Religiös-politisches Awakeningfeeling im Vorwahlkampf

Zu den quasi-religiösen Aussagen und Stilisierungen kommt nun in den Vorwahlkampf von Sebastian Kurz ein passender Auftritt bei einem Gebetstreffen von „Awakening Austria“. Vor den rund 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern segnete der evangelikale Prediger Ben Fitzgerald den frühwahlkämpfenden ÖVP-Obmann mit den Worten: „Vater, wir danken dir so sehr. Für die Weisheit, die du ihm gegeben hast. Für das Herz. das du ihm gegeben hast für dein Volk“. Inbrünstig betend meinte Fitzgerald weiters: Die Aufrichtigkeit von Kurz richte die Nation auf, und man bete dafür, dass ihm „gerechte Führung“ zuteil werde. Gänsehautfeeling kommt auf, als die Tausenden dann im Saal ihre Hände zum Segen erheben, der über Sebastian Kurz gesprochen wird. Assoziationen zur Art und Weise von republikanischen Wahlkampfauftritten von Donald Trump entstehen. Wird einmal mehr Religion benützt, um sich selbst in der Pose als heilbringender Erlöser anzupreisen? Welche Form von Religion und Glaube wird hier zelebriert? Was ich vor einer Woche über das erste (Vor-)Wahlkampfplakat von Kurz und die religiöse Hintergründigkeit geschrieben habe, scheint sich einmal mehr zu bewahrheiten. Es ist gut, wenn Christinnen und Christen sich an Jesus orientieren. Mag auch sein, dass Sebastian Kurz und die VP-Nationalrätin Gudrun Kugler sich der Kraft des Gebetes beim Awakening-Großevent nicht entziehen können. Das könnte den Blick auf die 100.000 Kinder und Jugendlichen in Österreich schärfen, die durch die Sozialpolitik unter Altbundeskanzler Kurz an die Armutsgrenze geführt worden sind. Ja, Religion ist politisch, jedoch würde sie die Lage der Flüchtlinge benennen, die seit Tagen in der Flüchtlingsunterkunft am Bürglkopf bei Fieberbrunn im Hungerstreik sind. Vielleicht hat die ins Awakening-Festival eingebundene VP-Menschenrechtssprecherin dies auch gespürt. Ja, Religion ist politisch im Sinne der Öko-Enzyklika Laudato Si. Das würde bedeuten, in den Lobpreis Gottes die Forderungen der Friday for Future-Bewegung zu verstricken. So manche Artikulation von Awakening gerät jedoch gefährlich nahe an einen christlich-politischen Fundamentalismus. Wo bleibt eine interreligiöse Sensibilität, wenn immer wieder betont wird, dass Christinnen und Christen dieses Europa zurückerobern sollen?

Die Tendenz der Awakening-Events geht in Richtung „Heilsexklusivismus“, so Johann Prock in einem Artikel von feinschwarz. Im Missionsverständnis der Veranstalter geht es darum, die „Verlorenen“ für Jesus zu gewinnen. Der Umgang mit der Bibel ist fundamentalistisch geprägt. Eine historisch-kritische Exegese hat hier keinen Platz. Warum, so muss gefragt werden, wird auch Kardinal Christoph Schönborn sehr prominent als Zelebrant bei diesem Awakening-Event in Position gebracht? Und noch eine Frage muss gestellt werden: Woher kommt das Geld für diese Veranstaltung, bei der keine Kosten gescheut werden?

Klaus Heidegger

Kommentare

  1. Genau mein Ansatz zu Religion und hier Christentum im Besonderen.
    Ich kann auch gut verstehen, dass Kardinal Schönborn immer schon ein besonders inniges Verhältnis zu Missionierung und Erneuerung des Glaubens hat.
    Nicht verstehen kann ich aber, dass es gerade ein Dominikaner ist, der diese für mich beinahe ausschließlich evangelikale, sektiererische, alleinseligmachende Veranstaltung durch sein Dabeisein aufwertet…
    Und noch dazu sehr parteipolitisch aufwertet, wenn ich der Rede von Kurz Glauben schenken darf, in der er betont, gerade vom Kardinal gesegnet worden zu sein (wogegen grundsätzlich nichts spricht – nur: in dieser Öffentlichkeit ist es, zumindest, unklug).

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