„Haltet die Diebe, nicht die Bestohlenen!“ Zur Erwachsenenkritik an den Schulstreiks für das Klima

Üble Nachrede

In sozialen Netzwerken wurden nach den Weltklimastreik-Aktivitäten Fotos verbreitet, die den Jugendlichen ein schlechtes Umweltverhalten attestieren wollen. Eines dieser Fotos zeigt eine übervolle öffentliche Mülltonne. Rundherum stehen Pappschilder, die zuvor bei einer Friday-for-Future-Demo im Einsatz waren, nun aber viel zu groß sind, um in den kleinen Schlund der Tonne zu passen. Der Kommentar der Posterin dazu: „Schule schwänzen für den Klimawandel, aber dann zu faul sein den Müll anständig zu entsorgen.🤦🏼‍♀️“ (Beistrichfehler übernommen!) Bereitwillig wurde dieses Foto aufgegriffen und in andere Zusammenhänge gestellt. Man wollte auch die Demos in Innsbruck damit madig machen, obwohl das Bild von einer früheren Kundgebung aus Chemnitz stammt. Es stimmt, diese übrigen Pappkartons, die nicht mehr in die vollen Tonnen passten, wurden sichtbar, doch sind es keine Aludosen, die Erwachsene irgendwo abfallkonform recycelt haben. Jede einzelne von Erwachsenen produzierte und verkaufte Aludose oder PET-Flasche hat aber einen x-fach größeren Umweltverbrauch als eine Menge solcher Pappschilder. Fällt den Kritikerinnen und Kritikern eigentlich auf, dass junge Menschen bewusst Pappkartons für ihre Sprüche upcyclen?

Erwachsene vergiften und zerstören

Wer sind diejenigen, die es verursachen und zulassen, dass täglich 40.000 Tonnen Öl verbrannt werden? Nicht die Schülerinnen und Schüler verstopfen unsere Straßen mit Autos. Nicht die Jugend sitzt in den Konzernetagen und an den Schalthebeln der Macht. Keiner von den jungen Menschen, die an Fridays-for-Future-Aktionen teilgenommen haben, hat die Aber-Tonnen von CO-2 in die Luft befördert. Man schielt gereizt auf nicht ordnungsgemäß entsorgte Schilder und übersieht das, was das Klima tatsächlich kaputt macht. Die jungen Menschen machen sichtbar, was unsichtbar ist und doch so bedrohlich. Pappkartons gehören selbstverständlich in die dafür vorgesehenen Behälter, wenn sie nicht mehr verwendungsfähig sind. Sie sind aber nicht das Hauptproblem für die Zerstörung der Welt.

Verzicht verlangen, selbst aber nicht verwirklichen

Man wirft den streikenden Jugendlichen vor, sie würden quasi in Saus-und-Braus leben, sie würden sich mit Autos in die Schulen chauffieren lassen, sie würden in der Welt herumfliegen – selbst also die Umwelt zerstören. Nur wer verzichtet, sei glaubhaft mit seiner oder ihrer Kritik.

Ich bezweifle, dass all die selbsternannten Kritikerinnen und Kritiker selbst so leben, wie sie es von den Jugendlichen verlangen und wie ich viele in meinem Schulalltag erlebe. Ich kenne das Bemühen von einigen Schulstreikenden und weiß um ihre Versuche nach einem ökologisch-korrekten Lebensstil, auch wenn dies in der Welt, die von Erwachsenen gemacht wird, nicht einfach ist. Vor allem aber ist der Anlass der Friday-For-Future-Geschichte nicht verstanden worden, wenn man nun junge Menschen für die Erderhitzung verantwortlich machen möchte. Von Beginn an hat Greta Thunberg zurecht ihren Protest vor dem Parlament begonnen. Die Schulstreiks richten sich zunächst an die Politik – dort, wo die Klimabeschlüsse von Paris umgesetzt werden müssten, dort, wo Maßnahmen beschlossen und durchgesetzt werden müssten.

Wie wenig aber die regierenden Politikerinnen und Politiker bereit sind, tatsächlich etwas gegen den radikalen Klimawandel zu unternehmen, zeigt sich täglich neu. Kurz nach den Schulstreiks wird für die dritte Lande- und Startbahn am Flughafen Wien-Schwechat grünes Licht gegeben. Eine ökologische Steuerreform ist für die Regierenden genauso wenig ein Thema wie Maßnahmen für eine Verkehrspolitik, in der Autofahrer nicht länger gehätschelt werden. Die Asfinag lässt für 1,2 Milliarden Euro die Autobahnen ausbauen und plant drei neue Tempo-140-Strecken.

Müllsammelaktionen und Politikprotest

Die Treibhausgase sind nicht sichtbar, zerstören aber wesentlich mehr das Klima als ein paar Pappkartons, die da herumliegen. Daher macht es auch nicht Sinn, wenn nun gesagt und geschrieben wird: Die Schülerinnen und Schüler sollten sich an Umweltinitiativen wie Müllsammelaktionen beteiligen. Diese sind sicherlich notwendig und es ist schön, wenn junge Menschen den Dreck beseitigen, den viele Erwachsene hinterlassen. Jedes Jahr beteiligen wir uns als Schule an den „Saubär“-Aktionen und sammeln säckeweise Müll ein, der unachtsam im Laufe eines Jahres entlang der Straßen in die Wiesen und den Wald geworfen wurde. Täglich neu bemühen wir uns im Schulalltag als ÖKOLOG- und Umweltzeichenschule um ein umweltgerechtes Verhalten. Dieses individualethische Verhalten kann nicht ausgespielt werden gegen ein politisches Handeln, wie es durch die Schulstreiks so deutlich zum Ausdruck kommt.

Diffamierungen

Nun erleben auch die Schülerinnen und Schüler, die an den Aktionen teilgenommen haben, dass politisches Handeln auch den Widerspruch herausfordert, der oftmals auf einer sehr emotional verletzenden und unsachlichen Ebene angesiedelt ist. Greta Thunberg wird vorgeworfen, sie sei „indoktriniert“ worden – so ein Jurist aus Innsbruck. Die Schülerinnen und Schüler werden pauschal als „Schulschwänzer“ bezeichnet. Es ginge ihnen ja nur darum, nicht im Unterricht zu sitzen.

Die Diebe sind wohl diejenigen, die die Lebensgrundlagen der jungen Menschen heute zerstören oder die Zerstörung nicht stoppen wollen, obwohl sie die ökonomisch-politische Macht dazu hätten. Die Betroffenen sind die jungen Menschen, wenn sie in einer Zukunft leben müssten, in der aufgrund der steigenden Erderhitzung sich Umweltkatastrophen, Hunger, Elend und Kriege ausbreiten würden und ein großer Teil der Tier- und Pflanzenarten ausgestorben wäre. Daher ist es gut, wenn die jungen Menschen aufstehen und aufbegehren und wenn Erwachsene mit Dank und ohne Heuchelei auf ihrer Seite stehen.

Klaus Heidegger, 19.3.2019

Kommentare

  1. Alles Panikmache, wie oft hat man uns schon den Weltuntergang vorausgesagt…und ? die Welt dreht sich immer noch..in den letzten 1000den Jahren gab es regelmäßig einen Wandel des Klimas, und die Welt dreht sich immer noch.Und dazumal, als diese Klimaveränderungen stattgefunden haben gab es kein Auto, kein Flügzeug, kein Kohlekraftwerk usw. usw. Das Weltklima wird sich so oder so ( wenn überhaupt) verändern, selbst wenn wir morgen alle unsere Autos stehen lassen, alle Kohlekraftwerke abstellen usw. usw. Da gibt es doch glatt Träumer, die wünschen sich die Steinzeit zurück.

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