
Während in der Stadt an diesem Mitte-November-Wochenende erstmals in dieser Saison wieder sich Tausende in den Christkindlmärkten drängen, finde ich mein Glück in der Stille der Natur. Das Klebrige ist hier oben nicht industrielle Zuckerwatte, sondern das Harz einer Zirbe. Es leuchten nicht die Abertausenden LED-Lämpchen aufdringlich weihnachtlicher Dekos, sondern die Lärchennadeln mit einer Kraft, die aus ihrem Inneren zu kommen scheint. Das kühle Wasser des Bächleins belebt – anders als zuckersüßer Glühwein. Die Luft duftet frisch nach den Schneeresten vergangener Tage. Ich höre nicht schon viele Wochen vor Weihnachten „so this is Christmas“ in den Endlosschleifen, sondern den Föhnwind durch die braunen Grasbüschel wehen. Im Tal unten bleiben die gräulichen Emissionsschleier – Ausscheidungsprodukte des massenhaften Autowahns, mit deren katastrophalen Folgen sich gerade Menschen bei der Weltklimakonferenz im fernen Brasilien beschäftigen. Hier oben auf 2000 Meter, auf dem Rücken zwischen Senderstal und Fotschertal, wage ich es, tief durchzuatmen. Der Himmel über mir ist durchkreuzt von Kondensstreifen der Flugzeuge, in denen Menschen hocken, die in fernen Ländern ihr Glück suchen. Ich finde es ein wenig hier: sanft und nicht aufdringlich, authentisch und nicht gekünstelt, gnadenhaft geschenkt und nicht käuflich, analog und nicht virtuell, himmel-erdverbunden und nicht entfremdet. Exakt vor drei Jahren war ich auch hier, ganz alleine, eingetaucht in stille Einsamkeit, noch im Dunkeln das Licht der aufgehenden Sonne über den Kalkkögeln erwartend. Damals, vor drei Jahren, an diesem Morgen, der so klar war wie die Eisbrocken auf dem schon etwas gefrorenen See, dachte ich an Camus und das Absurde im Leben. Damals schrieb ich dann in meinem Blog an gegen dieses Absurde – weil ich weiß und erfahre, dass sich Absurdität in der Begegnung mit einem Du in Sinn auflöst und sich in Glücksmomente hin verwandelt.