
heim-suchend
nicht alleine
das Glück teilen:
das Glück wird größer
die Seele beginnt zu singen
nicht alleine
das Schwere teilen:
das Schwere wird leichter
die Seele wird getröstet
nicht alleine
den Glauben teilen:
der Glaube wird fester
der Widerstand wächst
nicht alleine
die Liebe spüren:
die Liebe wird tiefer
der Himmel ist angekommen
nicht alleine
die Erniedrigten werden aufgerichtet
die Hochmütigen entdecken die Demut
die Hungrigen werden gesättigt
klaus.heidegger
Zum Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli und Lk 1,36-59
Das vergessene Fest
Ginge ich mit einem Fernsehkamerateam und Mikrofon durch die mit Menschen brodelnde Stadt und stellte ich die Frage „Welches Fest wird heute, am 2. Juli, gefeiert?“, so fände ich wohl niemanden, der mir eine Antwort geben könnte. Heute feiern wir das Fest Mariä Heimsuchung, würde ich den Ratlosen antworten. Meine Antwort nun würde nur wenig Aufklärung bringen – es sei denn, ich träfe zufällig ein Mitglied von Legio Maria oder einer tendenziell katholisch-fundamentalistischen Gemeinschaft. Mariä Empfängnis, Mariä Namen, Mariä Geburt, Hochfest der Gottesmutter Maria, Mariä Verkündigung und Mariä Himmelfahrt sind jedenfalls vertrauter und gerade noch verständlich. Aber Mariä Heimsuchung? Warum aber beschäftige ich mich als liberaler Linkskatholik, wie ich oft gesehen werde, mit diesem Festtag? Ich tue es, weil in diesem Fest jede Menge an revolutionärer und gewaltfreier Befreiungskraft steckt.
Eine gelungene künstlerische Annäherung an diesen geheimnisvollen Festtag sah ich vor kurzem in der Ausstellung im Dommuseum in Wien. Dort wurden zentrale biblische Freundschaftsmotive – wie eben die Begegnung von Maria und Elisabeth – mit aktuellen Kunstwerken zum Thema „in aller Freundschaft“ in Verbindung gebracht. So eine Kombination von biblischer Zeit mit dem Heute geschah auch in der Auseinandersetzung mit der Heimsuchungsgeschichte zwischen Maria und Elisabeth.
Das missverstandene Fest
Schon der Titel „Heimsuchung“ führt zunächst in die Irre. Reden wir von „heimsuchen“, so hat es meist eine negative Konnotation. Man wird von einem Schicksal „heimgesucht“, so wie das Gschnitztal zuletzt von katastrophalen Wetterextremen „heimgesucht“ worden ist. „Heimsuchen“ Gängige Synonyme für solches „heimsuchen“ sind belästigen, überfallen oder jemandem etwas Böses antun. All dies ist freilich nicht mit dem religiösen Begriff der „Heimsuchung“ gemeint. Im Gegenteil. Beim Fest Mariä Heimsuchung hat der Begriff eine zutiefst positive Bedeutung, die wohl mit seiner etymologischen Herkunft zu tun hat. Man ist auf der Suche nach einem Heim, einer Beheimatung. Genau dies geschieht in der Geschichte aus dem Lukasevangelium, die die Grundlage des besagten Festes ist.
Die Begegnung der zwei schwangeren Frauen
Maria macht sich als inzwischen hochschwangere Frau auf den Weg zu ihrer Verwandten Elisabeth. Auch sie ist schwanger. Der Weg ins judäische Bergland war sicher kein Spaziergang. Das Leben Marias war mehrfach bedroht. Eine Frau, die schwanger war, ohne schon geheiratet zu haben, konnte laut strengem Gesetz die Todesstrafe bekommen. Sozialhistorisch gesehen ist Passage aus dem Lukasevangelium also kein niedliches Sonntagsmärchen. Es geht um das, was heute ins Kapitel der Femizide fällt: Gewalt, die Frauen in patriarchalen Strukturen und Kulturen zu erleiden haben. Die Legende erzählt nun davon, dass bei der Begegnung der beiden Schwangeren das Kind im Schoß der Elisabeth „hüpfte“. Neues Leben und messianische Befreiung werden begreifbar. Johannes der Täufer und Jesus wachsen in den beiden Müttern heran. Maria bleibt dann drei Monate bei Elisabeth. Der feministische Aspekt ist jedenfalls offensichtlich. Zwei vom patriarchalen System Bedrängte erweisen Stärke in Solidarität und werden zu Trägerinnen der Befreiung.
Magnificat als messianisches Befreiungslied
In diesem Kontext legt das Lukasevangelium dann Maria den wohl bekanntesten Hymnus der Evangelien in den Mund: Das Magnificat. Maria beginnt zu singen und zu frohlocken, weil das Rettende begreifbar ist, weil das Erniedrigte und Versklavte aus dem Dreck und Staub gehoben wird, weil göttliches Erbarmen sich ausbreitet, weil Hochmütige ihre Macht verlieren und die Reichen zum Teilen beginnen.
heimgefunden
herausgefordert von ganz neuer Situation
bedroht von todbringenden Bedingungen
Gesetze helfen nicht weiter
Maria suchte ein „Heim“
Solidarität wird gelebt
gefunden hat sie ein „Heim“
liebevoll grüßt sie Elisabeth
zwei Frauen teilen Freude und Leid
Maria findet den Schutz
so findet Göttliches Heimat
Maria kann singen
das Lied von der Befreiung
weil gesuchte Heimat ist ihr geschenkt
weil gefundene Heimat ist in Begegnung
weil ersehnte Heimat wird wahr
klaus.heidegger,
Fest Mariä Heimsuchung
2. Juli 2025

