
Wenn der deutsche Bundeskanzler Probleme mit dem „Stadtbild“ hat, wenn wenig später eine österreichische Ministerin bewusst auch diesen Merz-Sager aufnimmt, dann sprechen sie von Problemen, die nicht die meinen sind. Ob Merz oder Plakolm – angestachelt von AFD oder FPÖ – meinen ein Migrationsproblem zu sehen, wenn sie vom „Stadtbild“ sprechen.
Wenn ich in österreichischen Städten bin, egal ob in Wien oder Innsbruck, ob in Linz oder Graz – und in den kleinen Städten nur relativ weniger, dann habe ich stets ein anderes Problem mit dem Stadtbild. Trotz nun schon jahrzehntelanger öffentlicher Debatte über die Klimakrise und die Folgen der Lärm- und Luftverschmutzung durch Emissionen aus dem Verkehr gerade in den Ballungsgebieten tobt in vielen städtischen Straßen ein gnadenloser Verkehr. Die Städte ersticken weiterhin im automobilen Wahn. Es ist, als wäre man in den High-Tech-Autos abgeschirmt von Meldungen der Wissenschaft, die in den nächsten Jahren eine globale 3-Grad-Plus-Erwärmng prognostizieren mit all den sich gegenseitig hochschaukelnden katastrophalen Konsequenzen. Politische Vertretungen sind nicht willens, großflächig zumindest Tempo-30-Zonen zu errichten, die sich in anderen Großstädten Europas bereits bewährt haben. Radfahrende werden in Städteplanungen mit unzureichenden Radstreifen abgespeist. Auch im Stadtbild von Innsbruck sehe ich riesige Flächen für Parkplätze und Parkhäuser, die Autos entweder ins städtische Innere oder an die Ränder mit ihren Einkaufszentren locken.
Die Aktionen der Letzten Generation liegen nun schon wieder zwei Jahre zurück. Ihr störrischer Weckruf ist verstummt. Es rollen die Räder, angetrieben von Hunderttausenden Verbrennungsmotoren. Jeden letzten Freitag im Monat gibt es ein lebendiges fröhliches Zeichen für ein anderes Stadtbild. Dann rollen an die hundert Radfahrende abends durch die Straßen von Innsbruck und ihnen gehören zumindest für zwei Stunden auch jene Straßen, auf denen sonst nur Verkehr ist. Veranstalterin ist Critical Mass. Derzeit sind weltweit Critical-Mass-Gruppen in 450 Städten. Die Organisation versteht sich als selbst-organisiert. Man trifft sich scheinbar unauffällig und unorganisiert. Die Aktionsform baut auf der rechtlichen Grundlage auf, dass Fahrradfahrende ab einer Größe von 15 Teilnehmenden einen Fahrradverband bilden können und so auf öffentlichen Straßen fahren dürfen.
Klaus Heidegger, zum 31.10.2025