Nationalfeiertag 2025 und was mir die Feierlaune nimmt

Eigentlich möchte ich heute den siebzigsten Geburtstag des österreichischen Neutralitätsgesetzes feiern. Die Republik Österreich könnte sich über ihren völkerrechtlichen Status der immerwährenden Neutralität freuen, könnte sich bewusst machen, dass Sicherheit und Frieden in dieser Welt nicht von militärischer Stäke abhängen, sondern im Gegenteil von einer engagierten Neutralitäts- und Friedenspolitik. Im Kontext einer globalen Aufrüstung und manifester Kriege und drohender neuer Kriege könnte ein neutraler Kleinstaat Anwalt dafür sein, kriegerische Auseinandersetzungen mit dem breiten Instrumentarium gewaltfreier Konfliktlösung zu stoppen und Friedenswege auf der Ebene von Diplomatie und Vermittlung zu finden.

Tatsächlich aber hat sich das Bundesheer in diesem Jahr noch mehr als früher den Nationalfeiertag zu ihrem Festtag erobert. Geschickt wird die in der Bevölkerung weiterhin breite Zustimmung zur Neutralität genützt, um sie mit dem Junktim in Verbindung zu bringen, Neutralität und eine starke militärische Verteidigung würden sich wechselseitig bedingen. So finden am Nationalfeiertag in vielen Bundesländern und vor allem in Wien militärische Großereignisse statt. Der ORF überträgt stundenlang live vom Heldenplatz in Wien, wo die größte Leistungsschau stattfindet. Generäle können ihre militärischen Sichtweisen darlegen und selbst die ORF-Moderatoren loben die militärischen Entwicklungen in höchsten Tönen. Die Militärs können sich tatsächlich in Feierlaune fühlen. Es gibt nun bald eine Verdoppelung des Militärbudgets und es wird milliardenschwere Sonderfinanzierungen geben. Am Heldenplatz werden der Bevölkerung die militärischen Gerätschaften gezeigt, von denen es bald so viele mehr geben wird – von den Sturmgewehren über Radpanzer bis zu neuen Drohnensystemen, Kampfhubschraubern und neuen Abfangjägern. Kinder können am Heldenplatz die Waffen bestaunen, auf Panzer und in das Cockpit eines Kampfjets klettern. Der ORF-Reporter redet ungeschminkt von der „Kriegsfähigkeit“, die sich das heimische Heer nun aneignen wird. Mit oberflächlichen Behauptungen wird einmal mehr suggeriert, dass Verteidigungsfähigkeit einzig und alleine mit militärischer Stärke zu tun habe.

Eigentlich möchte ich feiern, dass Österreich die Möglichkeit hätte, eine Vermittlerrolle einzunehmen und sich nicht auf die militärischen Sackgassen einzulassen, an deren Ende nur Tod und Vernichtung lauern. Die Massenmedien wollen der Masse klarmachen, was zu einer österreichischen Identität zähle und worauf Österreich stolz sein könnte. Unter den ausgewählten Top 70 findet sich in der auflagenstärksten Sonntagszeitung kein Hinweis auf die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, keine Erwähnung davon, dass die Bundeshauptstadt zugleich die UNO und die OSZE beherbergt, kein Hinweis auf die beiden österreichischen Literaturnobelpreise – aber dafür wird seitenweise über Johann Strauß geschrieben. Die Erderhitzung mit den dramatischen Folgen wird nicht als Bedrohung wahrgenommen – und am Innsbrucker Flughafen wird am Tag der Offenen Tür der Bevölkerung stolz das erhöhte Flugverkehrsaufkommen präsentiert. War es gerade ein Kampfjet, der da über Innsbruck düste?  Eine Flugstunde mit dem Eurofighter kostet den Steuerzahler umgerechnet so viel wie der Jahreslohn einer Lehrperson. Von der „Dummheit, die zum Himmel schreit …“, dichtete einst Reinhard Feindrich eine Zeile in „I’m from Austria“. Mit Bertha von Suttner, mit den engagierten Menschen von Fridays for Future und Extinction Rebellion, mit den friedensbewegten Organisationen, mit all den Aufständischen und Widerständischen für ein gewaltfreies, ökologisches und solidarisches und deswegen auch neutrales Österreich will ich also doch etwas in Feierlaune kommen und mit brüchiger Stimme mit Fendrich singen „I’m from Austria“.

klaus.heidegger, 26.10.2025, zum 70. Geburtstag der Neutralität

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