Christkönigssonntag und der königliche Leithammel

In diesen Zeiten von mächtigen Männern und Burschen in Politik und Wirtschaft und an den Schalthebeln politischer, ökonomischer und kultureller Macht, in diesen Zeiten tut es gut, wenn wir am Ende eines Kirchenjahres auf einen anderen Mann blicken, der seine Herrschaft so ganz anders gestaltet hat: Auf einen König ohne Sebstdarstellung, ohne Machtallüren, ohne narzisstisches Stargehabe. Das messianische Königtum Jesu ist keine Herrschaft, die mit Gewalt daherkommt. Der Christkönig steht für aktive Gewaltfreiheit bis zum Kreuz. Der Christkönig ist kein Despot, der andere unterdrückt, um selbst groß sein zu können. Kein Regimekritiker muss in der Herrschaft Christi fürchten, inhaftiert, gefoltert oder umgebracht zu werden. Der Christkönig ist kein Autokrat, der rücksichtslos seine Interessen durchsetzt. Der Christkönig ist kein Narzisst, der auf der Welle des Populismus daherschwimmt. Christus, der König, ist so ganz anders und stellt damit die heutigen Großmänner radikal infrage. Infrage gestellt werden aber auch jene, die sich nicht dem Christkönig, sondern den Großmännern verschrieben haben und diese mit ihrem Wahlverhalten in die Macht hievten und mit ihrem Lebensstil unterstützen.

Am Ende des Kirchenjahres, wenn wir das Christkönigsfest feiern, werden wir getröstet, dass das Ende der Welt nicht die finale Klimakatastrophe, nicht der atomare Supergau, nicht der Dritte Weltkrieg und nicht ein Orwellsches 1984 sein wird. Das neue Reich ist auch nicht ein fiktives Reich, das Fundamentalisten jeder Religion in eine jenseitige Wirklichkeit projizieren. Eine solche Vorstellung wäre gefährliche Vertröstung, die die bestehende Herrschaft stabilisiert. Die Gegenbotschaft am Christkönigssonntag ist so ganz anders: Mit Blick auf Christus lässt sich diese Welt retten: Die Menschenrechte gelten für alle Menschen – insbesondere aber für jene, die in Notlagen sind. Die Waffenarsenale lassen sich abbauen. Die ökonomischen Schieflagen lassen sich begradigen. Der Klimawandel lässt sich einbremsen. Weil: Christus ist König.

Wie freilich kommt nun dieser König? Es ist zweifellos eine Frage mit politischem Anspruch, die auch so lauten könnte: Wie kommen Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung mit der Schöpfung? Christus, der König, kommt nicht in eine heile Welt, sondern in eine Welt voller Gebrochenheiten, Zerstörungen und Kriege. Er kommt nicht mit Gewalt, sondern absolut gewaltfrei. Christus, der König, kommt heute in Gestalt von Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge im Mittelmeer retten. Christus als König wird konkret greifbar in entwicklungspolitischen Organisationen, die sich nachhaltig gegen den Hunger durch Entwicklung eigener Ressourcen einsetzen. Christuskönig ist eine Frau, die für die Caritas-Sammlung von Haus zu Haus geht, weil es ihr eben nicht egal ist, dass es Arme in diesem Land gibt. Christus ist zu Gast bei der Armutskonferenz, für die die Abschaffung der Notstandshilfe und die Kürzung der Mindestsicherung ein Skandal ist. Christus schläft bei den Obdachlosen und gibt ihnen noch Hoffnung in einer Stadt, wo längst um die Adventmärkte Bettelverbote erlassen wurden. Christuskönig wird lebendig, konkret und hier und heute, überall dort, wo im Kleinen wie im Großen am Reich Gottes gebaut wird. Da zählt jeder kleine Handgriff und jeder kleine Schritt.

Christus ist für uns Christinnen und Christen ein königlicher Leithammel. Damit wäre es eindeutig, was christliche Leitkultur ausmachen würde. Der Wertekanon ist nicht beliebig: Da wird nicht mehr gestohlen. Weltweit werden heute 50 Prozent der Flächen in den Entwicklungsländern für Futtermittel und damit für den hohen Fleischkonsum angebaut. Da wird nicht mehr für Kriege gerüstet und produziert. Pesco und damit die militärische Aufrüstung in den EU-Ländern sind ein Widerspruch zum Christkönigssonntag. Da wird nicht mehr dem Konsum gefrönt. Black-Friday-Hysterie ist ein Widerspruch zum Christkönigssonntag, obwohl beides fast gleichzeitig stattfindet. Wer dem Leithammel Christus folgt, legt einen anderen Lifestyle an die Tagesordnung, der sich nicht an die herrschende Kultur anpasst und sich auch in einem entsprechenden Konsum- und Mobilitätsverhalten zeigt, das ressourcen- und energieschonend ist.

Klaus Heidegger, Christkönigssonntag 2018