Das Kreuz mit dem Kreuz in den Klassenzimmern

 

 

kreuz-el-salvador-1Schulautonomie und aktuelle Diskussion um das Kreuz

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid hatte eine alte Idee neu verpackt: Das Kreuz in den Klassenzimmern soll keine juridische Selbstverständlichkeit mehr sein. Die fakultative Abschaffung von Schulkreuzen wurde in den Reformplan mit dem Packpapier „Schulautonomie“ gewickelt. Wenn künftig die Schulleiter und Schulleiterinnen mehr Autonomie in der Gestaltung des Schullebens haben, so soll dies auch so weit führen, dass sie entscheiden können, ob Schulkreuze hängen dürfen oder nicht. In der ORF-„Pressestunde“ hatte die Bildungsministerin diesen Standpunkt Ende Oktober vertreten.

Schuldemokratisch bedenklich

Wenn solche Entscheidungsgewalt am Schulgemeinschaftsausschuss vorbei führen würde, dann würde  eine wesentliche demokratische Struktur übergangen. Würde über eine symbolisch so bedeutsame Sache jede Schule künftig selbst entscheiden, so sollten zumindest alle am Schulleben Beteiligten in diese Entscheidungsfindung eingebunden sein. Im Bereich der höheren Schulen wäre der entsprechende Ort für eine Entscheidung der Schulgemeinschaftsausschuss, an dem drittelparitätisch Lehrpersonen, Schüler- und Schülerinnen sowie Eltern vertreten sind.

 

Ein breiter Konsens für die Schulkreuze

Sonja Hammerschmid musste diesmal ihr Vorhaben einer schulautonomen Entscheidung über die Schulkreuze zurückziehen. Der Koalitionspartner stellte sich klar dagegen. ÖVP-Klubchef Reinhard Lopatka sieht im Kreuz einen „zentralen Wert“ unserer Kultur, den es zu erhalten gelte.[1] Die Landesschülervertretung von Tirol sprach sich in einer Presseaussendung dezidiert für das Beibehalten der Kreuze aus.[2] In ihrer Stellungnahme heißt es unter anderem: „Wir müssen das Kreuz nicht aus den Unterrichtsräumen verbannen, um den Eindruck einer freien und toleranten Gesellschaft zu vermitteln. Das Kreuz ist nicht nur Symbol für die christliche Religion. Es ist vor allem auch ein Symbol für überreligiöse Humanität und Barmherzigkeit.“[3]

Die gesetzlichen Regelungen

Derzeit müssen in Schulen, an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Glaubensbekenntnis angehört, in allen Klassenräumen Kreuze hängen.[4] Für Pflichtschulen, für die die Bundesländer zuständig sind, gibt es in Salzburg, dem Burgenland, in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg strengere Regeln. Dort muss sich in jedem Klassenzimmer ein Kreuz an der Wand befinden. Wo weniger als die Hälfte der Schüler und Schülerinnen Christen sind, müssen die Kreuze nicht abgehängt werden. Hier darf bereits die Schule autonom entscheiden.

Mit religiösen Symbolen sensibel umgehen

Der Umgang mit religiösen Symbolen bedarf höchster Sensibilität. Bilderstürmerei reißt nicht nur Löcher in die Wände, sondern auch in die Seelen von Menschen, führt zu Spiralen feindschaftlicher Auseinandersetzungen, zu Trennungen und Unterstellungen. Noch bevor gefragt wird, was denn das Kreuz in den Klassenzimmern bedeute, verlangen Gruppierungen mit einem aufgeklärten Pathos, dass es entfernt werde.

Das Kreuz steht für Werte, dem Bildungsauftrag entsprechend

Befürworter der Abschaffung des Kreuzes behaupten, es sei Symbol der katholischen Kirche in der Schule, die ein öffentlicher Ort sei und weltanschaulich neutral sein solle. Das Kreuz an der Klassenwand würde die Trennung Kirche – Staat missachten.

Tatsächlich steht das Kreuz aber vor allem für bestimmte Werte. Es kann mit dem Leben und der Botschaft von Jesus Christus in Verbindung gebracht werden. Damit weist es auch nicht auf eine bestimmte Kirche hin, wie die Kreuz-Gegner fälschlicherweise suggerieren. Dieser Jesus von Nazareth setzte sich für die Zukurzgekommenen ein, predigte Feindesliebe und Gewaltverzicht, lebte den selbstlosen Einsatz für Befreiung und Gerechtigkeit bis hin zum Tod am Kreuz. Die Botschaft dieses Mannes liest sich wie die hehren Zielsetzungen des Bildungsauftrags der österreichischen Schulen. Im Kreuz werden jene Werte gebündelt, die ein Lehrer oder eine Lehrerin den Schülern und Schülerinnen vermitteln sollte.
Mehrdeutigkeit des Symbols Kreuz

Der Charakter von Symbolen liegt freilich immer darin, dass sie mehr- und nicht eindeutig sind, dass sie daher interpretationsbedürftig sind. Ein Verkehrsschild, beispielsweise eine Stopptafel, braucht keine Interpretation. Ein Symbol wie ein Kreuz bedarf einer Interpretation. Die Interpretation hängt wesentlich von der Perspektive ab. Wenn jemand behauptet, das Kreuz sei ein Symbol der Unterdrückung, weswegen es in einem öffentlichen Ort wie der Schule keinen Platz haben dürfe, so ist dies eine individuell nachvollziehbare Sichtweise. Tatsächlich wurde das Kreuz im Laufe der Jahrhunderte immer wieder missbräuchlich verwendet, von Kaiser Konstantin und seinem berühmten Diktum „in hoc signo vinces“ (in diesem Zeichen wirst du siegen) vor der Schlacht an der Milvischen Brücke bis zu einem Parteiführer, der mit dem Kreuz in der Hand gegen den Bau einer Moschee in Wien wetterte. In diesen Fällen freilich wird das Symbol Kreuz für politische Zwecke missbraucht und mit einer Botschaft aufgeladen, die konträr zur biblischen Botschaft steht. Nicht das Kreuz an einer Schulwand ist daher zu kritisieren, sondern die Kritik gilt jenen, die den Symbolgehalt des Kreuzes ins Gegenteil verkehren.

Das Kreuz im multireligiösen Kontext der Schule

Ein zweites Argument der Kreuzgegner lautet, dass dieses Symbol nicht mehr kompatibel sei mit der multireligiösen Situation in den Klassenzimmern. Muslime oder Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften könne das Kreuz nicht zugemutet werden. Ihnen würde, wie es ein HAK-Lehrer aus Salzburg in einem Leserbrief formulierte, „das Kreuz aufs Auge gedrückt“[5].

Generell – mit Ausnahme fundamentalistischer Kreise – haben Muslime jedoch kein Problem mit dem Zeichen des Kreuzes. Jesus, an den es erinnert, gilt im Islam als bedeutsamer Prophet. Juden und Jüdinnen wiederum sehen in ihm einen gläubigen Juden, der wie andere herausragende jüdische Personen aus dieser Zeit von den römischen Behörden ans Kreuz gebracht worden ist. Hindus oder Buddhisten und Buddhistinnen anerkennen seine Weisheit und Spiritualität. Kreuz steht längst nicht mehr für Kreuzzug, sondern für Versöhnung und den Dialog der Religionen.

Es wäre schön, wenn in einigen Schulklassen, die einen multireligiösen Charakter aufweisen, neben das Kreuz auch der Halbmond des Islam, das Zülfikar der alevitischen Gemeinschaft, das Om des Hinduismus oder das Dharma Chakra des Buddhismus gehängte würde. Religiöse Symbole, so würde deutlich gemacht, vertragen sich gut mit- und nebeneinander.

Kreuz oder Kruzifix

Die Frage stellt sich weiters, welches Kreuz in den Schulklassen Verwendung findet. Tatsächlich ist ein Kruzifix, also ein Kreuz mit einem leidend-gequälten Korpus, für Klassenzimmer wenig geeignet. Ein schlichtes Holzkreuz erfüllt besser die Symbolik – weil sie in sich bereits die Überwindung des Kreuzes trägt. An unserer Schule haben wir beispielsweise bunte Kreuze, die von einer Kooperative in El-Salvador hergestellt werden. In ihnen wird nicht nur das Leid der Menschen auf dieser Welt – insbesondere in den Ländern der Dritten Welt – angedeutet, mehr noch aber die Freude, dass Auferstehung immer schon geschehen kann.

Religion in der Schule

Die Diskussion um die Entfernung von Schulkreuzen ist teilweise eine Stellvertreterdiskussion. Im Hintergrund wollen manche auch den Religionsunterricht abschaffen. Er solle durch einen Ethikunterricht ersetzt werden. Religion sei Privatsache und habe in den Schulen keinen Platz. Kämpferische Atheisten behaupten, die Religionen würden durch ihre Präsenz an den Schulen – sei es in Form von Schulkreuzen oder einem Religionsunterricht – die Schüler und Schülerinnen für ihre Ideologien missbrauchen.

Religion ist jedoch nie nur „Privatsache“. Werte sind in allen Kulturen verbunden mit Religionen. Wer daher Werte vermitteln will, wie es im Bildungsauftrag der Schule klargelegt ist, kommt um eine aufgeklärte religiöse Bildung und Erziehung nicht herum, was nicht heißt, dass es nicht auch eine von den Religionen unabhängige Wertevermittlung und ethische Bildung gibt. Religionen an den Schulen tragen wesentlich zur Charakter- und Herzensbildung bei, schärfen das politische Gespür, fordern zu einem Nachdenken über den Sinn des Lebens heraus. Religionsfreiheit bedeutet eben nicht ein kämpferisches Freisein von Religion, sondern die Freiheit, Religion lernen und erfahren zu können, auch im Kontext von Schule und Unterricht.

Klaus Heidegger, 5.11.2016

Der Autor ist Lehrer am Privat. ORG Volders St. Karl und Vertreter der Berufsgemeinschaft der AHS-LehrerInnen für R.k. Religion in der Diözese Innsbruck

[1] Vgl. Kurier, 28.10.2016.

[2] Vgl. http://www.unsertirol24.com/2016/10/30/tiroler-schueler-wehren-sich-kreuz-bleibt/, abgerufen am 5.11.2016.

[3] Ebd.

[4] Religionsunterrichtsgesetz: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung, abgerufen am 5.11.2016. § 2b. (1) In den unter § 1 Abs. 1 fallenden Schulen, an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, ist in allen Klassenräumen vom Schulerhalter ein Kreuz anzubringen.

(2) Die Bestimmung des Abs. 1 gilt hinsichtlich jener Schularten, bezüglich deren Erhaltung dem Bund die Grundsatzgesetzgebung und den Ländern die Ausführungsgesetzgebung zukommt, als Grundsatzbestimmung.

(3) Hinsichtlich jener Schulen, bezüglich deren Erhaltung die Gesetzgebung ausschließlich den Ländern zukommt, bleibt die Regelung der im Abs. 1 behandelten Frage der Landesgesetzgebung vorbehalten.

 

[5] Salzburger Nachrichten, 5.11.2016.

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