Zu dritt bilden wir ein Dreamteam für die Gipfelbesteigung. Ich schreibe nicht, dass das Wetter traumhaft ist, weil die Hitze, die sich angesichts des menschengemachten Klimawandels bis hinauf in die 3000er-Bergwelt gelegt hat, ist eher albtraumhaft und lässt die Gletscherreste hier nochmals schneller verschwinden und den Permafrost im Inneren abtauen und die Felsen bröckeln. Jedenfalls können wir bereits morgens um halbsieben mit kurzem Shirt und kurzer Hose unterwegs sein. Der Rucksack fühlt sich leicht an, weil wir vieles, das wir für die Tage zuvor mitnahmen, auf der Rüsselsheimer Hütte lassen. Wir wussten bereits, dass der sonst übliche Normalanstieg wegen Steinschlaggefahr nicht mehr begangen wird. Der Westgrat auf den Gipfel bietet sich als sichere Variante an. Zunächst führt ein schmaler Steig eine Flanke entlang bis zu einem Aussichtspunkt, wo der Westgrat beginnt. Die Route folgt in direkter Linie dem Grat. Festes Blockgestein macht das Klettern sicher. Zwei der schwierigeren Stellen sind mit Stahlseilen abgesichert. Unterhalb vom Gipfelaufbau hört die Gratkletterei auf. Nur mehr der Name „Gletscherwanne“ auf den Karten erinnert daran, dass hier noch vor kurzem Gletscherreste waren. Jetzt ist kein Gletscher mehr, ist kein See mehr – viel Geröll, über den es zum Gipfel geht mit einer unglaublich schönen Aussicht an einem strahlenden Tag, der mit Freude und Glück gefüllt wird. Der Blick reicht weit zurück bis in die Bernina und zum Ortler, davor Weißseespitze und Gepatschferner, Fluchtkogel – auf ihm war ich erst vor wenigen Tagen, und dominierend ist die Wildspitze. Wir können uns lange nicht von diesem Rundumblick lösen. Erst beim Absteigen über den Westgrat wird uns bewusst, wie lang er tatsächlich ist. Aber die Blockkletterei macht Freude. Oder ist es etwas anderes, das noch viel tiefer ist, das tief innen als erfüllend erlebt wird? Freundschaft, die beim gemeinsamen Klettern und Aufeinanderschauen ganz besonders erlebt wird.