
der Sehnsucht Raum geben
dem Herzen folgen mit Leidenschaft
eigenes Sehnen nicht verdrängen
göttliche Stimme vernehmen
in den Rufen nach Hilfe und Befreiung
mitten im Alltag
sich auf die Suche machen
die Frage wagen
„wo wohnst du?“
die Einladung annehmen
„kommt, und seht!“
mitten im Leben
den Mut haben
aus der Routine auszubrechen
aus dem Boot zu steigen
andere Netze zu knüpfen
sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen
hinein in den Alltag
den ersten Schritt gehen
andere begeistern
sich dem Rangstreit entziehen
auf das Wesentliche blicken
fünf Brote und zwei Fische entdecken
durchs Teilen satt werden im Alltag
klaus heidegger,
zum Apostelfest Andreas, 30. November 2024
(Gedanken zu den Berufungsgeschichten des Apostel Andreas in den Evangelien.
Der Apostel Andreas ist in allen vier Evangelien eine zentrale Gestalt, ohne dass er sich wie die Apostelfürsten Simon oder Jakobus in den Vordergrund drängen würde. Die Erzählungen sind wie Geschichten aus dem Leben im Heute – archetypische Geschichten des Lebens. In den Evangelien stehen sie ganz am Beginn. Allen gemeinsam ist die Vorgeschichte mit Johannes dem Täufer, seinem politischen Widerstand, seiner Verhaftung und Hinrichtung. Der große Gegenspieler der politisch Mächtigen mit seiner befreienden Botschaft wird hingerichtet. Jesus tritt in seine Stapfen. Aus der Johannesbewegung wird die politische Jesusbewegung. Im Johannesevangelium (Joh 1,35-42) heißt es, dass Andreas gemeinsam mit einem anderen Jünger zuerst Johannes gefolgt sind und dann von ihm auf Jesus aufmerksam gemacht wurden, worauf sie Jesus folgen. Andreas ist derjenige, der dann von Jesus mit der Frage konfrontiert wird: „Was sucht ihr?“ Es ist die erste und wohl so entscheidende Frage. Andreas ist auf der Suche nach dem wahren Leben, auf der Suche nach Auswegen aus der politischen Krise, auf der Suche nach Befreiung. Die Antwort von Andreas an Jesus lautet dann: „Wo wohnst du?“ Es sind seine ersten Worte, die er zu Jesus spricht. Konkreter könnte er gar nicht fragen. Dies ist die Frage nach dem eigenen Lebensstil, in dem das messianische Reich schon anbrechen kann. Andreas fragt zunächst nicht nach einer Theorie, sondern nach der Praxis. Die Orthodoxie kann nicht von der Orthopraxie getrennt werden. Weil Andreas die Glaubwürdigkeit Jesu testen will, fragt er: „Wo wohnst du?“ Im Johannesevangelium heißt es dann, dass sie mit Jesus mitgingen, bei ihm blieben. Am nächsten Tag erzählt Andreas seinem Bruder Simon, dass er den Messias gefunden habe. Im Wort „finden“ steckt wieder der Beginn dieser Geschichte, nämlich ein Mann, der suchte, der nach einem Ausweg suchte. Die Berufungsgeschichte bei Matthäus (4,18-20) und Markus (1,16-18) erzählt davon, dass Andreas mit Simon gerade beim Fischen am See Genesareth waren. Sie waren mitten in ihrem Alltagsgeschäft, mitten in ihren Berufen. Sie hatten gerade ihre Netze in den See geworfen. Jesus ruft sie nur mit den Worten „Kommt, mir nach …“ und beide folgten „sofort“ und verließen ihr gewohntes Tun. Wie praktisch der Apostel Andreas dachte und handelte, wird in den Evangelien dann in den bedeutsamen Überlieferungen zur „Brotvermehrung“ sichtbar. Als das Volk Hunger hatte und sich die anderen Jünger schon dachten, man müsse die Menschen nun heimschicken, entdeckte Andreas: da gibt es ja noch jemanden, der etwas zum Teilen hatte. Im Wunder des Teilens wurden dann alle satt.
Ich merke, dass die Berufungsgeschichte des Apostel Andreas auch mit meinem Leben zu tun, mit der Betroffenheit angesichts der multiplen Krisen der Welt und der Suche nach Auswegen, in der Suche nach Menschen, die in dieser Situation Begleitung sind, in der Suche nach einem authentischen Lebensstil im Alltag, der in sich Antworten enthält.)