
Meersburg. Lieblich liegen die Weinberge nördlich des Bodensees. Mächtig thronen die Burganlagen auf einem Felsen oberhalb der Altstadt von Meersburg, in der sich an diesem verlängerten ersten Maiwochenende eine Touristenmasse staut. 50 Kilometer waren es am Radweg entlang des Nordufers von Lindau bis Meersburg. Die Gegend war geprägt von Obsthainen und Weinbergen, von touristischen Ortschaften und einem verwinkelten Radweg, auf dem mit dem Rennrad oftmals ein Zickzackkurs zwischen E-Bikes gefahren werden muss. Eine Fähre bringt Räder und uns beim Übergang vom Obersee in den Unterlingersee auf die andere Seite nach Konstanz.
Konstanz. Mein Interesse gilt dem Münster, in dem zu Beginn des 15. Jahrhunderts europäische Kirchengeschichte geschrieben wurde. Heute stehen wieder die Papstwahl und das Konklave im Zentrum weltweiter Aufmerksamkeit. Die Geschichte des Konzils von Konstanz bekommt so noch mehr aktuelle Aufmerksamkeit für mich. Vor mehr als 600 Jahren wurde in Konstanz darüber debattiert, wie Päpste gewählt werden sollten und welche Form sich eine katholische Kirche geben könnte, die zeitgleich drei Päpste hatte, die alle für sich behaupteten, rechtmäßig Papst zu sein. Der Heilige Geist konnte da wohl nicht die Finger im Spiel gehabt haben. Die Kirche bot damals in ihrer Spitze ein Bild von Zerstrittenheit, machtgeilem Gezänke und Bereitschaft zur Gewalt. Sie war auf der Ebene der Päpste, Kardinäle und Bischöfe weit weg von den Grundlagen der Evangelien und dem Vorbild Jesu. Ein Jan Hus wollte die notwendigen Änderungen und kam zum Konzil. Es verurteilte ihn jedoch als Ketzer und damit zum Tod am Scheiterhaufen. Ich fühle, dass mir Jan Hus viel näher ist als all die Kardinäle, die sich damals in Konstanz trafen und heute im Vatikan. Bin also wohl auch ein „Ketzer“.
Im Münster sitzend wandern meine Gedanken zum Konzil von damals und zum Konklave heute. Die romanische Architektur der äußeren Hülle, der Kreuzgang und einige der Seitenkapellen erleichtern die gedankliche Rückreise in die Kirchengeschichte. Der Blick zurück ist wie eine Aufforderung, dass sich die Kirche löste von jeder Gewalt und jedem dogmatischem Fundamentalismus. Wenn heute zur Papstwahl eine Versammlung zusammentritt, bei der die Frauen ausgeschlossen sind, in der solche frauenfeindliche Exklusivität noch damit gerechtfertigt wird, dass es ja der Heilige Geist sei, der den Papst erwählen würde, dann ist die Kirche, die ich kaum mehr als „meine“ bezeichnen kann, noch im Geist des Mittelalters beheimatet, in der das Konzil von Konstanz stattfand.
Friedrichshafen. Die barocke Schlosskirche mit ihrem charakteristischen Doppeltürmen lädt zu einem Stopp ein. Auch sie erzählt wieder die Geschichten von Zerstörungen und Wiederaufbau, von der Vorgängerkirche, die im Dreißigjährigen Krieg abgebrannt ist, von der Bombardierung der Barockkirche, als die Alliierten Luftangriffe auf Friedrichshafen flogen, um die Hitler-Diktatur zu besiegen. 80 Jahre sind seit dem Ende des Weltkrieges vergangen. Neue Kriege werden anderswo geführt. In den Städten am Nordufer des Bodensees arbeiten in verschiedenen Rüstungsfirmen rund 7000 Menschen. Die Auftragslage ist gut. Diese Arbeitsplätze sind gesichert.