Stop or go am Längentaler Weißkogel

Föhnige Windböen der vergangenen Nächte und Tage haben den pulvrigen Schnee wie ein Künstler auf den Felswänden verteilt, die nun selbst mit frischem Schnee malerisch überzogen sind. Der Himmel strahlt winterlich tiefblau. Lawinenwarnstufe 3 herrscht. Erst gestern hat es in dieser Gegend einen Lawinenabgang mit Verschütteten gegeben. Wir kennen den Längentaler Weißkogel und werden auf Sicht entscheiden, ob der letzte Steilhang zum Gipfel hinauf heute gefahrlos begangen werden kann. Wir bewegen uns im Längental in einer einzigartigen Farbwelt, die nur aus drei Grundfarben besteht: Das strahlende Weiß des frischen Schnees, zu dem die schwarzen Felswände hinauf zum Kamm des Lüsener Fernerkogels in deutlichem Kontrast sind, und darüber das tiefe Blau des Himmels. Nachdem wir etliche Gruppen – die meisten kamen vom Westfalenhaus – überholt hatten, konnte ich selbst die Spur ziehen. Der Schlusssteilhang wirkte – vor allem auch weil noch keine Spuren drinnen waren – nicht sicher. Mehrmals stocherte ich in die Schneedecke: ein mit Pulver überzogener Deckel und darunter war es hohl. Es hätte nur mehr einer kurzen Querung zum Skidepot bedurft – aber wir entschieden uns dennoch zur Umkehr. Der Höhenmesser zeigt 3196m. Dennoch. Stop – die sichere Variante. Es braucht gar nicht die finale Gipfelspitze, um die Schönheit wahrzunehmen, um dankbar für eine wunderbare Bergwelt zu sein. Bei einem Hang mit gut 35 Grad und bei Triebschnee und Stufe drei und einer Hohlschicht unter dem Harschdeckel heißt es einfach: Stop. Schön wird ohnehin die Abfahrt über die weitläufigen Hänge des Längentaler Gletschers und die schneebedeckten Moränenhügel, die er im Laufe von Jahrhunderten, als es ihn noch mächtig gab, gebildete hatte, und schön ist ein gemeinsames Unterwegssein. Da braucht es gar nicht einen Gipfel, wenn dies mit zu viel Risiko verbunden wäre.

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