Mit Öffis in die Bergwelt zwischen der Wildschönau und Alpbach

Bergtouren mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind ein wichtiges Zeichen für eine Welt, die ernst macht mit postfossilem Lebensstil und Klimaschutz. So startet die Tour am Innsbrucker Bahnhof, wo ich das Rad abstellte. Beim Warten auf den Bus in die Wildschönau am Bahnhof in Wörgl bleibt Zeit, um die Steintafeln zu entziffern, die am Bahnhofsplatz an das weltberühmte Wörgler Freigeldexperiment erinnern. Nur wenige Menschen benützen den Bus. Auf der Straße hinein in die Wildschönau ist zugleich reger Autoverkehr. Die Berge über dem Hochtal sind sanft und grün. Die geplante Wanderroute beginnt in Auffach bei der Talstation der Schatzbergbahn. Das Gras auf den Skipisten ist schon schnittreif hoch geworden. Noch einige Tage wird es dauern, bis der Sommerbetrieb beginnen wird. Heute ist es dafür sehr ruhig. Nur die Vögel zwitschern, ein Kuckuck zwischendrin. Ein Rinnsal plätschert. Man könnte sogar hören, wie sich die Grashalme und Frühlingsblumen im Wind bewegen. Die Eingriffe in die Natur durch den Skizirkus halten sich in Grenzen. Auf dem Weg hinauf zur Bergstation blühen bereits Alpenrosen. Schatzberg ist der erste „Gipfel“ und der einzige mit einem mächtigen Kreuz. Es geht vorbei an einem kleinen Moorsee mit Tausenden Kaulquappen und Wasserläufern, immer am breiten Rücken entlang, über Almwiesen und Moorlandschaften, auf der westlichen Seite ist das Alpbachtal mit seinen hinteren Seitentälern, vorbei an einem Speichersee und schließlich hinauf zur Joelspitze (1964 m), wo auf einem großen Steinpodest eine Marienstatue steht. So sanft wie es begonnen hat, so sanft und weich geht es weiter, hinunter und hinauf zur nächsten Erhebung mit dem schrägen Namen „Saupanzen“. Statt eines Kreuzes steht hier eine Windstation für den Lawinenwarndienst von Tirol. Das Wetter hält, was versprochen wurde. Der Nebel hat sich wieder verzogen. Im Westen sind die etwas höheren und schrofferen Gipfel, die ich auf meine innere To-Do-Liste setze. Über Almwiesen, Waldsteige und schließlich die Forststraße geht es hinaus nach Inneralpbach. 1400 Höhenmeter auf drei Gipfel verteilt und 20 Kilometer sind zusammengekommen. Das Warten auf den Bus ist wie eine Entschleunigung, genauso wie dann das Warten auf den Zug im Bahnhof von Brixlegg. Es ist wie geschenkte Zeit, weil sie mein eigenes Treiben heilend unterbricht – so wie das Unterwegssein in den Bergen überhaupt hilft, den Tiefen zu trotzen.

Klaus Heidegger, 27.5.2022