Rennradrund um das Kaisergebirge

Sabbatical-Zeit. Aufwachen ohne äußere Verpflichtung. Mit VVT-Ticket und Radmonatskarte, in typischem Herbstwetter mit Morgennebelfeldern und milchig-weißem Novembersonnenlicht. Nochmals die Rennradreifen auf 6 bar aufpumpen, nochmals bevor im Winter die Luft in den Tälern blau-gräulich vom Smog sein wird, nochmals bevor das Salz auf den Straßen das Rad und der Staub vom zermahlten Splitt die Lunge angreifen würde. Einen späteren Zug nehmen, um Schüler*innen und Pendler*innen auf ihrem Weg in die Schulen oder Arbeitsstätten nicht im Wege zu sein. Einfach eine Runde wählen in einem Teil Tirols, der mir weniger vertraut ist, weil dafür in Arbeits- und Kinderzeit keine Zeit war. Das besondere Datum 11-11-22 wäre geeignet für Wesentlicheres als Rennradfahren, für bedeutsamste Worte eingebettet in Umarmung.

Kufstein. Mächtig thront die mittelalterliche Festung über meinem Ausgangspunkt. In der Altstadt ist geschäftiges Treiben. Ruhig fließt der aufgestaute Inn entlang vom Radweg Richtung Bayern. Schwäne schwimmen darin. Steil hinauf geht es zu einem kleinen Kirchlein am Buchberg bei Ebbs. St. Nikolaus wurde es geweiht, Patron der Reisenden. „Sie haben die Tour verlassen …“, meint in der Kirche, in der ich verweile, die Navigationsstimme von Komoot, mit der ich die Route etwas plante. Auf schmalen Straßen entlang von Wiesen und Wäldern, durch die die tiefstehende Sonne nicht mehr scheinen kann, geht es zunächst zum Walchsee und dann hügelig weiter bis zur Bundesstraße, die nach St. Johann in Tirol führt. Dort ist es belebter. Immer wieder aber führen Radwege hinaus aus dem Trubel von Orten und vor allem weg von den Straßen, auf denen dann vor allem im Brixental selbst an diesem Tag der Verkehr tobt. Auf manchen Feldern sind schon die Tafeln von Langlaufrouten montiert. Die Sonne hat keine Kraft mehr, um den Tag zu wärmen, kommt nicht mehr über die Baumkronen, um in Wäldern die Straßen zu trocknen. Beeindruckend wie immer bin ich vom stolzen Kaisergebirge. Kurz vor Wörgl sehe ich die blaue Smogglocke über dem Inntal und bin zurück dort, wo der Massenmensch auf Automobilität setzt, so als stünden wir nicht knapp vor dem Kipppunkt in der Weltklimatragödie. 90 Kilometer und 1000 Höhenmeter im Kufsteinerland waren es heute für mich. Ganz ohne CO-2 aber mit dem leise-hellen Klang von Glocken der Schafe und Ziegen, die weideten auf den Wiesen entlang der Strecke, vom Geruch von Kuhfladen, die auf den kleinen Straßen lagen, von kühlem Fahrtwind, der mich frösteln ließ, und von Sonnenstrahlen, die etwas Wärme schenkten.

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