Anstoß an der Botschaft des Gewaltverzichts und der Egalität

Botschaft des Gewaltverzichts gibt Grund für Anstoß: Eine politische Lektüre zum heutigen Sonntagsevangelium (Mk 6, 1b-6)

Warum wohl nahmen die Menschen von Nazareth Anstoß an Jesus, der in seiner Heimatsynagoge am Sabbat die Schrift auslegte? Die Predigt zum heutigen Sonntagsevangelium in meiner Heimatgemeinde lautet: „Die Herzen der Menschen waren verschlossen. Wenn sich das Herz Gott nicht öffnet, kann Gott nicht in das Herz eindringen.“ Kardinal Schönborn legt die Stelle aus Mk 6 in der heutigen Kronenzeitung so aus: Gerade in der Heimat würde Jesus als Prophet nicht anerkannt. So ähnlich sei es auch mit Europa, wo das Christentum zu Hause wäre, und doch wird Jesus nicht anerkannt. Eine solche idealistisch-religiöse Interpretation hat ihre Berechtigung. Allerdings braucht es nun die Ergänzung: Was ist es, das damals die Menschen am Auftreten und Reden Jesu in Nazareth so anstößig fanden?
Nazareth zur Zeit Jesu war ein Hotspot für die politisch Aufständischen. Hier war die Guerillabewegung gegen die römische Besatzungsmacht zu Hause. Wohl in jeder Familie Nazareths waren Zeloten oder Sikarier, voll berechtigtem Zorn gegen die Gewalt der römischen Legionäre und ihre jüdischen Kollaborateure. Sepphoris, die Garnisonsstadt der Römer, war in Sichtweite zu Nazareth. Familienangehörige sind der Brutalität der römischen Herrschaft zum Opfer gefallen, wurden gekreuzigt, jüdische Mädchen und Frauen vergewaltigt oder als Sexsklavinnen verkauft. Die Familie Jesu mit Josef und Maria und seinen Geschwistern dürfte da keine Ausnahme gewesen sein. Schließlich war Jesus, so lesen wir bei Markus an dieser Stelle, ein Zimmermann (tekton). Zimmerleute oder besser Bauhandwerker waren damals Unterschicht, Plebejer, und hatten auch in der jüdischen Gesellschaftshierarchie den untersten Rang. Und dann kommt dieser Jesus, der nicht vom Hass gegen die Feinde spricht, sondern von Feindesliebe und Gewaltverzicht, vom Reich Gottes, in dem es kein Unten und Oben mehr gibt, wo Schicht- und Klassendenken der Vergangenheit angehören. Vielleicht hat Jesus damals mit Blick auf die prophetischen Texte aus Micha und Jesaja seine Landsleute aufgefordert, nicht mehr mit Gewalt gegen Römer vorzugehen, sondern aktive Wege des gewaltfreien Engagements zu wählen. Eine solche Strategie freilich setzt eine Basis voraus, in der das Patriarchat überwunden wird, in der Egalität zwischen den Geschlechtern und Schichten herrscht, in der die Schwachen in der Mitte einer Gesellschaft stehen und nicht mehr am Rande. Vielleicht, so können wir heute mit historisch-kritischer Lesebrille der neutestamentlichen Texte vermuten, hat Jesus auch das jüdische System der Reinheitsvorschriften hinterfragt, wo klar geregelt war, dass Bettler und Kranke als unrein galten und vor den Toren Nazareths lebten, ohne Zugang zur Synagoge. Wir lesen dann genau davon: Dieser Jesus wendet sich demonstrativ den Opfern zu: Er legt den Kranken die Hände auf und heilt sie. Heilung wiederum besteht wohl darin, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden.
Mit Kardinal Schönborn können wir nun fragen: Was bedeuten diese Worte für unsere Länder, in denen das Christentum zuhause sein sollte? Die Richtung hat uns Jesus vorgelegt: Auf Mittel der Gewalt zu verzichten, was Entrüstung bedeuten könnte. Dies hätte auch Konsequenzen für Griechenland, das immer noch 4 Milliarden Euro pro Jahr  in seine Streitkräfte investiert. Auf die Armen zugehen, das ist zugleich eine wichtige Vorgabe für die Verteilung. Die Armen in die Mitte nehmen, die mehrfach Opfer sind: Flüchtlinge und Wohlstandsverlierer. Die Mittellosen in Griechenland können nichts dafür, dass ihr Land von der politischen Klasse und dem Finanzkapital in der Vergangenheit in den Ruin geführt wurde. Deswegen braucht es für sie auch eine gesamteuropäische Solidarität. An solchen Worten würden wohl viele Gläubige in ihren Kirchen heute Anstoß nehmen.

Klaus Heidegger, 5. Juli 2015

Kommentare

  1. sehr klar der Inhalt- die sich der Wahrheit und dem Mitgefühl verpflichten sind auch heute oft unbequem, weil sie gegen den Mainstream handeln. So auch bei Griechenland: seine hohen Militärausgaben sind sicher nicht ganz freiwillig, aber auch dort gibt es hörige Kreise, die pro NATO Interessen handeln. Griechenland ist strategisch für die NATO wichtig, es kontrolliert ja den Zugang zum Mittelmeer und den könnten die „bösen“ Russen mitbenützen. Das geht aber gegen die aggressiven Machtinteressen der NATO /US

  2. Die Mehrzahl von uns „Taufscheinchristen“ kennt, wenn überhaupt noch, eher die im Kirchenjahr ritualisierte römisch katholische Religion. Da wir also eher Rituale verinnerlicht haben – unsere römisch katholische Kirche hat uns diese Rituale im Verlauf von Jahrhunderten mehr „antrainiert“ als den Geist Christi – fällt gar vielen von uns die Rückkehr zum Geist des Evangeliums – das heißt zum Geist in dem Jesus Christus gelehrt hat – schwer.

    Bereits Kardinal König hat im „Aufbruch zum Geist“ von der Rückbesinnung auf diesen Geist gesprochen und zur „Rückkehr hinter die konstantinische Wende“ aufgefordert. Möglicherweise befindet sich unser Christentum mit Papst Franziskus I. bereits in dieser Zeitenwende, natürlich ist es auch möglich, dass wir „mehrere Franziskusse“ brauchen, ehe wir diese wahre christliche Botschaft der Gewaltlosigkeit in unser denken und handeln wirklich voll integrieren können. Dies wird verbunden sein müssen, mit der Botschaft die mit der sozialen Verpflichtung des Eigentums einher geht, diese ist von „Rerum Novarum“ (1891) bis zu „Evangelium Gaudium“ und „Laudato si“ verkündet. Dazu braucht es die Überwindung der aktuellen Vorherrschaft des Finanzkapitalismus, der sich über den Globus ausgebreitet hat, bringt doch diese Form des verantwortungslosen Bereicherns einiger weniger Menschen, viele andere in die Schuldknechtschaft, wie wir sie bereits aus dem Alten Testament kennen. Dort hatte man bereits die kleine und die große Entschuldung nach festgelegten Perioden vorgesehen. Persönlich hoffe ich vor allem für unsere Kinder und Enkel, dass es für diesen Lernprozess der Menschheit keine katastrophale Entwicklung braucht.

  3. Korrektur 8. Zeile: …. ehe wir diese wahre christliche Botschaft der Gewaltlosigkeit in unser Denken und Handeln wirklich voll integrieren können.

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