
Von „extra omnes“ zu „habemus papam“
Ein Friedenspapst wurde erkoren im lichten Kreis der Kardinäle, in von der Welt verborgenem alten Ritual, in Mysterienkulten ähnlichen Abläufen, in der größten Show, die es in diesem Jahr 2025 gegeben hat. Es ist gut, dass ein erfahrener Mann vertraut mit drei Kontinenten aus diesem Konklave entstiegen ist. Es ist ermutigend, dass seine ersten Segensworte wie ein Mahnruf in einer kriegerischen und kriegsvorbereitenden Welt sind: Es braucht, so der von einem Francis – sein paradigmatisch zweiter Vorname – zu einem Leo umbenannte Mann – einen „Frieden ohne Waffen, einen „entwaffnenden Frieden“. Das sind Worte gegen all die Aufrüstungspläne in den europäischen Ländern. Das gilt wohl auch für die Republik Österreich, in der eine Verdoppelung des Verteidigungsetats trotz Budgetsparprogramm droht. Im Jubel über einen Friedenspapst soll nicht vergessen sein, dass die Wahl von Prevost mit einem „extra omnes“ begann, das symbolisch auch den Ausschluss von Frauen aus dem Wahlprozess symbolisiert. Nach den ganzen römisch-katholischen Inszenierungen ist nun zu hoffen, dass der weiße Rauch nicht länger den Blick auf die Aufgaben vernebelt, die eine weltzugewandte Kirche heute benötigt. Die wirklich „Kammer der Tränen“ liegt dort, wo Menschen unter Krieg, Verfolgung und klimabedingten Katastrophen leiden. Eine echte Synodalität müsste zu einer Änderung in manchen Strukturen und Lehrmeinungen der römisch-katholischen Kirche führen. Möge es Leo XIV. zulassen, dass die römisch-katholische Kirche in einer Zeit ankommt, die eine Genderungerechtigkeit und Diskriminierungen aufgrund einer geschlechtlichen Orientierung nicht länger akzeptiert.
Leos Losung: Frieden ohne Waffen und entwaffnender Frieden
Was die von Kriegen und Kriegsvorbereitungen gebeutelte Welt braucht, ist ein Friedenspapst, der klare Worte des Friedens spricht. Die ersten Worte von Papst Leo XIV. auf der Loggia geben Hoffnung: „Friede sei mit euch, ein Friede ohne Waffen, ein entwaffnender Friede!“ Wenn das Pontifikat mit solchen Worten beginnt, dann ist dies die bestmögliche Ansage. Eine politische Ansage exakt 80 Jahre nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, in einer Gegenwart der Hochrüstung und kriegerischer Auseinandersetzungen. „Friede ohne Waffen“, das klingt wie bei einer Rede auf einer Friedensdemonstration. „Friede ohne Waffen“ stand auf einem der Buttons, die damals – als die Friedensbewegung noch groß war – auch auf meiner Brust als Bekenntnis mitgetragen wurde. Die Nachricht des „Habemus Papam“ unterbricht die permanenten Kriegsmeldungen, vom Krieg der Atommächte Indien und Pakistan, vom Aggressionskrieg Russlands gegenüber der Ukraine und einem nutzlos-verzweifelten Verteidigungskrieg und immer neuen Waffenlieferungen, die den Krieg in die Länge ziehen, von den Aufrüstungen allerorten. Die Worte des neuen Papstes fallen in einer Zeit, in der in Moskau von einem autokratischen Herrscher militärische Stärke in einer imperial-gigantischen Form zur Schau gestellt wird, in der in Deutschland die neue Bundesregierung das größte Aufrüstungsprogramm trotz Sparplänen durchsetzen wird.
Der zweite Vorname von Kardinal Prevost lautet Francis. Das könnte auch einer der vielen Hinweise sein, dass er nunmehr als Leo XIV. den politischen Kurs von Papst Franziskus weiterfahren wird. Als ehemaliger Bischof von Chiclayo kennt er die Situation in den Ländern des Südens und wird daraus wie sein Vorgänger die Menschen in den Ländern des Südens im Blick behalten. Es heißt, dass er in Peru so beliebt war, dass die Armen und Ausgegrenzten während seines dreißigjährigen Episkopats eine Woche lang seinen Geburtstag feierten. „Wir wollen eine synodale Kirche sein und immer an der Seite der Leidenden stehen“, war sein Statement zu Beginn des Pontifikats. Als Amerikaner verkörpert Leo XIV. zugleich das ganz andere Amerika, das im Widerspruch steht zu einer autokratisch-faschistischen Politik von Trump&Co und es verwundert daher nicht, dass die ersten Querschüsse gegen die Person von Leo XIV. nun aus diesem aggressiven Lager kommen. Der Name Leo erinnert an Papst Leo XIII., der mit seiner Enzyklika aus dem Jahr 1891 als Begründer der Katholischen Soziallehre gilt. Ein halbes Jahrhundert nach dem Kommunistischen Manifest erkannte der Leo XIII. die Notwendigkeit, dass sich die katholische Kirche der sozialen Frage öffnen müsste und einen Dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus finden müsste. Papst Leo betätigte sich zugleich als Diplomat zwischen den verfeindeten Nationen.
Es bleibt der Ruf nach Gendergerechtigkeit
Ich war nicht der einzige, der trotz großer Sympathie für Papst Franziskus den Begräbnisfeierlichkeiten in den Medien nicht zusehen konnte. Dieser Aufmarsch an Männern in antiken römischen Kleidern war eine unzeitgemäße patriarchale Manifestation in einer österlichen Zeit und der Erinnerung an Maria Magdalena als Apostelin und erste Zeugin der Auferstehung. So sehr ich hoffe und darauf vertraue, dass Leo XIV. die sozial-politischen Optionen seinen Vorgängers weiterträgt, so sehr möge er in der Frage der Stellung der Frauen in den Strukturen der Kirche einen anderen Weg gehen. Damit meine ich nicht eine Fortschreibung und Verfestigung des Klerikalismus, sondern ein Weg, das Amt in den Kirchen neu zu definieren, das keine sexistische Ungleichbehandlung mehr kennt zwischen Frauen und Männern.
Erneuerung von unten
Ob aber eine Erneuerung der Kirche gelingt, ob die radikale Botschaft der Gewaltfreiheit und Option für die Armen und Verarmten gelebt wird, hängt letztlich nicht von einem Papst in Rom ab, sondern von all den Menschen, die in und für die Kirche arbeiten. Die Gleichberechtigung der Geschlechter kann heute in den Gemeinden gelebt werden, wo Frauen in der Seelsorge mit den Priestern gemeinsam am Altar stehen; die überholten homophoben Lehrsätze im Katechismus der katholischen Kirche sind obsolet geworden in Pfarrgemeinden, in denen homosexuelle Trauungen stattfinden; das Verbot eines Kommunionempfangs für Wiederverheiratete oder für evangelische Christen wird längst nicht mehr befolgt – und vor allem wird die Sorge für die Armen in der Gemeinde in den Mittelpunkt eines pastoralen Lebens gestellt. Vielleicht entdecken auch die Bischöfe den Mut, der ihnen bereits von Papst Franziskus zugesprochen wurde, um über so manche strukturelle Hürde und Denkblockade zu hüpfen.
Klaus Heidegger
Etwas, das der neue Papst besser machen muss als Franziskus ist eine klare Ablehnung der Körperstrafe in der Kindererziehung – denn das hat Franziskus verharmlost („Klaps auf den Po nicht schädlich, wenn man die Würde des Kindes nicht verletzt“). Denn eine weit verbreitete Gewalt in der Kindheit hat auch eine negative Auswirkung auf die Friedlichkeit ganzer Länder (Franz Jedlicka) und auch in der Kindheit aller Kriegstreiber und Despoten findet sich Gewalt (Biographieforscher Sven Fuchs).
Oliver