
In Goethes Roman „Wahlverwandtschaften“ wird sinngemäß folgende Erfahrung beschrieben. Wer einen schönen Garten sieht, sieht einen schönen Garten mit Bäumen und vielen anderen Pflanzen darin. Wer schöne Berge sieht, sieht schöne Berge, sieht die großartigen Formen von Fels und Schnee und Eis, die in Jahrmillionen von Wind und Wetter gestaltet wurden. Wer all solche Schönheiten nun teilt mit Menschen, die ihm nahe sind, sieht das Paradies.
Solche Gedanken hatte ich auch heute wieder. In den Sellrainer Bergen hat es an diesem Samstag Ende Februar mehr Schnee als im schneelosen Inntal. Das vom Klimawandel beeinflusste Wetter bescherte uns diesen Winter nur wenig Niederschläge. Im Lüsnertal lässt sich aber noch Winter erspüren. Unser Ziel ist die mir bekannte Schöntalspitze mit 1400 HM im Anstieg. Startpunkt ist beim Alpengasthof in Lüsens. Kurz nach dem Gasthaus Lüsens leuchtet der grüne Pfeil der LVS-Kontrollstelle auf. Zur Sicherheit haben wir selbstverständlich unsere LVS-Ausrüstung mit. Durch den Wald gibt es eine Skitourenlenkung, damit die hier ansässigen Birkhühner nicht in ihrem Revier gestört werden. Die Spur durch den Wald ist wie gewohnt eisig. Danach tut sich der Blick auf die vielen Mulden im Schöntal auf. Eine Moräne teil das Tal in zwei Hälften. Die Südhänge hinauf zum Kamm, der zum Zischgeles führt, sind braun. Die Nordosthänge sind pulvrig und mit vielen Spuren durchzogen. So ist es eine Frage der Perspektive, wie man auf die Frage antwortet, ob genügend Schnee sei. Wir machen gleich am Fuß des Gipfelaufbaus unser Skidepot. Die letzten gut 100 Höhenmeter sind bis zu 40 Grad steil. Steigeisen und Pickel geben mir Sicherheit. Die Abfahrt bietet nacheinander und nebeneinander alles, was es an Schneemöglichkeiten gibt: Pulverschnee und Bruchharsch, windgepresster Deckel und tiefer fauler Schnee und zum Schluss eine harte Buckelpiste durch den Wald sowie eine Skatingpiste zurück zum Ausgangspunkt. Unsere Welt könnte vielmehr ein Paradies sein.
(Foto: B.K.)