Innsbrucker Stadtbild im Wandel

Seit dem Merz’schen Sager vom Stadtbild lässt mich dieser Begriff nicht mehr los, wenn ich meine Kreise in Innsbruck drehe, meist gedankenversunken philosophierend und mit politisch-analysierendem Blick. Dann stolpere ich unwillkürlich über so vieles, das mich „Stadtbild“ erleben lässt, anders zwar, als es der Bundeskanzler aus dem Norden für die deutschen Städte meinte und hierzulande die heimische Integrationsministerin wohlfeil für ihre populistische Politik gebraucht. Dann habe ich auch meine Probleme mit manchen Aspekten im Stadtbild: mit Autofahrern (rein unkontrolliert testosterongesteuerte Männer), die bewusst ihre Motoren aufheulen lassen, um von einer Ampel zur nächsten hochmotorisiert zu lärmen und zu stinken oder Autofahrende, die am liebsten Radfahrende an eine Hauswand quetschen würden; oder mit besoffenen Fußballfans am Bahnhof, die so betrunken sind, dass sie die Bierflaschen nicht mehr halten können und damit Scherben vermischt mit Gerstensaft am Trottoir hinterlassen. Ein Stadtbild ist sicherlich nie etwas Statisches, sondern stets im Wandel sich befindend, ist nicht gräulich, sondern bunt, ist nicht eindeutig, sondern vieldeutig, und wer es reduziert auf das Problembehaftete, verkennt seine Vielfältigkeit, wer es beschränkt auf das Negative, übersieht das Positive und die Energie, die gerade in der Vielfältigkeit und im Wandelbaren liegt. So nachdenkend sitze ich auf der rosa Kunstbank am Herlinde-Pissarek-Hudelist-Platz und schaue auf die Gebäude der Katholischen Fakultät, der Jesuitenkirche, des Landesmuseums Ferdinandeum, des Akademischen Gymnasiums, des Treibhausturmes, des ehemaligen Franziskanerklosters und der Volksschule Innere Stadt. In diesem Kreis verdichtet sich Wissenschaft, Kultur und Bildung. Der nördliche Teil des Landesmuseums wird gerade abgerissen, um einem Neubau Platz zu machen. Selbst Museen sind im Wandel. Die Eingangsrotunde zum Museum ist derzeit nicht begehbar. Die Künstlerin AliPaloma hat die Maße und Formen jedoch genommen und in stilisierter Form umgestaltet und als begehbares und sitzbares Objekt in diesen Park gestellt. Eine Jury prämierte das Projekt mit dem Titel „Museums-Satellit“, weil es ihr Anliegen ist, dass das Museum die architektonischen Grenzen verlässt und einlädt zu einem offenen und lebendigen Austausch an Andersorten. Die zartrosa Farbe des Kunstwerks nimmt dem Eisenmaterial seine Kälte; die vier bogenartigen Schwünge sind wie die Einladung einer offenen Tür, einzutreten in den Kreis und Platz zu nehmen. Es sind offene Türen. Niemand wird gezwungen hineinzugehen, niemand wird eingesperrt. Nur die beiden Bäume im Inneren scheinen als Teil der Natur ihren Platz schon fix gefunden zu haben und symbolisieren gerade jetzt im Spätherbst mit den welkenden Blättern und den dahinter befindlichen Knospen die Notwendigkeit eines Wandels, der Leben bedeutet. Während ich auf der eisernen rosa Sitzfläche Platz genommen habe, haben sich gegenüber eine Frau mit schwarzer Hautfarbe und ihr Kind niedergesessen. Das Kunstwerk bekommt seinen Sinn und schafft eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Lebenswelten in der einen gemeinsamen Stadt. Letztlich geht es in unserem sozialen Miteinandersein nur vorrangig um ein „Stadtbild“, sondern um das dahinterliegende Weltbild, das entweder spaltet und trennt oder zusammenführt und eint.

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