
Dienstag, 15. Juli 2025. Der Hüttenwirt und sein Team verwöhnen die Mischung aus Wanderern und Mountainbikern mit einem guten Frühstücksbuffet, das Kraft gibt für einen langen und kalorienintensiven Tag. Davor lasse ich mich noch vor der Hütte von dem Augenblick des neuen Tages verwöhnen. Zwischen den Wolken lugt teils die Sonne hervor und verzaubert die grünen Berghänge. Der Fimbabach fließt sanft durch das Val Fenga. Die rotweiße Kreuzflagge der Schweiz flattert auf dem kleinen Hügel oberhalb der Hütte. Murmeltiere haben dort ihr Zuhause. Der Regen hat aufgehört. Noch ist aber der Steig hinauf zum Fimberpass (2608 m) regennass. Das ist ohnehin eine reine Schiebestrecke. Der Fimberpass stellt eine historische Verbindung zwischen dem Paznauntal und dem Engadin her. Hinter dem Pass beginnt die eindrucksvolle Bergwelt des Val Chöglias. Steil sind die Hänge zu beiden Seiten. Für mich ist mit meinem Hardtail und meinem Fahrkönnen der Single Trail bis weit hinunter aber nicht befahrbar und eine Schiebestrecke. An manchen Stellen führt der schmale Trail hoch über den Moränen – da wäre ein Sturz fatal. Einmal sind just auf dem Steig an einem steilen Hang Mutterkühe mit ihren Kälbern. Je tiefer es nach Ramosch ins Engadin hinab geht, desto öfter lässt sich der Single Trail auch für mich befahren. Einmal rede ich mit einem Hirten, der nach seinen Tieren sieht, ein andermal saust eine Gruppe von Enduro-Fahrern an mir vorbei. Die Bergwiesen werden intensiver an Blütenpracht. Mehrmals werden Bäche von Brücken überspannt. Vorbei an einem alten Gasthaus, etwas hinauf und dann hinaus durch das Val Sinestra und hinunter ins Untere Engadin nach Ramosch. Ein Stück des Weges führt dann am Innradweg nach Sur-En. Erst dort machen wir die erste Pause. Es beginnt dann der teils steile Aufstieg durch das Uinatal mit der spektakulären Uinaschlucht. Bei den beiden letzten Kurven hinauf zum Einstieg der Schlucht bin ich dankbar für die Unterstützung. Die Radlschuhe auf dem felsigen Untergrund geben nicht so viel Halt und das Rad zu tragen oder schieben macht zusätzlich unsicher. Wir sind aber beide ein inzwischen eingespieltes Team, das miteinander die Höhen und Tiefen in jeder Hinsicht meistern kann. Der bekannte 600-Meter lange Pfad hoch über der imposanten Schlucht ist in die Felswand geschlagen. Die Seilsicherungen zu beiden Seiten geben Sicherheit. Am Ende des spektakulären Abschnitts ist der Schlinigpass und die Landschaft ist nun ganz verändert: eine sanfte Hochebene, weiches Almgras, kleine Moorseen und mit Wiesen voller Wollgras. Der unmittelbare Wechsel von einer wilden Felsschlucht zu einer sanften Hochebene, die hinüber zur Sesvennahütte führt, schmeichelt den körperlichen Sinnen und der Seele. Kurz vor der Sesvennahütte, die gerade wegen aufwändigen Renovierungsarbeiten gesperrt ist, steht die alte Pforzheimerhütte vor einem See. Danach ist noch einmal ein Steilabbruch vor einem großartigen Wasserfall bevor es hinunter nach Schlinig und Schlins in den Vinschgau geht. Die Übernachtung haben wir in Burgeis reserviert. Als wir dort abends ankommen, beginnt es leicht zu regnen. Die statistischen Daten (fast 3000 hm im Abstieg, 1880 hm im Aufstieg, 50 Kilometer) geben nur wenig Auskunft über die körperlichen Anstrengungen – schließlich waren es heute viele Schiebestrecken – und noch weniger geben sie Auskunft über das Erleben einer großartigen und meist einsamen Gebirgslandschaft, über die Freude an der Bewegung und unbeschreiblicher Natur, die noch größer wird, weil es eine geteilte Freude ist.