4. Die Humanitäre Umkehrbotschaft : Du, ein Gutmensch!

gutmensch-3Zu Weihnachten wird die Werdung des  Menschen gefeiert. In der Geburt des Jesus von Nazareth, geboren von Mirjam, liebevoll und stark behütet von Josef, verdichtet sich die menschliche Ursehnsucht nach dem vollen Menschsein und der Achtung der Menschenwürde. Weihnachten ist die  Antithese zur Behauptung, Religion sei eine Vertröstung des Menschen auf eine bessere Zukunft im Jenseits. Wenn – wie es im zentralen christlichen Glaubensbekenntnis heißt – bei der Geburt Jesu Gott „Fleisch“ wird, dann bedeutet es heute: Im Menschlichen können wir Göttliches wahrnehmen, ohne dass es selbst schon ganz Gott wäre. Die Trennung Gott-Mensch wird im Geheimnis von Weihnachten in einer neuen Sphäre aufgehoben. So wie der Mensch Jesus von Nazareth lebte und wirkte, so verkörpert sich Göttliches. In seinem Leben realisiert sich das wahre Menschsein. Es gilt aber auch die Umkehrung: Dort, wo die Würde des Menschen verletzt wird, geschieht eine Negation des Göttlichen. Inkarnation heißt, Gott wird leibhaftig und manifestiert sich im Menschlichen des Menschen, ohne darin aber aufzugehen.

An unserer Schule, dem PORG Volders, wollen in der Adventzeit auf Glasscheiben gesprühte Schriftzüge „DU! Ein Gutmensch“  zum Nachdenken anregen. Bewusst  wurde das Unwort des Jahres 2015 gewählt. Die Jury von Sprachwissenschaftlern hatte es vor einem Jahr zu einem Unwort erklärt, weil es in der Art und Weise, wie es von rechtspopulistischen Kräften verwendet worden ist, gegen die Menschenwürde oder Prinzipien der Demokratie verstoße und weil so  einzelne Gesellschaftsgruppen diskriminiert würden. Auch in Österreich wurden Menschen, die sich beispielsweise für eine Willkommenskultur engagierten und Flüchtlinge unterstützten, als „Gutmenschen“ diffamiert. Gutmenschentum wurde mit Naivität, Weltfremdheit und Dummheit in Verbindung gebracht.

Die katholische Kirche in Köln hat im Advent die Aktion #gutmensch durchgeführt. Kardinal Woelke selbst sah man mit einer Spraydose das Wort „Gutmensch“ auf das Pflaster vor einer Kirche sprühen. Diese Aktion wurde am PORG in Volders fortgesetzt. Neben dem aufgesprühten Schriftzug wurde folgende Erklärung angebracht: „…Doch tatsächlich vereinen  Gutmenschen in Wahrheit viele positive Eigenschaften: Ihnen ist nicht egal, wie es den Nächsten geht. Sie begegnen ihnen mit Solidarität, sogar mit Liebe. Sie fühlen mit ihnen, anstatt sich nur mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen  zu beschäftigen. Gutmenschen respektieren den Standpunkt der Anderen und ihre Eigenheiten, ohne dabei die eigenen Überzeugungen aufzugeben. Dabei ist es ihnen wichtig, das Gemeinwohl im Blick zu behalten – und das nicht nur national, sondern global. Wenn Gutmenschen handeln, dann handeln sie immer auf Grundlage dieser Überzeugungen. Sie setzen sich aktiv für diejenigen ein, die ihre Hilfe brauchen, wer auch immer sie sind und woher auch immer sie kommen. Genau deshalb brauchen wir den Mut zu sagen: `Ja klar bin ich gut, Mensch!‘. Selbstverständlich ist das nicht immer einfach und natürlich macht jeder Fehler. Auch das gehört zum Menschsein. Aber es zählt der Versuch. Unsere Gesellschaft braucht Gutmenschen, denn sie sind es, die die Gesellschaft zusammenhalten. Deshalb: Zusammen gut.“

Die Schlagzeilen in den Tageszeitungen zum 4. Adventsonntagswochenende stehen in krassem Widerspruch zur Botschaft der Menschwerdung, die das Zentrum des christlichen Weihnachtsfestes ist. „In Aleppo ist die Menschlichkeit gestorben“ – so die Überschrift des Leitartikels in den Salzburger Nachrichten. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen spricht von einem „kompletten Kollaps der Menschlichkeit“ in Aleppo. Das Menschliche wird mit Füßen getreten. Die Art und Weise der Kriegsführung, der Einsatz von Brandbomben, die Luftanschläge auf Krankenhäuser, Moscheen und Trinkwasseranlagen, die Massaker an der Zivilbevölkerung können an Unmenschlichkeit kaum übertroffen werden.

Das Weihnachtsfest erinnert uns an die Verletzlichkeit des Menschen. Gott wird Mensch in der äußersten Verwundbarkeit eines Kindes. Es ist ein verwundbarer Gott. Wo Wunden sind, wo Menschen in Not geraten, wo Verletzungen sind und Menschen Heilung brauchen, dort braucht es die Gutmenschen, die helfen, heilen und sich engagieren.

Klaus Heidegger, zum 4. Adventsonntag 2016