Homosexualität aus der Perspektive der biblischen Schriften

Eros und Sexualität dienen den Menschen, um so Liebe und Partnerschaft erfahren zu können. Sie sind gut, wenn sie mit Liebe und Partnerschaft verknüpft werden, sie werden missbraucht, wenn sie egoistischer Triebbefriedigung dienen. Das ist auch der rote Faden, den wir in den biblischen Schriften aufgreifen können, beginnend mit der Schöpfungsgeschichte im 1. Buch Mose (Genesis), wo es gleich zu Beginn über die Erschaffung von Adam und Eva heißt: „Und Gott sah, dass es sehr gut war!“

Es gibt in der Bibel nur wenige Stellen, die sich explizit zum Thema der Homosexualität äußern. Dort geht es um homosexuelle Handlungen von Männern, die nicht auf der Basis von Liebe sind, sondern beispielsweise mit Lustknaben und Prostitution zu tun haben. Die Frage lesbischer Beziehungen wird an keiner Stelle ausdrücklich thematisiert. Zugleich aber – und dafür steht beispielsweise die Beziehung zwischen David und Jonatan – werden gleichgeschlechtlich Liebende nicht verurteilt. Die Behauptung, in der Bibel würde Homosexualität generell verurteilt, ist damit auch mit Bezug auf das Erste Testament nicht haltbar. In den Schriften des Neuen Testaments finden wir lediglich in den Briefen des Apostels Paulus spärliche Hinweise zur Homosexualität, während in den Evangelien dies kein Thema ist. Auch in den paulinischen Texten geht es aber entweder um sexuelle Ausbeutung und Entartungen mit Lustknaben – heute würden wir von Pädophilie sprechen – oder um kulturell bedingte Reinheitssituationen. Das Vorzeichen der paulinischen Schriften lautet in dieser Frage aber wohl: „Der Leib ist ein Tempel Gottes!“ Dies heißt auch: Im Eros und der menschlichen Sexualität können sich göttliche Qualitäten manifestieren. Die spärlichen biblischen Aussagen über Homosexualität bei Männern dürfen jedenfalls nicht wortwörtlich gedeutet werden. Eine historisch-kritische Exegese ist notwendig. Wo also von Homosexualität in der Bibel die Rede ist, geht es nicht um Liebesbeziehungen, sondern um das Thema kultureller Reinheit oder um die Frage von Tempelprostitution in nicht-jüdischen Kulturkreisen. Würde beispielsweise die Bibel wortwörtlich genommen werden, so müsste ja mit Bezug auf eine Stelle im Buch Leviticus 20,13 („Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen. Beide werden mit dem Tod bestraft.“) für Homosexuelle die Todesstrafe vollzogen werden. Zur Zeit der Abfassung solcher Passagen gab es kein medizinisch-psychologisches Wissen über das Faktum natürlicher sexueller Veranlagungen. Dies trifft auch auf eine jahrhundertelange Interpretation solcher Stellen zu. Heute wüsste man es besser, dass Homosexualität Bestandteil der menschlichen Natur ist – also letztlich in der Sprache der Kirchen und der Bibel – ein Bestandteil der göttlichen Schöpfungsordnung und weder Modeerscheinung noch Frage der Erziehung ist.

Klaus Heidegger, 9.12.2018

Kommentare

  1. Lieber Klaus,

    verzeih, wenn ich Dich so „vertraut“ anrede. Ich bin per Zufall heute auf Deine Seite gestoßen und lese,lese lese….Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wie Du „ins Volle“ greifst und fundiert und ich verständlicher (kirchlicher)Sprache Deine Gedanken umsetzst! DANK dafür! Du bist ein „Brunnen“ und hast ein ungeheueres Talent mitbekommen! Danke, dass Du das so einbringst! Lieben Gruß und eine gesegnete Adventzeit! Roland, Pfarrer

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