„Was keiner geglaubt haben wird
was keiner gewusst haben konnte
was keiner geahnt haben durfte
das wird dann wieder das gewesen sein
was keiner gewollt haben wollte“
(Erich Fried)
Vorwort
Die erste Grundlage für dieses Manuskript wurde im September 2013 gelegt, als die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) bei den Nationalratswahlen große Zugewinne erreichen konnte. Bei den EU-Wahlen am 25. Mai 2014 haben die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien in vielen EU- Staaten, unter anderem in Österreich, zugelegt. Umfragen[1] einige Wochen und Monate danach zeigen, dass auch in Österreich das eintreten könnte, was in Frankreich und Großbritannien bei den EU-Wahlen geschah: Rechtspopulistische Parteien überholten die traditionellen Parteien. Diese Beobachtungsskizze über Ereignisse in den vergangenen Monaten ist daher eine Warnschrift geworden, weil die Entwicklung tatsächlich Angst machen sollte, eine Angst jedoch, die zum Handeln verleiten will.
Der Begriff „Morgendämmerung“ passt, auch wenn mir bewusst ist, dass mit Bezug auf eine griechische Partei[2] der Titel genauso mit „Morgenröte“ übersetzt werden könnte. Insofern ist „Morgendämmerung“ ein politisches Kunstwort, das mit dem Begriff „Dämmerung“ eine Gefahr anzeigen möchte. Im Blau steckt nicht das Blau des Himmels, sondern das Marineblau der FN von Marine Le Pen genauso wie das Blau der Freiheitlichen in Österreich. Ein Satz stimmt, den der FPÖ-Parteichef in seinem Hetz-Comic zur EU-Wahl 2014 schreiben ließ, wenngleich er ihn ganz anders versteht: „… wenn wir nicht alle sehr gut aufpassen, …“[3].
Die ersten Wahlen im Jahr 2015 ergaben sehr große Zugewinne für die FPÖ. Bei den Landtagswahlen in der Steiermark erreichten die Freiheitlichen fast so viele Stimmen wie die SPÖ und die ÖVP. Sie konnten ihren Mandatsstand verdreifachen. Im Burgenland konnten die Freiheitlichen ihren Mandatsstand verdoppeln. Es scheint, dass in Österreich eine extrem ausländerfeindliche, islamophobe und rechtspopulistische Strategie Oberwasser gewinnt. Gerfried Sperl kommentierte im DER STANDARD am Tag nach den Landtagswahlen in der Steiermark und im Bugenland und den fulminanten Wahlerfolgen für die FPÖ: „In einer Zeit, da Ängste erfolgreich produziert werden und die gefühlte Sicherheit gilt, nicht die tatsächliche, sind Warnsignale aufzustellen.“[4]
Klaus Heidegger, im Juni 2015
[1] Umfragen ergeben folgendes Bild: profil, 28.2.2015 – FPÖ bei der Sonntagsfrage gleichauf mit ÖVP und SPÖ bei 26%. Umfrage DER STANDARD, 7.2.2015: („Sonntagsfrage“) FPÖ um 2 Prozentpunkte (26%) vor ÖVP (24%) und SPÖ (22%). Damit würde es auch keine Koalition nach Nationalratswahlen zwischen ÖVP und SPÖ geben können. Umfrage zum Jahreswechsel 2014/15: Die FPÖ lag bei der Sonntagsfrage (welche Partei würden Sie wählen) mit 25% um 2 Prozentpunkte vor der SPÖ und ÖVP (beide mit 23%) und den Grünen mit 15%. Vgl. DER STANDARD, 2.1.2015, 6. Weitere Umfragewerte: Vgl. DER STANDARD, 14.6.2014: FPÖ würde bei Neuwahlen klaren Wahlsieg einfahren. Laut Umfrage käme sie auf 27 Prozent der Stimmen (22 SPÖ, 19 ÖVP). In der Kanzlerfrage wäre Strache fast gleichauf mit Faymann und Glawischnig (17/18/17%). Am 13.7.2014 wurde in einer Umfrage (profil) festgestellt, dass die FPÖ bereits auf 28 Prozent der Stimmen kommen würde. Eine Umfrage im Auftrag für profil (28.8.2014) zeigte weiterhin 28 Prozent für die FPÖ. In der KURIER-Umfrage vom 23.11.2014 war die FPÖ mit der SPÖ mit 25% gleichauf, 2 Prozent hinter der ÖVP.
[2] Die griechische Partei „Goldene Morgenröte“ gilt als rechtsextrem. Sie erreichte bei den Parlamentswahlen am 25.1.2015 6,4% der Stimmen. In Tirol hat laut einer Umfrage die FPÖ die SPÖ mit 13% eingeholt. (SPÖ 13%, ÖVP 39%, Grüne 16%).
[3] http://www.fpoe.at/fileadmin/Contentpool/Portal/PDFs/EUWahl09/comic_web.pdf, abgerufen am 19.4.2014.
[4] In: DER STANDARD, 1.5.2015, 23.
1 Politisch fragwürdige Eckpunkte rechtspopulistischer Parteien
1.1 Anti-Islamismus als Programm
Als im Herbst 2014 in Dresden und anderen deutschen Städten die Anti-Islam-Bewegung „PEGIDA“ (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes)[1] entstand, die jeden Montag mit Demonstrationen auf die Straßen ging, solidarisierte sich der FPÖ-Parteichef sofort mit dieser Bewegung. Auf seiner Facebook-Seite gratulierte er zu einer der PEGIDA-Demonstrationen. In einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung vom 30.12.2014 nannte er PEGIDA eine „seriöse Bürgerrechtsbewegung“. Sekundiert wurde der Parteichef auch von seinem Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger: „Wir brauchen keine Pegida-Bewegung, weil die Tiroler FPÖ dieses Spektrum abdeckt, …“, meinte er in einem Interview, in dem er sich vollinhaltlich zu den Anliegen wie zu dem Phänomen von Pegida bekannt.[2]
Islamfeindliche Äußerungen durchziehen die Reden von Politikern der FPÖ. Bei seiner Rede zum „politischen Aschermittwoch“ 2015 bekräftigte HC Strache einmal mehr, dass der Islam „kein Teil Österreichs“ sei. Dies geschah bewusst mit Blick auf eine vielfach diskutierte Äußerung von Angela Merkel, die den Islam als Teil Deutschlands wertete. Dagegen sprach sich auch der CSU-Vorsitzende Stoiber bei einer Aschermittwoch-Veranstaltung aus, wo er – ähnlich wie HC Strache – argumentierte, dass er sich den Satz von Merkel keinesfalls zu eigen machen wolle.[3]
Symptomatisch für die Islamfeindlichkeit der Freiheitlichen Österreichs war die Einladung an den wohl prominentesten Islamhasser Europas, den Chef der niederländischen Rechtsextremisten Geert Wilders.
Geert Wilders wurde dabei sowohl von der FP-Spitze wie von der FP-Basis hofiert. In dem Einladungsplakat zu dieser Veranstaltung unter dem Titel „Europas Bedrohung durch die Islamisierung“ wurde einmal mehr das Motiv verwendet, wie Minarette als durchlöchern. Über den Islam sagte Wilders einmal mehr seine bekannte Position: „Diese Kultur hat nichts mit Freiheit und Demokratie zu tun. Wenn man dagegen auftritt, wird man Rassist genannt oder es wird gleich eine Fatwa verhängt.“ Man solle die Immigration aus islamischen Staaten stoppen. „Ich will keine Moscheen, keine Imame und keine islamischen Schulen in meinem Land“, so Wilders. Wilders klare Botschaft an das Publikum: „Der Islam wird Wien, die Niederlande, das freie Europa nicht besiegen. Wir werden den Islam besiegen.“ Ebenso eindeutig ist sein Kulturverständnis: „Wir tragen die Fackel einer Zivilisation, die jeder anderen weit überlegen ist. Unsere Kultur ist besser als die islamische.“ Einwanderer sollten die Gepflogenheiten des Ankunftslandes übernehmen, nicht umgekehrt. Frenetischer Applaus folgte seinen Forderungen: „Keine Moscheen mehr. Keine. Alle islamischen Schulen schließen. Noch heute. Keine weitere Zuwanderung aus islamischen Ländern.“ Zu den vielen umstrittenen Äußerungen Wilders gehört sein Vergleich von Hitlers „Mein Kampf“ mit dem Koran, der deswegen auf die Verbotsliste gehören sollte.
Der FPÖ-Chef nutzte die Gelegenheit zur innenpolitischen Profilierung. Er zeichnete ein Bild der drohenden „Über-Islamisierung“: Mitte des Jahrhunderts könnten Muslime in Wien die Bevölkerungsmehrheit stellen, prophezeite Strache.[4] Strache und Wilders unterstrichen ihr freundschafltiches Verhältnis. Strache über Wilders: „Er ist ein ganz großer Europäer, der im legitimen politischen Spektrum steht.“ Wilders über Strache: „Er ist ein Held.“ Strache verteidigte Wilders gegen den Vorwurf, er sei ein Hetzer: „Dieser Begriff wird von Gegnern dann benutzt, wenn ihnen die Argumente ausgehen.“ Wilders muss sich in den Niederlanden bereits zum zweiten Mal wegen Verhetzung vor Gericht verantworten, 2011 wurde er freigesprochen. Bei anderen Gelegenheiten hatte er ein Verbot des Korans in den Niederlanden gefordert und den Islam als faschistische Religion bezeichnet. Auf die Frage, ob Strache Wilders‘ umstrittene Sager inhaltlich teile, relativierte er: „Ich würde diese Vergleiche nicht anstellen, jeder hat seine eigene Sichtweise.“ Jedoch: „Der Islamismus ist sehr wohl der Faschismus unserer Zeit.“
In den Bundesländern setzt die FPÖ in jedem Wahlkampf auf die Karte „Islamfeindlichkeit“. Die steirische FPÖ tritt unter dem populistischen Namen „Wir Steirer“ auf und garnierte den Landtagswahlkampf 2015 mit der Kampagne „Stopp dem Moscheenbau“, verbunden mit permanenten antiislamischen Meldungen.[5]
Dabei wird bewusst auf eine wahrheitsgetreue Darstellung verzichtet. Graz hatte bis dato keine einzige Moschee. Jene, die gerade gebaut wird, wird mit keinem Cent aus der öffentlichen Hand finanziert. Die poulstische Stimmungsmache, dass für Moscheebau Gelder verwendet werden, die den sozial Schwachen weggenommen werden, stimmt einfach nicht.
[1] Zum Glück hatte PEGIDA ein kurzes Ablaufdatum. Nach einigen Peinlichkeiten, beispielsweise der Chef der PEGIDA-Bewegung im Hitler-Outfit, und Zwistigkeiten schien die Bewegung Anfang 2015 mehr und mehr in den Hintergrund gekommen zu sein.
[2] In: Tiroler Tageszeitung, 15.2.2015.
[3] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 19.2.2015.
[4] Vgl. http://derstandard.at/2000013565651/Strache-und-Wilders-vereint-in-Islamkritik, 27.3.2015,
[5] Vgl.: http://www.fpoe-stmk.at/news-detail/artikel/fpoe-steiermark-wir-steirer-schwerpunkt-asyl/, abgerufen am 1.5.2015.
1.2 Wahlkampf und Wahlerfolg auf Kosten der Schwachen und Minderheiten
Die Tatsache, dass bei den Nationalratswahlen 2013 jede 5. Wählerstimme an die FPÖ ging, dass in der Steiermark die FPÖ zur stärksten Partei wurde und in Tirol zur zweitstärksten und dass Gemeinden wie Kufstein, Jenbach, Wattens, Telfs und Wörgl mehrheitlich FP dominiert sind, gibt Anlass zur Sorge. Nach der Wahl wurde die FPÖ in der Bevölkerung als „Sieger gesehen“.[1] Es ist ein Erfolg für eine populistische Politik, die Menschen mit einem Migrationshintergrund ausgrenzt. Der „Ausländerwahlkampf durch die Hintertüre“ (©sabl) durch das Nächstenliebe-Thema ist aufgegangen. In fast hetzerischer Weise wurden türkischstämmige und muslimische Menschen abqualifiziert. Mit Sprüchen wie „Willst du eine Wohnung haben, musst du Kopftuch tragen“ wurden Migrationsfamilien zu Sündenböcken gemacht. In der neuen blauen steirischen Hochburg wurde in Massensendungen mit Sprüchen polemisiert, wie „FPÖ baut Pflegeheime, ÖVP baut Moscheen.“ Symptomatisch für eine ausländer- und islamfeindliche Propaganda stand das Comic-Heft „Sagen aus Österreich“, das als Gratisaussendung allen Jungwählern und Jungwählerinnen zugeschickt worden ist. Darin wird gezeigt, was sich hinter dem FP-Slogan „Integration als Pflicht“ verbirgt. Türken sollen zum Christentum konvertieren und als Sklaven arbeiten, so der Grundtenor dieser „blauen“ Hetzschrift.
Das Grundgebot der Nächstenliebe wurde in seinem biblischen Anspruch verdreht. Im Evangelium wird dieses Gebot als praktische Solidarität mit den Schwächsten einer Gesellschaft definiert. Religiöse Wertvorstellungen wurden von Kickl und Co benützt, tatsächlich aber wurde gegen den Islam und die Muslime Stimmung gemacht. Im FP-Wahlkampf 2013 wurden Asylsuchende generell unter den Verdacht von Asylbetrug („Asylbetrüger abschieben“) gebracht. Die steirische FP-Frontfrau Susanne Winter konnte durch den Wahlerfolg ebenfalls ins Parlament einziehen. Sie ist einschlägig bekannt durch die Herabwürdigung des Propheten Muhammad. Deswegen ist sie auch wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren verurteilt worden. Auch Barbara Rosenkranz, ebenfalls bekannt geworden durch nazi-affines Gedankengut, wurde neue Nationalratsabgeordnete. Wer gegen die Schwachen einer Gesellschaft polemisiert, verrät jedenfalls das Gebot der Nächstenliebe. Wer gegen eine Religionsgemeinschaft polemisiert, stellt sich gegen den Dialog der Religionen.
Nach den Nationalratswahlen sah sich die FPÖ-Führung jedenfalls bestärkt in ihrem ausländerfeindlich-islamophoben Politikstil. So meinte Strache in seiner Rede zum Nationalfeiertag 2013, umrahmt von rot-weiß-roten Fahnen: „Es ist unsere Aufgabe, Sorge zu tragen, dass unsere Kinder nicht zur Minderheit in diesem Land werden.“[2] Wer die „Leitkultur unseres Landes nicht anerkenne, habe in unserem Land nichts zu suchen“, wetterte Strache. Das „Grundproblem Österreichs“ ortete Strache in der „Massenzuwanderung aus islamischen Ländern“. Strache spielt damit eine nationalistische Karte aus, wie sie überall in Europa auftritt, beispielsweise in Gestalt des Schweizer Populisten Blocher und der Schweizer Volksabstimmung.
In dem FPÖ-Werbefilm, der eine Woche vor den EU-Wahlen auf youtube veröffentlicht worden war, konnte auch Thilo Sarazin zu Wort kommen. Dieser zählt zu den meistgelesenen islamkritischen Autoren Deutschlands.
[1] Laut Umfrage in: DER STANDARD, 12.10.2013, 10: Dies meinten 39% der Befragten, während lediglich 3% die Grünen als Sieger definierten und 28% die NEOs.
[2] In: Tiroler Tageszeitung, 25.10.2013,13. Der Tiroler Flüchtlingskoordinator sieht darin eine politische Instrumentalisierung auf Kosten der Flüchtlinge. Vgl.: Tiroler Tageszeitung, 17.5.2014,41.
1.3 Ausgrenzung von Flüchtlingen und Asylsuchenden
Das Drama von Lampedusa in der Woche nach den Nationalratswahlen 2013 führte sinnfällig vor Augen, wohin eine Politik der Menschenfeindlichkeit führt. Wer eine asylfeindliche Politik zu verantworten hat, wird mitschuldig an diesem Leiden und Sterben. Wer dafür eintritt, die Mauern der Europäischen Union noch mehr hochzuziehen und zugleich Nächstenliebe gegenüber den verhungernden Massen in den Ländern des Südens vermissen lässt, trägt bei zum Massenelend in dieser Welt. Mit Papst Franziskus können wir von einer „Schande“ sprechen.
Die FPÖ mit ihrem ehemaligen Rechtsaußen-Vertreter im EU-Parlament, Andreas Mölzer, und ehemaligen EU-Spitzenkandidaten forderte angesichts der Tragödie vor Lampedusa im Herbst 2013 nicht Solidarität mit den Flüchtlingen, sondern eine Verstärkung von Frontex im Mittelmeer. Flüchtende Menschen sollen noch rigider zurückgewiesen werden.[1] Je mehr aber die Grenzen dicht gemacht werden, desto gefährlicher werden die Flüchtlingswege.
Kaum ein Politiktag vergeht, ohne dass von FP-Mandataren Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylsuchende gemacht wird. Dies hat System. Ein FP-Nationalratsabgeordneter beschimpft die Flüchtlinge in Traiskirchen als „Erd- und Höhlenmenschen“[2].
Zur beinahe alltäglichen Politik, die wirklich Schwachen in diesem Land auszugrenzen – was vor allem Menschen mit Migrationshintergrund betrifft – könnten zahlreiche Beispiele angeführt werden. „FPÖ wettert gegen Mindestsicherung“, lautet beispielsweise eine Schlagzeile in der Tiroler Tageszeitung vom 10.3.2015. Im Text dazu heißt es, dass NRAbg. Peter Wurm fordert, dass „nur noch Österreicher, die arbeitsfähig sind“ Sozialleistung beziehen sollten. Der Anteil der Österreicher daran betrage, so Wurm, ohnehin nur 55 Prozent. Außerdem sollten Sozialleistungsbezieher zu Arbeitsdiensten verpflichtet werden können. Sekundiert wurde er in diesen Forderungen von LA Hildegard Schweiger, die meinte: „Es kann doch nicht sein, dass sich Nichtstun mehr bezahlt macht als die tägliche Arbeit.“[3] Ein Vorfall am Innsbrucker Bahnhof, bei dem zwei jugendliche Nordafrikaner in Streit gerieten, wurde von einem freiheitlichen Nationalratsabgeordneten mit den menschenverachtenden Bemerkungen kommentiert „Gesindel ist Gesindel und bleibt Gesindel“[4]
Bis hinunter in die kleinen Bereiche wird die FPÖ-Position, Flüchtlingen in Österreich ein Asyl zu erschweren, merkbar, etwa wenn der Tiroler FP-Nationalratsmandatar Peter Wurm Kräfte unterstützt, die die Aufnahme in einem Tiroler Dorf erschweren.[5] Ähnliches geschieht in ganz Österreich.[6] In den Sommerdiskussion 2014 um die Aufnahme von Flüchtlingen vertrat die FPÖ unermüdlich den Standpunkt, keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen.[7]
Typisch für eine populistische Politik ist es, immer wieder auf die Kosten hinzuweisen, die für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen aufgewendet werden. Das weckt dumpfe Gefühle, dass „dem heimischen Volk“ etwas weggenommen wird, das ihm gehört. Während die Welt an die humanitären Katastrophen im Mittelmeer denkt, unmittelbar nach den Tagen, an dem innerhalb kurzer Zeit mehr als 1000 Menschen im Mittelmeer ertranken, rechnete der FPÖ-Klubobmann Tirols vor, was jedes Flüchtlingsheim in Tirol kosten würde.[8]
Die blau-braune Politik rechtspopulistischer Parteien ist geprägt von einer Abwehr von Flüchtlingen. Wenn FPÖ-Chef Heinz Christian Strache die Errichtung von Auffanglagern in Nordafrika fordert, dann passt dies wie ein Puzzlestück zu den Forderungen von Rechts-außen Viktor Orban, die Grenzen der EU mit Militär stärker zu bewachen und aufgegriffene Flüchtlinge schneller abzuschieben.[9]
Im Mai 2015 forderte der Tiroler Landtagsabgeordnete Rudi Federspiel ein Dichtmachen der Grenze am Brenner mit der Bemerkung „Das Boot ist voll“.[10]
Auch in den Landtagswahlkämpfen spielt das Asylthema für die FPÖ eine zentrale Rolle. Dabei folgt die FP-Propaganda dem gleichen Strickmuster. Flüchtlinge werden zum einen mit Kriminalität in Beziehung gebracht, zum anderen wird permanent auf die angeblich hohen Kosten verwiesen, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen für die Allgemeinheit erwachsen würden.[11] Für den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek waren im Wahlkampf „Asylschwindler“, „Kriminaltourismus“ und „Das Boost ist voll“ die Ankerworte. Auf der Bildebene werden Emotionen gegen Ausländer und Flüchtlinge geweckt. Eine assoziative Mehrdeutigkeit im folgenden Plakat ist offensichtlich gewollt.
Dargestellt wird in diesem Bild aus einer Postwurfsendung der FPÖ vor den Landtagswahlen eine Figur, die als Terrorist charakterisiert wird. Im Hintergrund ist ein steirisches Dorf. Allerdings gibt es in diesem Dorf weder einen Flüchtling noch ein Asylheim.
Nach dem Wahlerfolg der steirischen FPÖ war HC Strache siegessicher und nützte dies einmal mehr, um seinen Sager „das Boot ist voll“ zu platzieren und fügt hinzu, dass es „selbstverständlich“ sei, illegale Flüchtlinge nach Afrika zurückzuschieben.[12]
[1] Vgl.: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20131004_OTS0052/fpoe-moelzer-keine-aufweichung-der-zuwanderungsgesetze-nach-lampedusa-tragoedie, abgerufen am 5.10.2013. „Vor allem aber muss Frontex offensiv tätig werden. Es muss verhindert werden, dass Boote mit Wirtschafts- und Armutsflüchtlingen die Hoheitsgewässer von EU-Staaten erreichen. Deshalb sind sie in internationalen Gewässern abzufangen und bis zur Grenze zu den Hoheitsgewässern jenes Staates, von wo aus sie aufgebrochen sind, zu geleiten“ meinte Mölzer.
[2] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 9.11.2014,30. Es handelt sich dabei um Christian Hörbart, Chef der niederösterreichischen Freiheitlichen. Bereits einige Monate zuvor hatte sich Hörbart über die Zuwanderung von „kulturfernen und ungebildeten Höhlenmenschen und Ziegenhirten“ beschwert. In: TT, 10.11.2014.
[3] Tiroler Tageszeitung, 10.3.2015,5.
[4] Zit. in: Tiroler Tageszeitung, 28.3.2015,5.
[5] Vgl. den Bericht in Tiroler Tageszeitung, 15.5.2014, FPÖ unterstützt Grieser bei Unterschriftenlisten. Als das Flüchtlingsheim in Gries bezugsfertig gemacht wurde, wurde die zuständige Landesrätin Christine Baur vom Tiroler FP-Abgeordneten massiv angeklagt. Vgl. Tiroler Tageszeitung, 15.6.2014. Selbst der Bürgermeister von Gries, Karl Mühlsteiger, meinte im Sommer 2014, dass die FPÖ in Gries bislang nie eine Rolle spielten und sie nun in der Flüchtlingsfrage „politisches Kleingeld schlagen“ möchten. In: TT, 12.8.2014. NR Wurm und der Tiroler FP-Obmann gaben nicht auf und pochten auf rechtlichem Wege auf eine Volksbefragung im Dorf über das Flüchtlingsheim. (TT 21.8.2014).
[6] So lehnte die FPÖ-Oberösterreich das Asylheim in Altmünster ab und brachte es in die Nähe von Drogenmissbrauch. Vgl. profil, 28.7.2014.
[7] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 4.8.2014, 4.
[8] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 25.4.2015.
[9] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 25.4.2015.
[10] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 27.5.2015,
[11] Auf der Website der FPÖ-Steiermark liest sich das so: „So kam es in steirischen Asylheimen in den letzten zwei Jahren zu über 200 Polizeieinsätzen. Das bedeutet, dass die Polizei mehr als einmal pro Woche in einem Asylheim für Ordnung sorgen musste. Die Kosten dafür beliefen sich auf über 100.000 Euro, zahlreiche Personen wurden festgenommen und Polizisten verletzt. Auch der Asylbetrug und die Geschäftemacherei diverser Organisationen mit den Flüchtlingen werden unter dem Titel „die rote Asylconnection“ behandelt. „27 Millionen Euro gibt die rot-schwarze Landesregierung jährlich für die Betreuung von Asylwerbern aus“, berichtet „Wir Steirer“. In: http://www.fpoe-stmk.at/news-detail/artikel/fpoe-steiermark-wir-steirer-schwerpunkt-asyl/, abgerufen am 1.5.2015.
[12] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 2.6.2015.
1.4 Ausländerfeindlichkeit als Programm
Als Anfang Februar 2014 die Schweizer Volksinitiative gegen „Massenzuwanderung“ mit Erfolg ausging, waren die FPÖ gemeinsam mit den rechtsextremen Parteien Europas die ersten, die zum Sieg applaudierten. Kommentar von Strache: „Auch in Österreich würden sich die meisten Menschen für eine Begrenzung der Zuwanderung aussprechen“.[1] Gleich darauf wünschte er sich auch eine ähnliche Volksabstimmung wie in der Schweiz.
Integrationsmaßnahmen wurden von der FPÖ immer wieder unterlaufen. So wurde der Vorschlag kritisiert, in Türkisch als Maturafach zuzulassen.[2]
[1] Zit. in: Tiroler Tageszeitung, 10.2.2013,11.
[2] Vgl. Tiroler Tagezeitung, 15.6.2014. Pikanterweise hat Strache mit Russisch und Serbisch als Maturafach jedoch kein Problem!
1.5 Unklare Grenzziehungen zur nationalsozialistischen und antisemitischen Vergangenheit
„Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich Österreich besuche, was ich selten tue, weil der Antisemitismus heute genauso verbreitet ist wie damals.“[1] Dieses Zitat stammt vom Chemienobelpreisträger des Jahres 2013, Martin Karplus, der 1938 mit seiner Familie aus Österreich geflüchtet war. Auch dieser Blick von außen, dem Blickwinkel eines emigrierten Juden, spricht von einem weiterhin grassierenden Antisemitismus. Politologen verorten diesen im Dunstkreis der FPÖ.
Signale dafür gibt es viele. Da war im Herbst 2013 der Einzug der Freiheitlichen in den Nationalrat nach den Wahlen mit der blauen Kornblume, ein früheres NS- und heutiges Neonazi-Symbol. Da war die neuerliche Infragestellung des NS-Verbotsgesetzes[2] durch Norbert Hofer, der dann kurz darauf zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt wurde. Und da war beispielsweise der Drittes-Reich-Vergleich des ehemaligen FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Andreas Mölzer. Dieser meinte, die EU sei eine Diktatur, dagegen sei „das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal“[3]. Auch auf die Kritik an diesem Vergleich blieb Mölzer bei der Aussage, dass der NS-Staat im Vergleich zur EU liberal gewesen sei. Erst nach breiter öffentlicher Kritik[4] wurde Mölzer vom FPÖ-Parteichef am 7. April 2014 als EU-Spitzenkandidat der FPÖ abgesetzt. Kommentatoren sahen darin jedoch keine wirkliche Abgrenzung von Strache gegen den rechtsnationalistischen Rand in seiner Partei. Dies kann als wahltaktisches Machtkalkül gewertet werden, um nicht einen Wahlerfolg bei den EU-Wahlen zu gefährden. Fakt bleibt, dass die deutschtümelnden Mölzer-Fans weiterhin einen wesentlichen Teil der FPÖ bilden. Die Liste von Politikern, Journalisten und Politikwissenschaftlern, die die FPÖ als „rechtsradikal“ einstufen, ist umfangreich. So begründete der langjährige EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin seinen Ausstieg aus der Politik mit seinem Frust mit dem „Sog hin zur rechtsradikalen FPÖ“.[5].
Rechte Sprüche mit nationalsozialistischem, antisemitischem bzw. rassistischem Touch haben in der FPÖ Tradition und es sieht so aus, als würden sie – besonders in Wahlkampfzeiten – ganz verwendet. Mit NS-Verharmlosung und rassistischen Sprüchen wird Stimmenfang gemacht.[6] In diesem Sinne ist auch der „Neger-Spruch“ von Andreas Mölzer zu werten, der von einigen seiner FPÖ-Freunde, die im Nationalrat sitzen, verteidigt wurde.[7] In diesem rassistischen Kontext wurde auch aufgedeckt, dass von Mölzer rassistische Bemerkungen über den Fußballstar David Alaba gemacht worden sind. Diesen Star zu beleidigen, war wohl der Auslöser, dass Mölzer von seinem Parteichef als Spitzenkandidat zurückgezogen war. Zu groß war die Angst, wegen der Verunglimpfung Alabas Stimmen zu verlieren.[8]
[1] In: Tiroler Tageszeitung, 10.10.2013,13.
[2]Dieses Gesetz wurde erst 1992 durch einstimmigen Gesetzesbeschluss im Österreichischen Nationalrat eingeführt und sieht die strafrechtliche Ahndung der öffentlichen (vorsätzlichen) Leugnung oder Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen vor.
[3] Zit. in: TT, 23.3.2014,23; DER STANDARD, 24.3.2014. Andreas Mölzer entschuldigte sich nach heftiger Kritik keineswegs für diese Aussage, sondern bekräftigte sie mit der Bemerkung, dass die EU mehr Regeln habe als die Diktaturen des 20. Jahrhunderts.
[4] Beispielsweise brachte Michael Köhlmeier eine Anzeige gegen Verhetzung ein, die innerhalb einer Woche von rund 23.000 Menschen unterstützt worden war. Vgl. DER STANDARD, 12.4.2014,1.
[5] Zit. In: SN, 26.4.2014.
[6] Vgl. Föderl-Schmid Alexandra (2014): Rechte Sprüche, keine Folgen, in: DER STANDARD, 27.3.2014,32. Typisch war beispielsweise auch Mölzer im Jahr 1992, der vor einer „Umvolkung“ sprach, wie auch später der Salzburger FPÖ-Spitzenkandidat Karl Schnell.
[7] Klubkollege Gerhard Schmid finde „nicht so viel Verwerfliches“ an Mölzers Aussagen. Und weiters: „Ich keinne keine andere bezeichnung dafür. Wie soll ihn sonst nennen?“ Zit. in: DER STANDARD, 10.4.2014,2.
[8] Mölzer schrieb in „Zur Zeit“: „Nichts Besonderes wäre das, wenn der 19-jährige echte Wiener nicht pechrabenschwarz wäre.“ …“Un nur noch der Blick auf die Altersheime lässt uns erahnen, was wirkliche österreicher und echte Wiener dereinst waren.“ Zit. in: Profil, 31.3.2014.
1.5.1 FPÖ und ihre Verstrickung mit den Burschenschaften
Da war die Diskussion rund um das Treffen der „deutschnationalen“ und schlagenden Burschenschaften in Innsbruck im Herbst 2013, bei dem ehemalige Spitzenpersönlichkeiten der FPÖ wie Andreas Mölzer oder Ewald Stadler teilnahmen und das von der FPÖ – insbesondere der FPÖ-Tirol – energisch verteidigt wurde. Die Bürgermeisterin wurde vom FPÖ-Tirol-Parteichef Markus Abzwerger massiv kritisiert, weil sie andeutete, in Zukunft für solche Treffen öffentliche Einrichtungen wie die Messehalle nicht mehr zur Verfügung zu stellen.[1] Ein FPÖ-Bezirksparteisekretär sprach überhaupt mit Blick auf die Bürgermeisterin von „Mörderin der Versammlungsfreiheit“[2]. Von der FPÖ wurde die Bügermeisterin als „geistige Brandstifterin“ bezeichnet und der FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache sprach von einem „demokratiepolitischen Skandal“.[3] Und immer wieder geschieht dabei die so bekannte Opfer-Täter-Umkehr. Wird Kritik an den Burschenschaften geübt, so sehen diese sich sofort als unschuldige Opfer linksfaschistischer Kreise und vergleichen sich sogar mit den Opfern des Nationalsozialismus.[4]
Die Verstrickungen zwischen Burschenschaften und FPÖ sind offensichtlich. Im freiheitlichen Parlamentsklub ist mehr als jeder Dritte bei einer schlagenden Verbindung, das sind 18 FPÖ-Nationalratsabgeordnete von insgesamt 40,[5] im Wiener Landtag sogar jeder Zweite.[6] Die Zahl der Mitglieder der schlagenden, deutschnationalen Verbindungen wird in Österreich auf 4000 geschätzt.[7] Ihr Einfluss auf Wirtschaft und Politik ist dennoch beträchtlich, da sie aufgrund von Seilschaften oft einflussreiche Positionen besetzen.
Häufig wird kritisiert, dass sich die Deutschen Burschenschafter nicht ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit stellen wollen und ihr gegenüber auch keine klare Abgrenzung vornehmen. Der Politologe und Rechtsextremismus-Experte Reinhold Gärtner meint, dass immer wieder die Vergangenheit „verharmlost“ werde.[8] Sprechendes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass dem Mitglied der Suevia-Verbindung, Gernot Lausegger, der beim November-Pogrom 1938 in Innsbruck einen Juden ermordete, weiterhin auf einem Denkmal der Studentenverbindung in einem Innsbrucker Friedhof die „Ehre“ erwiesen wird. Obwohl die Zahl der Deutschen Burschenschafter relativ klein ist, sind sie gerade aufgrund ihrer Einbindung in die FPÖ an zentralen Schlüsselstellen – bis hin zum Dritten Nationalratspräsidenten – politisch mächtig.
Neuerlich sichtbar wurde das enge Verhältnis zwischen FPÖ und Deutschen Burschenschafter rund um die Diskussionen des sogenannten „Akademikerballes“ im Jänner 2014. Die FPÖ übernahm für die Burschenschafter – den Wiener Korporationsring – die Einladung und die Verantwortung für diesen Ball, um es so zu erreichen, dass dieser Ball weiterhin in der Hofburg stattfinden konnte.
Das Urteil von Politologen über die Burschenschafter fällt eindeutig aus. So schreibt der Innsbrucker Politologe Reinhold Gärtner über den Versuch der Burschenschafter, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ihre Ideologien zu vertreten: „Die Crux dabei ist, dass manche von ihnen nur zu gerne einer Ideologie nachweinen, die mit Meinungsfreiheit aber schon gar nichts zu tun hatte. Sie betonen, die Freiheitsideale von 1848 hochhalten zu wollen, und landen doch wieder bei plumpem Deutschnationalismus oder beim Arierparagraphen. Sie meinen, von den Nationalsozialisten verboten worden zu sein, verschweigen aber die feierliche Aufnahme in den NSDAP-Studentenbund. Und sie wollen ja nur Zukunftsfragen ansprechen, zeigen aber keinerlei Initiative, mit der eigenen NS-Vergangenheit aufzuräumen. Das ist das Problem: Viele der Burschenschafter wollen (oder können) partout nicht verstehen, dass Österreich nicht erst im Jahre 2014 bereit und willens ist, den Nationalsozialismus als das zu benennen, was er war: ein zutiefst verbrecherisches Regime. Und dass für dieses Regime und seine Ideologie nun einmal kein Platz in einem demokratischen System sein kann.“[9]
Die These der Burschenschafter, sie seien zur Zeit des Nationalsozialismus verboten worden, ist in sich nicht haltbar. Zum einen wäre es das klare Programm der Nationalsozialisten gewesen, nichts außerhalb der eigenen Partei zuzulassen, zum anderen bot man aber den Burschenschaftern an, sich als Kameradschaften im Rahmen des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes zu integrieren, was die meisten Burschenschaften auch getan haben.[10] Jedenfalls könnte in keinster Weise behauptet werden, dass die Burschenschafter in irgendeiner Weise im Widerstand gegenüber dem Nazi-Regime waren, wie etwa Teil der katholischen Studentenverbindungen.
In den Kommentarspalten heimischer Medien wird ebenfalls meist ein eindeutiges Urteil über die Burschenschafter gefällt. Günter Traxler beispielsweise stellt sich mit Blick auf die Burschenschafter die Frage, ob „Rechtsextremismus in Österreich zu einem gesetzlich gestatteten Kultus erhoben werden soll“[11]. Anlass für diesen Kommentar war eine Aussage von Andreas Mölzer in der Zeitschrift „Aula“, in der er die Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Akademikerball mit dem Novemberpogrom verglich.
Historisch gesehen waren die Burschenschaften ab 1933, als die NSDAP in Österreich verboten war, „perfekte Tarnorganisationen für NSDAPler“[12]. Die deutsch-nationalen Burschenschaften bereiteten den „Weg Österreichs in den Nationalsozialismus“[13]. Bereits in den 1920er Jahren wurden sie daher als „Hakenkreuzler“ bezeichnet. Nach dem Anschluss wurden zahlreiche Spitzenpositionen mit Burschenschafter besetzt. Der Rechtsextremismusforscher Andreas Peham sieht seither die bleibende Überschneidungen zu Neonazikreisen. Die Burschenschaften würden noch heute – etwa wegen des Konventsgeheimnisses – als Rückzugsorte für Männer mit neonazistischer Gesinnung dienen. Den Zusammenhang zwischen FPÖ und Burschenschaften definiert Peham wie folgt: „Es ist eine wechselseitige Abhängigkeit. Sie sind das intellektuelle Rückgrat der Partei, haben Einfluss in der Wirtschaft und bekommen von der FPÖ Mandate und Jobs im Parlamentsklub, bei Bildungsvereinen und Publikationen.“[14] Die Tatsache, dass die FPÖ 2011 das „Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft“ in ihr Programm aufnahm, sieht Peham jedenfalls als deutliches Signal in eine bestimmte Richtung.
[1] Vgl. TT, 24.11.2013.
[2] Vgl. TT, 27.11.2013,1.
[3] Vgl. TT, 29.11.2013,8.
[4] So z.B. das SUEVIA-Mitglied Martin Standl, in: DER STANDARD, 15.2.2014.
[5] Vgl. z.B.: DER STANDARD, 10.4.2014. Dazu zählt auch die Mitgliedschaft in den völkischen Damenverbindungen Sigrid (Anneliese Kitzmüller) und Edda (Barbara Rosenkranz). U.a. gibt es FPÖ-Korporierte bei: Olympia, Germania, Vandalia, Teutonia, Tauriksa, Marko-Germania, Donauhort, Oberösterreicher Germanen Wien, Nibelungia.
[6] Vgl. dazu ausführlich: Zöchling Christa (2014): Das Gestern von Morgen, in: profil, 3.2.2014, 20-26.
[7] Vgl. dazu z.B.: Schmidt Colette M. (2014): Männer mit besten Verbindungen, in: DER STANDARD, 15.2.2014,8.
[8] Zit. In: TT, 27.11.2013,5.
[9] Gärtner Reinhold: Das Problem der Burschenschafter, in: Tiroler Tageszeitung, 5.2.2014,2.
[10] Vgl. Weidinger Bernhard (2014): „Die Burschenschaften reagieren auf Raumverlust“, in: DER STANDARD, 4.6.2014,10.
[11] Traxler Günter (2014): Mummenschanz, in: DER STANDARD, 7.2.2014,31.
[12] So der Rechtsextremismusforscher Andreas Peham, in: DER STANDARD, 15.2.2014,9.
[13] Vgl. Taschwer Klaus (2014): Schlagende Geschichtsklitterungen, in: DER STANDARD, 15.2.2014,8.
[14] Ebd.
1.5.2 Zunahme der rassistischen Gewalt in Europa
Am 1. Mai 2014 marschierten Rechtsextreme in vielen Ländern Europas. Ein neonazistische Szene macht sich in Deutschland, Russland, Schweden, Frankreich, Ungarn oder Griechenland breit. Zu den handlungsleitenden Motiven zählen Rassismus, ein positiver Bezug zum Nationalsozialismus und ein Hass auf Juden und Minderheiten.[1] In Russland sind sogenannte Hate Crimes, Verbrechen aus Hass, an der Tagesordnung.
[1] Vgl.: KURIER, 4.5.2014,5.
1.6 Das Völkische als Programm
Das völkisch-nationalistische Gehabe der FPÖ, ihre nationalistisch geprägte Kritik an der EU und der zelebrierte Österreichpatriotismus finden zeitgleich in einer Welt statt, in der an vielen Ecken und Enden das Völkische Blutspur und Chaos hinterlassen. Die völkischen Separatisten zerstören den Frieden in Europa, wie gerade in den Wochen vor den EU-Wahlen am Beispiel der Ukraine sichtbar wird. Im Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren täte es gut, mit Blick auf das Heute an die unseligen Folgen des völkischen Denkens zu erinnern.
1.7 Law and Order
Typisch für eine Rechtsaußen-Partei ist die permanente Konzentration ihrer Politik auf alles, was den klassischen Mustern einer staatlichen Sicherheitspolitik entspricht. Die sicherheitspolitische Ausrichtung der FPÖ lautet: Mehr Polizei und mehr Militär. So kritisierte die FPÖ vehement die beschlossenen Einsparungen im Verteidigungsressort und verlangte den Rücktritt des Verteidigungsministers, da es unter ihm eine Budgetkürzung in seinem Bereich gibt.[1] Mit der Härte des Gesetzes soll gegen jene vorgegangen werden, die unerwünscht sind oder als unerwünscht definiert werden. Dazu zählen für die FPÖ die Bettler. Entsprechend forderte die FPÖ-Tirol ein Bettelverbot in Innsbruck.[2] Der FPÖ-Klubchef Rudi Federspiel sprach von einer „Invasion“ von Bettlern – wobei die offizielle Zahl der Bettler in Innsbruck mit 30 angegeben wird. Bei einer Gemeinderatssitzung Ende April 2014 rief der FP-Mandatar dazu auf, Menschen aus der „Nordafrikanerszene Tag und und Nacht zu „jagen“[3]. Die FPÖ-Innsbruck brachte gemeinsam mit der Liste Federspiel Ende Mai 2015 in den Innsbrucker Gemeinderat einen Antrag für ein Bettelverbot ein, das so gut wie das ganze Jahr über gelten sollte.[4]
Zum Image eine Law-and-Order-Partei zählt auch, dass bewusst auf eine Führungspartei gesetzt wird, in der starke Männer den Ton angeben. So verglich beispielsweise Heinz Christian Strache seinen EU-Wahlkampfkandidaten Harald Vilimsky mit Bruce Willis – „ein Mann, der aufräumt“[5]. Der Wunsch nach einem „autoritären Machthaber“ ist tatsächlich in der Bevölkerung vorhanden, wie eine Studie des Instituts SORA Anfang Mai 2014 zeigt. Demnach sprachen sich 29% der Befragten für einen autoritären Machthaber aus, weitere 29% stimmten wenig zu und lediglich 42% stimmten gar nicht zu.[6] Der Historiker Oliver Rathkolb ergänzte dazu, dass die Zustimmung vor allem aus dem Bereich der Wähler und Wählerinnen der FPÖ komme. Zwar sei das Bewusstsein über die negativen Folgen des Nationalsozialismus, vor allem im Bereich der besser Gebildeten gestiegen, doch würden immer noch 36 Prozent der Befragten sowohl Positives wie Negatives im Nationalsozialismus sehen.
[1] Geplant sind im Budget 2014 Einsparungen von 45,4 Millionen. Vgl. TT, 2.3.2014.
[2] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 27.2.2014; 13.3.2014.
[3] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 27.4.2014. Karl Geir und Raimund Pehm schrieben vom Institut für Menschenrechte schrieben dazu: „Menschen jagt man nicht! Federspiels Aufruf (wir haben ihn wohl als Aufruf zur Gewalt zu verstehen, was sonst?) Ist kein Beitrag zur Lösung real vorhandener Probleme: Sein Aufruf ist ein menschenrechtlicher Skandal. … Personen, die in diesen Kategorien über andere Menschen denken und sprechen, sind in nichtdemokratischen Systemen (wenn sie dort in führende öffentliche Positionen geraten) nur allzu oft für Folter und Tod verantwortlich.“ In: Tiroler Tageszeitung, 10.5.2014.
[4] Vgl. Tiroler Tageszeitung, 19.5.2015.
[5] Zit. in: DER STANDARD, 2.5.2014.
[6] Veröffentlicht am Tag der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus, 8. Mai 2014, in: Tiroler Tageszeitung, 8.5.2014,10. 1015 Befragte im Zeitraum von Jänner 2014 bis Februar 2014.
1.8 Zerschlagung der EU
Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache hat sich in der Ukraine-Krise auf Seiten Russlands positioniert. Der autoritäre Stil von Wladimir Putin, sein völkischer Nationalismus und die Verachtung liberaler Ideen kommen der FP-Ideologie genau entgegen.[1] Die Annexion der Krim wurde begrüßt. Die EU-Sanktionen wurden verurteilt. Hans Rauscher sieht dies durchaus im Zusammenhang mit der Politik der rechtsextremen Kräfte innerhalb der EU. Er meint, dass eine demokratische EU der stärkste Widerstand gegen das Erstarken der rechtsextremen Kräfte darstellen würde.[2]
[1] Vgl. dazu: profil, Nr.13, 24.3.2014,20f. Der außenpolitische Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner, der Wiener FPÖ-Obmann Johann Gudenus reisten im März 2014 auf Einladung einer rechtsextremistischen Organisation als Wahlbeoachter auf die Krim. Schon ein Jahr zuvor waren FPÖ-Vertreter in Tschetschenien und bezogen Partei für Russland.
[2] Vgl.: Rauscher Hans: FPÖ: „Freunde Putins in Österreich“?, in: DER STANDARD, 2.5.2014,30.
1.9 Negation ökologischer Problemfelder
Umweltschutzinitiativen, die der Verkehrseindämmung und Verkehrsberuhigung dienen sowie eine Reduktion von schädlichen Emissionen zum Ziel haben, wurden von FP-Politikern stets hämisch quittiert. Statt Tempo 100/80/30 redeten sie einer Erhöhung der Tempolimits das Wort. FP-Stimmen waren daher auch Stimmen gegen eine ökologische Politik. Bei den Nationalratswahlen im Herbst 2013 wurde gewählt, als wäre nicht gerade in diesen Tagen der 5. Weltklimabericht veröffentlicht worden. Jahrhunderthochwasser, Dürreperiode und Rekordtemperaturen bis über 40 Grad – das waren Ereignisse in Österreich im Sommer 2013. In den Wahlkampfreden der FPÖ fehlte dieses Thema. Obwohl die FPÖ die EU scharf kritisiert, wird auf deren Umweltbilanz nie eingegangen. Dabei ist die EU deutlich vor Russland, Brasilien oder Indien der drittgrößte Emittent an klimaschädlichen Gasen.