Lamsenspitze – einer meiner Lieblingsberge in klimatisch und geopolitisch aufgeheizten Zeiten

Es gibt viele Gründe, warum ich mir manchmal sogar mehr als einmal im Jahr die Lamsenspitze als Ziel nehme. Zunächst ist es die kurze Anfahrt mit dem Zug, der halbstündlich ins Unterland fährt. Die Tour lässt sich dann mit Mountainbike gleich vom Bahnhof in Schwaz fortsetzen, geht über Fiecht einen Asphaltweg Richtung St. Georgenberg, dann einen teils grobschottrigen und steilen Forstweg vorbei am Bärendbad-Parkplatz bis hinter die Stallenalm. Von dort ist es gemütlicher, auf den Wanderweg zu wechseln und das Rad stehen zu lassen.  Von weitem sieht man bald die Lamsenjochhütte (1953 m) und darüber ragt die formschöne Ostwand der Lamsenjochspitze in den Himmel. Es sind von der Hütte nur mehr wenige Höhenmeter bis zum Einstieg in den Brudertunnel-Klettersteig. Dahinter öffnet sich eine neue Bergwelt, öffnen sich die Blicke hinunter ins Inntal und Vomper Loch, hinüber zur Walder Alm und die Bettelwurfkette. Es geht durch das weite Lamskar entlang des Gerölls, bevor der nächste Klettersteig hinauf zum Gipfel auf 2509 Meter führt. Die Rundumaussicht ist vom Gipfel großartig. Der Normalabstieg über die Lamsenscharte zur Lamsenjochhütte bietet nach dem versicherten Steig noch ein langes Geröllfeldspringen. Eine Einkehr in der Hütte ist stärkend, um dann zu Fuß und mit Rad die 1500 Höhenmeter hinunter ins Tal zu „fliegen“.

Die Wiederholung einer bekannten Route schenkt stets auch Räume für neue Erfahrungen und Eindrücke: mit Menschen, die mir Begleitung im Leben sind; mit Wetterbedingungen und hineingemischt auch mit den stets eigenen Befindlichkeiten. Das Wetter ist diesmal jedenfalls besonders. Innsbruck hatte eine Tropennacht. Im Inntal wird das Thermometer auf 35 Grad plus steigen. Da tut es gut, frühmorgens noch durch die nicht mehr ganz kühlenden Wälder zu fahren. Vielleicht ist es die Hitze des Tages, die es mit sich bringt, dass außer einer Spinne beim Einstieg und uns niemand im Brudertunnel-Klettersteig unterwegs ist. Selbst die Steinböcke haben sich heute verzogen. Auch danach beim eigentlichen Gipfelaufstieg sind nur wenige Menschen im Auf- oder Abstieg. Das minimiert die Steinschlaggefahr. Alle Anstiege – ob mit Bike, wandernd oder kletternd – kommen mir heute trotz der Gesamt-2000 Höhenmeter-Differenz ohne Anstrengung vor. Angesichts der Hitze sind wir gedrosselt unterwegs. Die Tour ist mit T4 bewertet bzw. im Klettersteig meist mit B. Wo Fels ist, fühle ich mich sicher, wo ein schmales Steiglein mit Geröll bedeckt ist, taste ich mich vorsichtig entlang. Warum der Forst/Almweg bis zur Stallenalm inzwischen auch das Fahren mit Rädern verbietet, ist eine unverständliche Schikane, der wir uns nicht beugen.

Zurück im Tal holen mich die Nachrichten ein: Von Rekordtemperaturen in den südlichen Ländern Europas und den Waldbränden, von den Autokraten, die die Welt als Schachspiel für ihre Machtinteressen behandeln und Abertausende wie ein Bauernopfer sehen, damit ein König weiterhin König sein kann. Zuletzt surrten wir mit den Mountainbikes kurz vor dem Bahnhof in Schwaz noch unter der tosenden Autobahn durch. Die kritische Masse, die gegen den fossilen Wahnsinn aufsteht, ist noch nicht da. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass es so nicht weitergehen kann, nicht mit der Ausbeutung der Ressourcen und nicht mit militärischer Gewalt – das ist weder in den Hirnen und Herzen der Masse, noch bei denen, die an den politischen Schalthebeln der Macht sitzen. Die Masse hockt mit dem Fuß auf dem Gaspedal in den klimatisch gekühlten Verbrennern; die Masse ergötzt sich an den MotorGP-Veranstaltungen in Spielfeld; die Masse fährt den Globus ungebremst in die Klimahölle und ist den Politikern hörig, die die Klimaziele zurückschrauben und gleichzeitig die militärischen Ausgaben in astronomische Höhen treiben. Meine Enttäuschung selbst über die grüne Parteispitze, die sich in populistischer Weise in einer oberflächlichen TV-Sommerplauderei kaum mehr abgrenzt vom Kurs der Mächtigen, habe ich heute als seelische Last mit auf die Lamsenspitze geschleppt.

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