Von Franz von Assisi die Kraft der Gewaltfreiheit lernen

Der Heilige aus Assisi als Modell für gewaltfreie Methoden und Wegweiser für die katholische Kirche

In meinem Beruf als Religionslehrer, als Referent bei Seminaren über Gewaltfreiheit oder Zivilcourage: Franz von Assisi war stets mein Inspirator und leuchtendes Vorbild. Auch in einer Fortbildung für die Pädagogische Hochschule Burgenland nützten wir die Historie und Legenden über den Povorello, um uns in einer zutiefst kriegerischen globalen Wirklichkeit von der Wirksamkeit der gewaltfreien Strategien ermutigen zu lassen.

Dass sich der verstorbene Papst Franziskus in seiner Amtszeit für die Beendigung der Kriege und gegen den Rüstungswahn, für die Abschaffung aller Atomwaffen und für Friedensverhandlungen eingesetzt hatte, zeigt sich auch darin, dass er durch seinen päpstlichen Namen der gewaltfreien Spur seines Namensgebers folgen wollte. Mit Blick auf die Lage im Mittleren Osten tut es gut, sich ein historisch bedeutsames Ereignis in Erinnerung zu rufen. 2014 lud Papst Franziskus den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Simon Peres und den Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas zu einem interreligiösen Friedensgebet in die Vatikanischen Gärten ein. Abbas, Peres und Franziskus gaben sich den Friedensgruß. Elf Jahre später bezeichnete ein anderer israelischer Premierminister in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung den Palästinenserpräsidenten als Terroristen und verweigert jede Verhandlung mit ihm. Dabei hatte Abbas bei seiner Rede vor den Vereinten Nationen – zugeschaltet über Video, weil ihm die USA die Einreise verweigert hatte – klar das Existenzrecht Israels bekräftigt und Schritte für eine Zweistaatenlösung vorgelegt, sich damit auch deutlich und zum wiederholten Male von den Hamas-Forderungen abgesetzt.

Die Begegnung zwischen Franz von Assisi und Sultan al-Malik al-Kamil

Auch Franz von Assisi lebte in kriegerischen Zeiten. Für sich selbst sagte er sich jeder Gewalt los und wollte aber mehr als nur für sich für Gewaltfreiheit eintreten. So soll während des Fünften Kreuzzugs im Jahr 1219 nach Ägypten gefahren sein. Er wollte den islamischen Herrscher treffen, um mit ihm über den Frieden und das Evangelium reden. Diese Begegnung enthält die wesentlichen Aspekte einer gewaltfreien Intervention.

Erstens hat sich Franz vom vorherrschenden Paradigma der Gewalt gelöst. Die selbst vom Papst legitimierten Kreuzzugsgedanken waren für den Pazifisten Franz ein Gräuel. Sein Vorbild war der Gewaltverzicht Jesu und nicht irgendeine Lehre vom Gerechten Krieg. Heute würden wir sagen: Er wollte nicht Aufrüstung, sondern Abrüstung, nicht Erhöhung der Militärbudgets, sondern Friedensdividenden.

Daher wollte er zweitens dem als Feind titulierten Gegner ohne Mittel der Gewalt begegnen. Er wollte keine Abgrenzung, sondern Zuwendung. Er wählte den Weg des Dialogs und der Argumentation. In einem der alten Bilder von dieser Begegnung werden Franz und der Sultan dargestellt, wie sie einander anblickend und zugleich mit allen vier Händen gestikulierend argumentieren. Es zählte die Kraft der Worte und nicht der Waffen. Dabei ging es Franz erklärtermaßen nicht um die Bekehrung des Sultans. Thomas von Celano schrieb in der Vita, dass der Sultan beeindruckt über das Gespräch mit Franziskus gewesen sei, zugleich seien sich beide ihrer Position treu geblieben.

Franz und der Wolf von Gubbio

Die bekannteste Legende ist jene vom Franz und dem Wolf von Gubbio und sie liest sich wie eine Mustergeschichte für gewaltfreie Konflikttransformation. Was geschieht darin? (1) Als Franz von dem Schrecken und der Angst erfährt, die die Bevölkerung durch die Anwesenheit des grimmigen Wolfes haben, empfindet er Mitleid. Was in Gubbio geschieht, lässt den Heiligen nicht kalt. Der Wolf soll sehr gefährlich sein, weswegen alle eine Waffe bei sich getragen haben und sich niemand mehr vor die Stadtmauern traute. (2) Franz hört den Ruf der Menschen. Er hat ein Ohr für das Leiden. (3) Es bleibt aber nicht bei der Sympathie und beim bloßen Wahrnehmen. Dieses wird zur Aktion, zur Handlung. (4) Eine solche braucht aber Vorbereitung, das Entwickeln einer Strategie und einer Taktik. Dazu zählt es auch, sich genau kundig zu machen, wo das Problem liegt, wie die Umstände sind. (5) Um handeln zu können, lebt Franz aus einer inneren Stärke und dem Wissen, dass er sich einer größeren Macht anvertrauen kann. Gläubige nennen es Gottesvertrauen. (6) Deswegen kann Franz dem Bösen nun auch ohne Waffen begegnen. Er hat nicht vor, sich mit Waffen vor dem Wolf zu schützen. Der Wolf soll nicht aus einem Hinterhalt erlegt werden. (7) Furchtlos heißt es, dass er ihm entgegen geht. (8) Dabei aber ist er nicht allein. Einer seiner Gefährten begleitet ihn. Die Begegnung mit dem Wolf geschieht als Teamarbeit. (9) So nun machen sie sich mit klarem Plan, guter Strategie, im Gottvertrauen, ohne Waffen auf zum Wolf. Sie suchen den Dialog und das Gespräch mit ihm. (10) In dieser Begegnung geschieht eine Wandlung. Franz zähmt den Wolf. (11) Nun ist auch eine andere Bewegung im Spiel. (12) Er ruft den Wolf zu sich und nennt ihn (13) einen „Bruder“. Diese Namensgebung ist ein schönes Zeichen einer Feindesliebe. (14) Und so können nun Wolf und Franz miteinander reden. (15) Dabei nennt Franz aber das Problem bzw. das Unrecht klar beim Namen, ohne aber den Wolf anzuklagen, ohne ihm Vorwürfe zu machen oder ihn zu demütigen. (16) Franz will nicht den Sieg über den Wolf oder seine Unterwerfung. (17) Franz bringt hingegen Verständnis auf. Er erkennt, dass der Wolf Hunger hat, weil sein Lebensbereich eingeschränkt worden ist. (18) Beide nun schließen einen Vertrag und verpflichten sich dabei, füreinander zu sorgen. (19) Die Bevölkerung wird für das Wohlbefinden des Wolfes sorgen und der Wolf wird niemanden mehr bedrohen. Versöhnung und nicht die Vernichtung des Feindes stehen am Ende der Geschichte.

Klaus Heidegger, 4. Oktober 2025, dem Festtag des Heiligen Franz von Assisi

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