Letzte Generation: Weder Sekte noch Terror, sondern notwendender Widerstand

Reinhold Messner habe ich ein Leben lang als Bergsteiger geschätzt. Als Jugendlicher las ich seine Bücher und verfolgte seine abenteuerlichen Expeditionen. Warum nur, so denke ich mir aber heute, hat sich die Bergsteigerlegende zuletzt so im Ton vergriffen, als er Anfang April eingeladen wurde, zu den Klebeaktionen Stellung zu nehmen. „Die Klima-Kleber sind für mich eine Sekte!“, wird er im auflagenstärksten Boulevard-Blatt Deutschlands sensationsgeil zitiert. Es gebe eine „unerträgliche Klimahysterie“. Und in österreichischen Medien wird Messner mit der Aussage zitiert, dass die Letzte Generation einfach nur „Terror mache“. Jemand, der die Berge wohl besser kennt als jeder andere, der selbst mit Blick auf den schmelzenden Gletscher am Ortler lebt und Zeuge ist, wie eben dort der Permafrost auftaut, der täglich sieht, wenn er in den Vinschgau hinunter blickt, wo seine Burgen stehen, wie dort die Apfelbaumplantagen unter Trockenheit leiden, warum spielt so jemand den Klimawandel letztlich herunter und distanziert sich von der Letzten Generation und den Scientists for Future, die die Klebeaktionen hier in Innsbruck solidarisch begleiteten? Wieder bin ich an einem Frühlingstag bei der Klebeaktion dabei, dankbar für die jungen Menschen, die den Morgenverkehr auf der Haller-Straße in beide Fahrtrichtungen blockieren. Es ist keine Sekte und sie machen es nicht aus Spaß. Die Vernunft ist wohl auf ihrer Seite – nicht aber auf der Seite von ein paar wenigen wutentbrannten Autofahrenden, die ihren Zorn mit wüsten Beschimpfungen herauslassen: „Geht doch arbeiten, ihr …!“ gehört noch zu den harmlosen Artikulationen. „Man soll sie überfahren, brüllt jemand aus dem Auto …“ Plötzlich scheint es, als müssten alle, die im Auto sitzen, zu einem Arzttermin oder ihre kranke Oma von irgendwo abholen. Gewaltfreiheit ist auch heute die Grundmelodie der symbolträchtigen Aktion des zivilen Ungehorsams. Ein Linienbus wird durchgelassen. Einsatzfahrzeuge könnten jederzeit durchfahren. Auf die Beschimpfungen und Aggressionen von Autofahrenden wird nicht eingegangen. Sie gehen ins Leere. Und wieder ist das Verhalten der Polizei so vorbildlich deeskalierend. Eine Radfahrerin fährt vorbei und sagt mit Blick auf die Menschen, die sitzend die Straße blockieren: „Danke, dass ihr das macht!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.