostet hat. Es zeigt Jugendliche mit einem Pappschild auf dem steht: „Armut bekämpfen, nicht die Armen!“ Sie sitzen dort, vor den Lauben der Innsbrucker Altstadt, wo heute die Obdachlosen weggedrängt werden. Martin lebt.

Dr. Klaus Heidegger,
Vorsitzender der Katholischen Aktion der Diözese Innsbruck, 11. Dezember 2016
www.klaus-heidegger@aon.at

Kommentare

  1. Sehr geehrter Hr. Dr. Heidegger
    Ihr Beitrag in der TT Samstagausgabe, treffender hätten Sie es nicht formulieren können.
    Da gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen.
    Ich bin praktizierender Katholik, komme aus Ehenbichl bei Reutte und gehöre somit zur Pfarre Breitenwang. Die Priester Situation gerade im Talkessel von Reutte, ist seit dem Abgang der Franziskaner aus dem Kloster Reutte, sehr schwierig geworden. Wir hoffen nur dass unser Hr. Dekan Franz Neuner mit seinem Team gesund bleibt um seine Pfarrlichen Aufgaben weiterhin so hervorragend zu meistern.
    Zu allem kündigt jetzt der Hr. Jakob Bürgler auch noch an, dass es schon noch bis Anfang 2017 dauern werde bis man sozusagen die Katze aus dem Sack lässt, sprich einen neuen Bischof dem Kirchenvolk präsentiert. Glauben denn all diese Oberhirten in Rom sie können mit Ihren Schäfchen dieses Kasperltheater bis zum St. Nimmerleinstag weiterspielen. Wenn ich heute Vormittag zum Gottesdienst gehe, was fällt mir an den Mitgläubigen auf, dass mindestens 90%, zwischen Mitte fünfzig und neunzig Jahre alt sind. Hier müssten doch bei den Kirchen Oberen die Alarmglocken in den höchsten Tönen erschallen.
    Ich bin kein Zeitgenosse der bei jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit schreibt und seine Meinung kundtut, aber Ihr Schreiben Hr. Dr. Heidegger hat mich wirklich dazu inspiriert.
    Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und eine friedvolle, besinnliche Adventszeit.
    Mit besten Grüßen
    Oskar Ginther

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