2024 – Eine Festrede gegen Krieg und Zerstörung, für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

Festrede zur Verleihung des Florian Kuntner-Preises 2024 am 12. April 2024 in Wien

Sehr geehrte Festgäste!

„Eine Ehre“

Nachdem mein Beitrag als „Festrede“ tituliert ist, möchte ich Sie auch als „Geehrte“ ansprechen, wobei die Ehre, ein Begriff, den ich zwar aufgrund seiner Konnotation mit einer ganz anderen Ideologie verknüpfe und meist vermeide, freilich nicht mir gilt, sondern den Personen und Initiativen, die im Anschluss an meine Festrede zurecht, wie ich meine, mit dem Florian-Kuntner-Preis geehrt werden. Eine andere Ehre möchte ich zu Beginn meines Vortrags doch noch hinzufügen, weil es mich ehrt, hier zu sein, und ich bedanke mich zunächst ganz herzlich für die Einladung. Die Ehre verknüpfe ich aber zuallererst mit Bischof Kuntner.

Bischof Florian

Mit Bischof Florian verbinden mich einige wichtige Jahre der Zusammenarbeit, in denen ich an der Bundesstelle der Kath. Jugend als Bundessekretär für die Kath. Jugend und Kath. Jugend Land Österreichs tätig sein konnte und in diesem Zusammenhang auch immer wieder mit der Koordinierungsstelle zu tun hatte. Vor allem denke ich daran, wie ich mit Bischof Florian gemeinsam bei den Vorbereitungen der ersten Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Basel im Jahr 1989 aktiv sein konnte. Ich war damals vor allem für Friedensfragen der Kath. Jugendorganisationen zuständig und als Pazifist und Antimilitarist gab es in der Bischofskonferenz nur zwei Personen, die die friedenspolitischen Optionen der Kath. Jugend – sei es gegen den Krieg am Golf und dann später die Kriege im ehemaligen Jugoslawien oder gegen eine NATO- bzw. WEU-Anbindung Österreichs, für eine Verbesserung des Zivildienstes und eine gewaltfreie Soziale Verteidigung inclusive dem Aufbau von Friedensdiensten – nicht einfach bei Seite schoben oder vergeblich versuchten zu verbieten. Bei Bischof Kuntner aber auch bei Kardinal König hatten wir als Kath. Jugend immer ein offenes Ohr und wohlwollende Zustimmung.

Der Konziliare Prozess

In meinem Vortrag jetzt möchte ich bewusst nicht auf die Fragen von Krieg und Frieden in einem engeren Sinne eingehen, sondern ihren Zusammenhang sehen, wie wir es – auch mit Bischof Florian Kuntner – im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung taten. Gerechtigkeit-Frieden-Schöpfung – mehr als vor fast exakt 35 Jahren bei der Versammlung in Basel, bei der ich mit Bischof Kuntner war, sehen wir heute, wie diese drei Bereiche zusammenhängen. Es ist vor allem Papst Franziskus, der in der Enzyklika Laudato Si vor 8 Jahren und kürzlich im Apostolischen Schreiben Laudate Deum auf diese Zusammenhänge von Frieden und Entwicklung und Schöpfungsbewahrung aufmerksam macht.

Ein- und Ausblicke vom Zuckerhütl

Ich möchte Sie aber zunächst einladen, mit mir auf einen Berg zu steigen. Dort war ich am Samstag mittags vergangener Woche. Das Zuckerhütl. Nicht irgendein Berg. Der höchste in den Stubaier Alpen. Eine imponierende und sehr steile Eis-Fels-Gestalt. Rund um das Gipfelkreuz war der Schnee rötlich braun – jene sandbraune Farbe, die man auch am Gletscher darunter sehen konnte. Es war Sahara-Staub, den die südwestlichen Höhenströmungen immer wieder in die Alpen bringen. Ich war in Tirol; ich war auf 3505 Metern; mit meinen Gedanken war ich zugleich in jenen Ländern, aus denen dieser feine Sand kam, der über Libyen wehte, über das Mittelmeer, über den Apennin, und der Sand überzog in diesen Frühlingstagen die Landschaften Europas. Ich dachte inmitten von Schnee und Eis und Felsen an die Sahara: an die zunehmende Desertifikation, das Ausbreiten der Wüste aufgrund des Klimawandels. Inmitten der Stubaier Eisriesen dachte ich an die Länder südlich der Sahara, flog mein Geist in die Sahelzone, in dem sich die katastrophalen Konsequenzen von Klimawandel, von kapitalistischer Ausbeutung, von Rohstoffkriegen und Massenmigration bündeln und sich gegenseitig verstärken.

Fernblick in die Sahelzone

Und da könnten wir jetzt, hier am Stephansplatz in Wien, in dieser feierlichen Stunde  nachdenken und reden über die Kriege südlich der Sahara, in Mali, in Niger, im Tschad. Weit mehr werden dort Menschen in bewaffneten Auseinandersetzungen täglich getötet als in der Ukraine heute, weit mehr selbst als im Gaza-Streifen. Aber wir denken darüber zu wenig nach und wir reden auch nicht darüber, über die Länder, aus denen der Sahara-Staub zu uns kommt. Aus Mali. Ein Land mit einer Militärregierung, ein Land, das fossile Energie für Europa liefert. Aus Liberia. Ein Land mit einer Militärregierung. Aus dem Tschad. Ein Land mit einer Militärregierung. Aus Niger. Ein Land mit einer Militärregierung. Aus Burkina Faso. Ein Land mit einer Militärregierung. Länder, die einen großen Teil ihrer nationalen Budgets für Waffen ausgeben, die von Europa und Russland geliefert werden.

Migration und Asylrechte

Zu uns kommt nicht nur der Sahara-Staub. Die zentrale Frage ist, und dies wurde erst vorgestern im Europäischen Parlament in einem neuen Asyl-Pakt besprochen, wie geht es mit den Flüchtlings- bzw. Migrationsbewegungen weiter, die Folge der instabilen Verhältnisse sind, die Folge der Erderhitzung sind, die Folge von einem – Zitat Papst Franziskus – Raubtierkapitalismus sind und auch Folge von unserem eigenen Egoismus, den wir jeden Tag neu an den Tag legen, und Folge von einer Politik, die nicht willens ist, die Probleme wirklich anzupacken und kläglich versagt. Der Sand kann ungestört und ungehindert mit den Höhenströmungen zu uns kommen. Nicht so die Flüchtlinge, für die an den Grenzen der Europäischen Union Auffanglager errichtet werden. Der Sand kann fliegen – bis hinauf auf das Zuckerhütl. Viele der Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer. Die Zahl der Bootsflüchtlinge wird jetzt, da das Mittelmeer wieder ruhiger wird, ansteigen. Allein 13.000 Flüchtlinge sind in den ersten Monaten des Jahres 2024 auf den Kanaren gelandet, weitere 13.000 sind über das Mittelmeer gekommen, 4000 strandeten auf Zypern.

Ressourcenfluch

Der Saharastaub kommt nur an bestimmten Tagen nach Europa, täglich aber kommen die Rohstoffe aus der Sahelzone: das Öl für die heimischen Maschinen und Motoren, das Uran für die Atomkraftwerke in Europa, bestimmte Lebensmittel, die entlang des Äquators besonders gedeihen und wachsen, wofür an der Elfenbeinküste die Regenwälder abgeholzt werden und das Wasser für Lebensmittel fehlt, die die Bevölkerung vor Ort so dringend bräuchte, um nicht hungern zu müssen.

Im Sahel leben mehr als 300 Millionen Menschen. 80 Prozent der Menschen in der Sahelzone leben von weniger als zwei Dollar pro Tag. Das Bier, das ich im Anschluss an die Skitour auf der Hütte trinken werde, wird mehr als das Doppelte kosten.

Schoko-Osterhase erzählt vom globalen Süden

In meine Gipfeljause hatte ich eine selbstgemachte Mischung aus Nüssen, getrockneten Früchten und einem zerkleinerten Schokoosterhasen. Wo wohl die Kakaobohnen wuchsen, fragte ich mich. Mit meinen Schülerinnen und Schülern hatte ich oft über solche Zusammenhänge gesprochen, die seit kurzem mit dem Begriff „Lieferketten“ ein neues Framing bekommen haben. Es war ein Hase eines Schweizer Nahrungsmittelkonzerns – und ich wusste: nur ein Prozent des Preises bekommt ein Kakaobauer irgendwo in einem der Länder am Äquator, ich wusste, und Sie alle hier wissen es, dass die meisten Kakaobauern und ihre Familien sich mit dem kläglichen Ertrag nicht aus der Armut befreien können. Hatte meine Schokolade ihren Ursprung in der westafrikanischen Elfenbeiküste? Wahrscheinlich wohl trägt sie dazu bei, dass Regenwälder abgeholzt werden und enorme Mengen an Wasser abgezweigt werden. Trotzdem schmeckte mir die Schoko, weil sie mir eine liebe Person schenkte, die es gut mit mir meint. Kognitive Dissonanz – oder Leben in Ambivalenzen, so mein Sein.

Jetzt könnte ich einen ganzen Vortrag füllen nur zum Thema Schokolade, nur über die Abhängigkeiten, die damit produziert werden, aber auch über die Möglichkeiten, selbst mit diesem Produkt Alternativen für ein ökologisch-sozial-entwicklungspolitisch-soziales Produktions- und Handelssystem aufzuzeigen.

Nüsse und ihre Geschichte

Ich könnte, wie ich es bei meiner Zuckerhütl-Jause auch tat und wie ich es mit Ihnen hier und jetzt auch wieder machen könnte, über die weiteren Lebensmittel nachdenken: über die Cashew-Nüsse – kommen sie aus Afrika? Es ist doch bekannt, dass afrikanische Cashews einen geradezu absurden Umweg haben, bis sie in unseren Geschäften landen und ein paar davon nun auf 3505 m mir neue gesunde Energie geben. Man könnte es in den entsprechenden Foren nachlesen, wie die Verarbeitung geschieht: Rösten, Dämpfen, Knacken, Sortieren und Häuten der Nüsse findet fast ausschließlich in Indien und Vietnam statt, was ihre Klimabilanz deutlich verschlechtert. Die Verarbeitung ist nicht ungefährlich, da Cashewschalen ein giftiges Öl enthalten, welches schwere Verätzungen hervorrufen kann. Und die Erdnüsse? Und die getrockneten Bananen? Auch hier wäre eine Verfolgung von Lieferketten wie ein Schlüssel, um die Fragen von Frieden-Entwicklung-Klima besser zu begreifen.

Vorsichtig und langsam steigen wir die bis zu 50-Grad steile Ostflanke hinunter. Vor uns stürzen fünf Menschen ab und zum Glück sind nur zwei schwerer verletzt. Aber das ist nicht das Thema jetzt. Was an diesem Tag selbst in dieser Höhenlage so spürbar ist, ist die Erwärmung der Erde. Laut Messungen ist der Fernau-Gletscher, über den wir abfahren, allein im letzten Jahr um 68 Meter zurückgegangen. Aus den Felswänden lösen sich schon jetzt Anfang April Steine von den Felswänden, weil der Permafrost auftaut. Laut dem EU-Klimawandeldienst Copernicus war der März 2024 weltweit wärmer als jeder vorherige März seit Aufzeichnungsbeginn.

Verstrickt in ambivalente Seinswirklichkeiten

Ich könnte beginnen nachzuerzählen, was in dieser Welt, in der wir, so wie wir hier sind, sind, mit meinem Namensphilosophen Heidegger zu sprechen, vom Seienden in einer Seinswirklichkeit. Wie diese Welt ist, in die wir verstrickt sind, aus globaler Perspektive betrachtet, das wissen wir, das ist uns so bewusst, dass wir es gerne verdrängen, und verdrängten wir es nicht immer wieder, so läge unsere psychische Gesundheit gefährdet irgendwo zwischen Depression und Burnout.

Dennoch, es sei mir gestattet, möchte ich ein paar der global-lokalen Seinszustände noch kurz benennen, und bitte euch, nicht hinzuhören, wenn es eurem festlich gestimmten Gemüte heute abträglich wäre. Es ist eine zugegeben sehr plakative Reise um diesen so bedrohten wunderbaren Planeten Erde.

Von außen blicke ich auf diesen Planeten und bin doch gleich mittendrin. Von außen blicke ich nach Afrika, den ganz großen Kontinenten, blicke ich hinüber nach Lateinamerika, nach Asien, und auch auf uns, die wir hier in Wien, in Österreich, in Europa leben und handeln. Ich blicke auf Kontinente voll Reichtum und voll von Verarmung, voll von Ressourcen, um die Kriege geführt werden, voll wunderbarer Landschaften und voll von Zerstörungen. Ermutigt mich dieser Blick mit Blick auf die Gegenwart und auf das, was uns die Wissenschaft voraussagt? Nein, so muss ich gestehen! Ich habe Angst um diese Welt. Mein zweites Enkelkind ist gerade vor drei Tagen geboren worden. Welche Zukunft werden meine beiden Enkel Noah und Niels haben? Drei Themenbereiche möchte ich nennen, die doch zugleich alle drei zutiefst in Interaktion und Interdependenz miteinander stehen – was Gefahr und zugleich Chance ist.

Das erste Thema Klima, Erderhitzung und die Zerstörung der LebensgrundlagenAm 7. April 2024, war der Earth-Overshoot-Day, also vor weniger als einer Woche war in Österreich der Tag erreicht, an dem der menschliche Rohstoffverbrauch hierzulande nicht mehr durch die Bildung neuer Ressourcen gedeckt werden kann – das heißt, wir leben seit einer Woche auf Kosten nachfolgender Generationen. Ein alarmierendes Zeichen dafür, dass wir unseren Planeten übernutzen und dringend Maßnahmen ergreifen müssen, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern.

Da gibt es aber auch Menschen und Organisationen, die Alternativen aufzeigen, die von einem Konsumverzicht sprechen, die nicht mehr mit Flugzeugen fliegen oder auch nicht mehr ein Auto kaufen. Da gibt es die vielen Ansätze auf lokaler Ebene von Share-Economy oder solidarischer Landwirtschaftsinitiativen. Auch die Alternativen sprießen wie der Löwenzahn in den Frühlingsmonaten durch die Ritzen im Asphalt des Konsums und der Zerstörung.

Einmal mehr steht in einem der jüngsten IPCC-Berichte, dass der Klimawandel eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die planetare Gesundheit sei. Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung, das sind 3,6 Milliarden Menschen, leben laut Weltklimarat in Regionen, die besonders vom Klimawandel betroffen sein werden. 

Es ist ermutigend, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dieser Woche festlegte, dass die Menschen ein Grundrecht darauf hätten, dass ihre Regierungen sie vor den Folgen des Klimawandels schützen müssten. Die Pflicht der Staaten für einen effektiven Klimaschutz ist also einklagbar.

Thema Migration, Festung Europa oder Asylrechte

Auch in den vergangenen Wochen wieder hörten und lasen wir von Flüchtlingsbooten, die im Mittelmeer kenterten, von verzweifelten Menschen, die täglich in den Gewässern vor dem europäischen Haus qualvoll ertrinken.

Da gibt es aber auch NGOs, die versuchen die Ertrinkenden zu retten, und sie werden dann als Fluchthelfer diffamiert, wenn sie nur das tun, was jedes Gesetz dieser Welt festschreibt: Menschen in Seenot zu retten. Papst Franziskus hat vom Beginn seines Pontifikats stets aufgezeigt, dass er auf ihrer Seite steht.

Thema Krieg und Frieden

Weltweit steigen die Rüstungsausgaben besonders in den letzten Jahren dramatisch an. Auch in den verarmten Ländern des Südens. Europäische Länder, Staaten der EU, machen gigantische Geschäfte mit kriegsführenden Staaten in Afrika, liefern Klein- und Leichtwaffen, die für die meisten Todesopfer verantwortlich sind.

In der EU wurde der sogenannte „Strategische Kompass“ beschlossen. Bis zum Jahr 2025 soll ein Aufrüstungspaket von zusätzlich 200 Milliarden Euro umgesetzt werden. Bereits von 2017 bis 2021 sind die EU-Militärausgaben um 30 Prozent gestiegen. Die EU-Staaten werden bis 2025 bis zu 5 mal mehr für militärische Verteidigung ausgeben als Russland.

Statt Entwicklungspolitik wird von den Ländern des Nordens Militärpolitik in Ländern des globalen Südens gemacht. Man steckt Waffen rein und Munition und Soldaten und rüstet auf und die Kriegsmaterialienwirtschaft macht gute Geschäfte und Blut, sehr viel Blut, klebt an den Händen jener, die Waffen produzieren, die mit Waffen handeln, die Waffenexporte erlauben und jenen, die mit diesen Waffen morden und töten.

Die erste Forderung lautet daher: Keine Rüstungsgeschäfte mit den kriegsführenden Staaten. Entwicklungspolitik statt Aufrüstung!

Klima-Krieg-Entwicklung: untrennbare Zusammenhänge

Längst ist uns allen bewusst, dass die Krisenphänomene, von denen ich zuvor sprach, sich wechselseitig beeinflussen, sich verstärken, sich bedingen.Es gibt große Überschneidungen zwischen Ländern, die besonders betroffen sind von den klimatischen Veränderungen und in denen zugleich kriegerische Konflikte verheerend sind. Dazu zählen die bereits genannte Sahelzone Westafrikas aber auch die Länder um das Horn von Afrika – wie Äthiopien, Kenia, Somalia, der Sudan und Südsudan. Die extremen Wetterereignisse wie Dürren und nachfolgende Nahrungsmittelknappheit verschärfen die Konflikte. Es gibt den Teufelskreis von Hunger und bewaffneten Konflikten. Hunger wird zum Teil auch gezielt als Kriegswaffe eingesetzt, obwohl dies laut einer UN-Resolution als Kriegsverbrechen bezeichnet wird.

Von der Bundesregierung wird gegenwärtig überlegt, eine neue Sicherheitsstrategie aufzubauen. Zu erwarten ist, dass die Strategie den Fakten folgen, die gegenwärtig von den Mächtigen geschaffen werden:

Dies bedeutet zuerst Nachrüstung – wie es von Nehammer abwärts genannt wird – und dann Aufrüstung. In der heutigen Tageszeitung wird im Zusammenhang mit dem „Girls Day“ und unter dem Slogan „Mission vorwärts“ dafür geworben, dass mehr junge Frauen sich dem Heer anschließen – wahrscheinlich ist dies wohl zugleich auch ein Werbeaufruf für die jungen Männer, sich eine militärische Laufbahn zu überlegen. Bekannt ist der Spruch von Klaudia Tanner geworden, die meinte, man müsse Österreich „kriegsfähig“ werden – und damit Anleihe nahm beim deutschen Kollegen Pistorius, der von der Kriegstüchtigkeit Deutschlands sprach.

Handlungsansätze

  • 1.: Wenn wir hier in Österreich fast drei Planeten verbrauchen, dann ist ein erster Ansatzpunkt Konsumverzicht, den jeder und jede von uns und jeden Tag wieder – ganz im Sinne von Laudato Si – machen kann.
  • 2.: “System change, not climate change” – diesen Spruch las ich so oft auf den Pappschildern bei den Demonstrationen und Kundgebungen von Fridays for Future. Und diese plakative Aussage stimmt. Wenn wir Frieden und Gerechtigkeit wollen, dann brauch es dringend systemische Veränderungen – auch ein Ausstieg aus einer kapitalistischen Ökonomie. Dann braucht es – auch ganz im Sinne von Laudate Deum, die politischen und ökonomischen Mächte, die sich ihrer Verantwortung für ein Überleben des Planeten bewusst werden müssen.
  • 3.: Es kann nicht alles bleiben wie es ist. Eine technokratische Lösung allein genügt nicht. Symbol ist das E-Auto. Nur der Motor ist anders. Die Idee vom grünen Wachstum ist zuwenig. Es braucht, wie es in Laudate Deum heißt, auch eine kulturelle Wende, es braucht die Poesie und Musik – ja, und in all dem auch die Religionen. Aus den heiligen Schriften wissen wir: Wo Göttliches im Spiel ist, kann Befreiung gelingen.
  • 4.: Es braucht eine Erhöhung des heimischen Entwicklungsbudgets. Laut aktuellen OECD-Zahlen zählt Österreich weiterhin zu den europäischen Schlusslichtern bei Entwicklungshilfeleistungen beziehungsweise so genannter Official Development Assistance (ODA). Vom internationalen Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) dafür zur Verfügung zu stellen, ist Österreich mit nur 0,31 Prozent meilenweit entfernt.
    • BMfF-Bericht vom Oktober 2023 betrugen 2022 die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen Österreichs lt. Jahresmeldung an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) insgesamt 1.756,4 Mio. €. Davon entfallen auf die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (EZA) 1.026,7 Mio. € und auf die multilaterale EZA 729,7 Mio. €..
    • Für das Jahr 2024 wird eine Gesamt-ODA (Official Development Aid) in Höhe von 1.350,0 Mio. € erwartet. Dies entspricht einer ODA-Quote von 0,27% des BNE.  Ich kann mich erinnern, dass wir als Kath. Jugend wie auch im Rahmen der Koordinierungsstelle bereits vor 30 Jahren für die 0,7% eingetreten sind.
    • Es gäbe da eine aktuelle Vergleichszahl, die aufzeigt, wo die Prioritäten Österreichs aber tatsächlich liegen: Im Februar 2024, rund um den 2. Jahrestag der Invasion Russlands in der Ukraine und als an die Bürgerkriegssituation in Wien vor 90 Jahren in Wien erinnert wurde – haben der ehemalige Infanteriesoldat und jetzige Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Claudia Tanner stolz verkündet, dass um 1,8 Milliarden Euro 225 neue Pandur-Panzer angeschafft werden sollen. Allein für neue Radpanzer wird also im aktuellen Budget 2024 um 500 Millionen mehr ausgegeben als das staatliche Entwicklungsbudget beträgt.

  • 5.: Es braucht tatsächlich jenes Lieferketten-Gesetz auf internationaler Ebene, das zuletzt so deutlich in Diskussion war und für das sich in Österreich kirchliche Organisationen, allen voran die Kath. Jungschar Österreichs, so engagiert eingesetzt haben.

Die Sustainable Development Goals als Richtschnur

Wie können wir diese drei Themenbereiche – Klimagerechtigkeit, Migrationsgerechtigkeit und Friedensfähigkeit – am besten in den Griff bekommen. Als politischer Mensch ist es nicht notwendig, selbst neue Ziele und Handlungsstrategien zu entwickeln. Was Not tut und Not wendend ist wurde von kompetenten Gremien längst festgelegt. Ich denke dabei vor allem an die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die SDGs, die Sustainable Development Goals.

  • Stets werden bei diesem Ansatz ökologische, soziale, ökonomische und friedenspolitische Dimensionen miteinander verschränkt, die für eine nachhaltige Entwicklung bedeutsam sind.
  • Um diese Ziele zu erreichen, braucht es eine partnerschaftliche Beziehung zwischen den Ländern des Nordens und des Südens. Vor allem sind die Industrieländer aufgefordert, ihren enormen Ressourcenverbrauch zu drosseln, der zu vielfältigen Krisen in den Ländern des Südens führt.
  • Akteure in einem nachhaltigen Transformationsprozess sind zum einen de Regierungen, zum anderen aber auch NGOs, gesellschaftliche Organisationen oder auch – und das finde ich sehr wichtig – Individuen.
  • Die 17 SDGs verlangen nach einem engagierten Verhalten. Fast alle der 17 Ziele haben einen entwicklungspolitischen Anspruch:

Laudate Deum als Inspiration

Meinen Vortrag möchte ich abschließen mit einem Blick auf das Apostolische Schreiben Laudate Deum von Papst Franziskus und damit nochmals die Grundlinien des Gesagten zusammenfassen.

  • Erstens: Papst Franziskus zeigt uns in diesem Schreiben, dass die wichtigste Aufgabe der Kirche darin liegt, für die Welt da zu sein.  Gerade im Kontext der Konzentration auf die Fragen der Synodalität ist es notwendig, die andere so notwendige Blickrichtung nicht zu verlieren.
  • Zweitens: Der Papst – und ich zitiere hier wörtlich – sagt: „… mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt …“. Und an anderer Stelle, an der er Verständnis für die radikalen Gruppen in der Klimaschutzbewegung signalisiert, sagt er, Zitat, „dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht“. Dieses apokalyptisch wirkende Statement hängt mit jenem ausführlichen Blick zusammen, den der Papst der Klimaforschung bzw. den Reporten des IPCC widmet.  
  • Drittens: Bereits in Laudato Si hat der Papst konkret aufgezeigt, dass es an jedem einzelnen und jeder einzelnen liegt, etwas zu tun, damit die prognostizierten Katastrophen nicht eintreten werden, damit eine Klimawende gelingen kann. In Laudate Deum allerdings richtet der Papst die Aufmerksamkeit aber bewusst auf jene, die politische und ökonomische Macht in dieser Welt haben. Er schreibt: „Ich kann jedoch nicht bestreiten, dass es notwendig ist, aufrichtig zu sein und anzuerkennen, dass die wirksamsten Lösungen nicht allein von individuellen Bemühungen, sondern vor allem von bedeutenden Entscheidungen in der nationalen und internationalen Politik kommen werden.“ (Laudate deum 69)
  • Zugleich warnt Papst Franziskus aber auch vor einem ausschließlich technokratischen Paradigma als Ausweg an die multiplen Krisen.

So möchte ich auch schließen mit einem mir so wichtigen Zitat aus Laudate Deum, Nummer 70: Der Papst schreibt dort, „dass es keine dauerhaften Veränderungen ohne kulturellen Wandel gibt, ohne eine Reifung im Lebensstil und der gesellschaftlichen Überzeugungen, und es gibt keinen kulturellen Wandel ohne einen Wandel in den Menschen.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Kommentare

    1. Es ist der Missbrauch der Religionen, es ist der Verrat an den Wesenskernen der Religionen, der zum Unheil führt. Die Religionen in sich trügen das Potenzial, dass diese Welt eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit sein könnte. In der Mitte aller Religionen stehen Gewaltverzicht, Barmherzigkeit, Solidarität.

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