Vom unbeugsamen Mut gegen eine Politik des Bösen

Von notwendender Widerständigkeit

Ein aktueller Blick rund um den Globus zeitigt uns Menschen und Organisationen, die nicht schweigen, wenn Menschenrechte verletzt werden, wenn in Demokratien faschistoide Tendenzen sich breit machen, wenn alte Kriege fortgeführt und neue geplant werden.  In den USA rufen selbst militärnahe demokratische Abgeordnete dazu auf, dass Soldaten Befehle verweigern sollen, wenn diese gegen die Grundsätze der Verfassung und der Menschenrechte stünden. An ein „Aufhängen“ denkt der amerikanische Präsident in seiner narzisstisch-gewalttätigen Art. In Russland sitzen Menschen hinter Gittern, die gegen den Angriffskrieg schreiben, reden und singen. Abertausende Palästinenser werden immer noch als „Geiseln“ in israelischen Gefängnissen gehalten. In der Slowakei sind es vor allem junge Menschen, die damals wie ihre Großväter mit Kreide und Schlüsselbundgerassel gegen den rechtspopulistischen Staatschef auftreten. Die Liste der Repressalien oder gar der Ermordungen von Menschen ist lange, zu lange. Das Überleben der Demokratie, ein Ende der Gewalttaten und die Transformation zu Frieden und Gerechtigkeit hängen stets neu vom mutigen Aufbegehren einzelner Menschen ab, die sich einem Unrecht nicht beugen wollen.

Carl Lampert – ein unverstellter Seliger

Ein Besuch in Vorarlberg bringt mir die Geschichte von Carl Lampert wieder nahe. In seinem Heimatort Göfis auf einer Anhöhe oberhalb von Feldkirch ist in der Pfarrkirche eine Gedenkstätte für ihn errichtet worden. Mit kunstvollen Bildern und einem einfühlsamen Arrangement sowie poetischen Worten wird Lamperts Weg nachgezeichnet. „Un-verstellt“ ist der Titel und selbst dieses eine Wort wird in der Broschüre verstellt, in dem der Begriff in seine zwei Teile „un“ und „verstellt“ so geteilt wird, dass beide Teile horizontal-vertikal zueinander gestellt sind. Die moderne Architektur der Kirche passt zu dieser Wortwerdung. Das Deckengewölbe ist zueinander in verschachtelter Weise gebaut, ist ein Gebilde und zugleich „verstellt“. Aufschluss gibt ein Satz in der Broschüre zur Ausstellung: „Wer sich unverstellt gab, wurde verstellt. In Haft. Ins KZ, abseits des Sagbaren.“ Verstellt wurde Carl Lampert, weil er unverstellt war.

Eckdaten des verstellten Unverstellten

Carl Lampert wurde am 13. November 1944 in Halle/Saale mit dem Fallbeil hingerichtet. Die Jahre davor musste er in Haftanstalten und Konzentrationslagern der Nazis auf dieses Ende hinleben. Die Ablehnung der kirchenfeindlichen Maßnahmen von Gauleiter Hofer und seiner Getreuen war der Hauptgrund, dass Carl Lampert, der damals in Innsbruck als Provikar als Stellvertreter von Bischof Paulus fungierte, von der Gestapo verfolgt worden war. Lampert hat sich aber auch für die Opfer des Naziterrors eingesetzt und diese, soweit er es konnte, in Schutz genommen. Unmittelbarer Grund für Lamperts Verhaftung war, dass er unmissverständlich die Hinrichtung von Otto Neururer kritisiert hatte. Gauleiter Hofer konnte es nicht tolerieren, dass einer der ranghöchsten Kleriker aus Innsbruck sich dermaßen gegen den Naziterror wandte. Mehre Male saß Lampert im Gestapo-Gefängnis in Innsbruck, bevor er zunächst nach Dachau kam und danach ins KZ Sachsenhausen und danach wieder in den Priesterblock nach Dachau.

Carl Lampert als politischen Menschen sehen

Wenn die römisch-katholische Kirche einen Mann oder eine Frau selig- oder heiligspricht, so wird dies manchmal mit frömmlerischem Weihrauch umgeben und mit theologischen Konzepten verknüpft, die aus heutiger Sicht auch etwas weltfremd erscheinen könnten. Am Beispiel von Lampert ist wohl eine Leidensmystik nicht angebracht, die selbst noch das Leiden verherrlichen würde. Ein Martyrium um des Martyriums willen ist ein falsches Martyrium – und Lampert hat es nicht gesucht. Er wurde von einem hinterlistigen Gestapo-Mann verraten, der Lamperts Gutmütigkeit ausnützte und ihn ausspioniert hatte, als er nach seiner Haft in Stettin noch als Seelsorger wirken konnte. Heute – achtzig Jahre nach seiner Hinrichtung, ermutigt Lampert, dem Bösen Widerstand zu leisten, sich einem Terror nicht zu beugen, ungerechten Gesetzen nicht zu gehorchen und dem eigenen Gewissen zu folgen. Die Botschaft aus dem Gestern für das Heute lautet: „wenn doch viele so gedacht und gehandelt hätten und nichtmitgelaufen wären, nicht geschwiegen hätten oder selbst Täter gewesen wären …“ Da stellt sich auch persönlich die Frage: Wie könnte ich mich selbst noch mehr engagieren gegen das, was unsere Welt bedroht? Wie könnte ich selbst „unverstellt“ sein? Und diese Frage gilt noch mehr für die Kirche: Wie sehr äußert sie sich unmissverständlich gegen Kriege und Aufrüstung, gegen die Zerstörung der Schöpfung, gegen die Ungerechtigkeiten?

Unverstellt als Lebensmotto für uns

Ich nehme nochmals das schmalen und doch so prägnante Ausstellungsheft zur Hand.  Elisabeth Heidinger führt darin von der Vergangenheit des Seligen aus Göfis in die bleibende Gegenwärtigkeit zurück: „Un…verstellt – erinnert uns daran, dass Wahrheit oft unbequem oder sogar gefährlich sein kann. Dass Klarheit Einsamkeit bedeuten kann. Und dass Aufrichtigkeit im falschen System zur Schuld wird – nicht moralisch, sondern juristisch.“

Klaus Heidegger, November 2025

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