Sind die Vereinigten Staaten von Amerika eine Demokratie?

So eine Frage könnten wir uns hier in Europa in diesen Tagen stellen. Da wird ein narzisstischer Immobilien-Mogul trotz seiner frauenfeindlichen, islamophoben und politisch merkwürdigen Gedanken zum Präsidenten gewählt, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung für die Gegenkandidatin gestimmt hatte. Unabhängig von diesem zweifelhaften Wahlergebnis gebiert er sich nun so, als könne er rücksichtslos gegen den erklärten Wählerwillen der größeren Hälfte der Bevölkerung und der Demokraten seine Politik mit eiserner Faust durchsetzen. Er sitzt selbstherrlich am Schreibtisch im Oval Office und unterzeichnet mit Dekreten und präsidialen Erlässen, dass Milliarden Dollar für den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko aufgewendet werden sollen und dass das Freihandelsabkommen NAFTA gekündigt wird. Er stoppt die Gesundheitspolitik seines Vorgängers und pfeift auf Strategien, um den Klimawandel zu begrenzen – weil es diesen in seiner Vorstellung gar nicht gäbe. Von heute auf morgen bestimmt er einen menschenrechtswidrigen Einreisestopp für Personen aus bestimmten islamisch-geprägten Staaten.

 

Die Machtfülle des US-amerikanischen Präsidenten scheint in der Nummer 45 unermesslich zu sein. Dass es gewählte Mandatarinnen und Mandatare im Kongress gibt, dass es Gesetze gibt, die auch für einen Präsidenten Gültigkeit haben und nicht von ihm autokratisch beschlossen werden können, scheint für ihn nicht zu gelten. Putin, Orbán, Erdogan, Duterte oder Trump – sie gleichen sich in ihrer Kaltschnäuzigkeit und Grobschlächtigkeit, mit der sie ihre Regentschaft verstehen. Menschenrechte werden dabei ignoriert. Duterte kündigte an, „Kriminelle“ hinrichten zu lassen und sie „in der Bucht von Manila zu versenken“, Trump will mit „Feuer“ gegen terroristische Aktivitäten vorgehen und zeigt Verständnis für Foltermethoden wie „waterboarding“.

 

Hoffnung geben noch die anderen Kräfte in Amerika, die in diesen Tagen stärker werden. Das demonstrieren die Protestaktionen in amerikanischen Flughäfen. Anti-Trump-Märsche und -Veranstaltungen sowie ein lauter Protest der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den USA zeigen das demokratische und menschenfreundliche Gesicht Amerikas. Sie lassen daran glauben: Love trumps hate.

 

Die Antwort für uns in Europa und in Österreich wird lauten: Stärken wir jene demokratischen Errungenschaften, die ein selbstherrliches, diktatorisch-anmutendes Verhalten eines Staatsführers verhindern können. Österreich konnte noch einmal verhindern, dass ein Mann zum Bundespräsidenten gewählt wurde, der uns das „Wundern“ lehren wollte. Doch wird auch hierzulande die exekutive Gewalt gegenüber der legislativen, die Regierung gegenüber dem Parlament, weit überbewertet. Das Recht muss immer vom Volk ausgehen. Die vom Volk gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten sind die primären politischen Akteure, um grundlegende politische Entscheidungen zu treffen. Die Regierung und ihre Ministerien wiederum sind beauftragt, die Politik in diesem Sinne zu gestalten. Dazu braucht es mündige Bürgerinnen und Bürger, die sich für Politik und Wirtschaft interessieren, die bereit sind mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen und ihr Leben schon heute so zu gestalten, dass es nicht auf Ausbeutung und Zerstörung beruht.

 

Klaus Heidegger, 30.1.2017