Morgenmeditation am Zunterkopf

am Himmel stört kein Kondensstreifen
die Erde kann atmen

kein Regentropfen ist in Sicht
der ausgetrocknete Boden dürstet nach Wasser

der Körper fliegt die steilen Flanken hinauf
die Seele wiegt schwer

der Grat ist schmal zwischen Himmel und Erde
ein Engel balanciert mit mir

Reste vom Schnee des vergangen Winters schmelzen dahin
Krokusse wachsen im tauwassergetränkten Boden

Gämsen fühlen sich vom Bergsteiger kaum gestört
Abstand halten ist so einfach hier oben

über den Gipfel bläst frischer Wind
ein Habicht lässt sich von ihm treiben

die Folien der Gemüsefelder glänzen im Licht der Morgensonne
die Radieschen warten auf Arbeiter aus dem Osten

Menschen erwachen in den Tag
sie haben die Kraft zu lieben

vieltausendmal unten im Tal
ist Gott zuhaus

in Menschen, die lieben
in Menschen, die trösten

in Menschen, die sich sorgen
in Menschen, die träumen

in Menschen, die arbeiten
in Menschen, die Arbeit suchen

in Menschen, die Frieden stiften
in Menschen, die Gerechtigkeit schaffen

in betenden Menschen
in singenden Menschen

unter ihnen will ich sein
einer von ihnen

klaus.heidegger 16.4.2020