Die katholische Kirche hat vielfältige Möglichkeiten, zu einer Reform des österreichischen Schulwesens beizutragen. Die katholischen Privatschulen haben ihren Fixplatz in der österreichischen Schullandschaft. Hier kann eine Schule der Zukunft gestaltet werden. Verantwortliche aus diesem Bereich können mit Rückbezug aus den Erfahrungen die bildungspolitische Diskussion auf den verschiedenen Ebenen mitbestimmen.
Die langandauernden Diskussionen um die NMS (Neue Mittelschule) und der Evaluationsbericht vom März 2015 über diesen Schultyp zeigen den Reformbedarf auf. Aus mehreren Erfahrungshintergründen bin ich für die Einführung einer Gemeinsamen Schule der 10 bis 14-Jährigen in Österreich.
Erstens bin ich selbst Lehrer an einem Oberstufenrealgymnasium. Wir haben an unserer Schule aufgrund von zwei Schwerpunktsetzungen zum Glück eine bunte Mischung von Schülern und Schülerinnen aus den NMS einerseits und aus den Unterstufen der Gymnasien andererseits. Der Sprung aus manchen NMS in ein Gymnasium ist für etliche nicht möglich oder nicht leicht. Die Bildungs-Selektion, die für 10-Jährige begonnen hat, wirkt fort. Als ORG gilt es aufgrund der Neuen Matura – insbesondere der Zentralmatura – jenen Level zu erreichen, der auch für die Langformen vorgesehen ist. Hier nun muss eine Mischklasse aus NMS- und Gymnasialschülern und –schülerinnen kräftig aufholen. Meist ist diese Herausforderung für die Schüler und Schülerinnen aus den NMS zu Beginn einer Oberstufe besonders groß. Eine Gemeinsame Schule würde jene Differenz nicht mit sich bringen. Die ORGs und BHS/BMHS-Schulen könnten ihren Schülern und Schülerinnen einen gleichen Start ermöglichen.
Zweitens bin ich Vater von drei Kindern und habe auch aus deren Erfahrungshintergründen die Schulzeit miterlebt. Schon in der Volksschule bedeutete es für etliche Mitschüler und Mitschülerinnen meiner Kinder einen enormen Stress, dass sie die Volksschulzeit mit ja keinem Zweier abschließen, wenn die Eltern und Schüler und Schülerinnen ins Gymnasium wollten. Diese Fakten sind bekannt. Sie bekräftigen vielfach eine Ungleichheit, die in unserem Gesellschaftssystem vorhanden sind. Bekannt ist vor allem das Faktum, dass es Kinder mit Migrationshintergrund oder aus ökonomisch nicht so gut gestelltem Hintergrund oftmals schwerer haben, in die Spuren einer „höheren“ Bildung zu kommen. Die Buntheit unserer Gesellschaft spiegelt sich nicht in den Unterstufen unserer Gymnasien ab. Es kann nicht sinnvoll sein, Kinder im Alter von zehn Jahren in Gymnasiasten und Mittelschüler einzuteilen.
Drittens denke ich als Religionslehrer aus dem Blickwinkel der katholischen Soziallehre und der Optionen, für die die Kirche eintritt. Gleichheit – nicht Gleichmacherei – ist einer jener Grundwerte, der aus der gleichen Würde aller Menschen entspringt. Bekannt ist die Tatsache, dass in Österreich Bildung auch von sozialer Herkunft abhängt.
Die Diskussionen über die NMS nach der Evaluation zeigten, dass dieser Schultyp deshalb nicht wirklich funktionieren konnte, weil gleichzeitig an der AHS-Unterstufe festgehalten wurde. Niki Glattauer, selbst NMS-Lehrer, meint dazu: „Als Beiwagerl zur AHS-Unterstufe kann eine Schule keine besseren Ergebnisse bringen, die man sich aber fälschlicherweise erwartet hat.“[1] Damit meint er, dass die NMS nicht nur jene Schüler und Schülerinnen bekommen sollte, die es in ein Gymnasium nicht schaffen. Eine wirkliche Lösung, so Glattauer, liege in einer Gemeinsamen Schule. Ähnlich sieht es auch die für Bildung in Tirol zuständige Landesrätin Beate Palfrader: „Problematisch ist, dass durch den Zug in die AHS-Unterstufe im urbanenen Bereich zunehmend die Spitze fehlt. Das ist schlecht, weil Schule am besten funkioniert, wenn die Durchmischung stimmt und schwächere und stärkere Kinder voneinander lernen.“[2] Ein Schritt in diese Richtung liegt nun, so das Bildungsministerium, die Schulautonomie zu stärken. Auch hier bieten sich für die katholischen Privatschulen positive Handlungschancen. Unter den vielen Möglichkeiten sind auch Schritte in Richtung Ganztagsschule denkbar.
[1] In: Kurier, 8.3.2015.
[2] In: Tiroler Tageszeitung, 30.5.2015.