Normalspur, Schmalspur und nass-kalte Fahrspuren von Mayrhofen auf das Pfitscherjoch

Freitag, der erste Tag im August 2025. Grauschwarze regenschwere Wolken krallen sich an den Berghängen fest. Der Pegel des Inn ist uferrandvoll. Am Bahnhof in Jenbach wechseln wir von der Normalspur auf die Schmalspur. Bahnfahren entschleunigt wohltuend. Die Mountainbikes lassen sich problemlos in einen der beiden rotgefärbten Wagone schieben. Eine Urlauberclique aus dem östlichen Teil Österreichs steigt lautstark ein. Ihr Alkoholpegel lässt sich riechen. Wir suchen uns etwas entfernt von ihnen eine neue Sitzgelegenheit. 50 Minuten dauert die Fahrt. Für das Zillertal ist die Schmalspurbahn ein Segen – ein Segen freilich, in dem der Dorfsegen auch etwas schief hängt. Bislang scheiterte eine Elektrifizierung der Bahn an den dummen Argumenten von den wirtschaftsmächtigen Hoteliers und Seilbahnern . Eine Oberleitung aus touristischer Sicht sei nicht schön. Anstatt gerade mit der Elektrifizierung der Zillertalbahn einen klimafreundlichen Schritt zu setzen, nimmt man lieber den Lärm des tosenden Massen-Verkehrs auf der Zillertal-Schnellstraße in Kauf.

Unsere Mountainbike-Fahrt beginnt mit einer Fahrt durch die Haupttouristenstraße von Mayrhofen. Es ist nicht Lahnenberg und uns begegnet nicht die Familie Sattmann, und doch werden etwas die Gedanken von Mitterers Piefke-Saga wach. Hunderte Menschen bewegen sich zwischen den Geschäften, in denen es irgendeinen Alpenkitsch als Souvenir zu kaufen gibt. Gleich außerhalb des Mega-Tourismus-Hotspots umarmt uns aber die Natur. Die Steigungen hinein ins Zemmtal sind moderat. Immer heftiger wird der Regen und in Ginzling fühlt es sich an, als würde einer der Wasserfälle direkt auf uns prasseln. So nehmen wir für den restlichen Teil der Alpenstraße den Bus, der bis zum Schlegeis-Speicher fährt. Die Mountainbike-Strecke hinauf zum See werde ich ein andermal nachholen. Gewaltig passt wohl als Adjektiv für das Betonmonster, hinter dem sich der smaragdgrüne Speichersee ausdehnt, aber solche Bauwerke sind wohl der Preis für die nötige Energiewende und den Ausstieg aus der fossilen Verbrennungskultur. Erst gestern war ich bei einer Demo in Innsbruck gegen den weiteren Ausbau des Kaunertalkraftwerks, bei dem das hintere Platzertal zu einem Pumpspeicher-See umgebaut werden würde. Gedanken über die Energiezukunft Tirols gehen durch meinen Kopf. Wie kann umweltverträglich Energie erzeugt werden?

Gut 400 Höhenmeter sind es vom Stausee (1781m) bis zum Pfitscherjochhaus auf 2276m. Beim heutigen Wetter sind nur wenige Menschen unterwegs. Die Wasserfälle zur rechten Seite sind in dieser regen- und wolkendurchtränkten Stimmung noch beeindruckender. Der steinige und grobe Pfad verleitet zum Schieben des Fahrrads. Der Single-Trail hat die Qualifikation „schwer“ bzw. S3. Ein altes Zollhäuschen erinnert daran, dass wir uns auf einem der ältesten Übergänge zwischen Zillertal und Südtirol befinden. Die hölzernen Rollrinnen über die Steinstufen wurden wohl für die E-Bikes gebaut. Heute nachmittags sind wir die einzigen Menschen, die mit Rädern unterwegs sind, obwohl es eine der bekanntesten Trans-Alp-Varianten ist. Der Zamser Grund im Talschluss ist eine beeindruckende alpine Landschaft und wirkt bei diesem regnerischen Wetter ganz besonders.

Abend am Pfitscherjochhaus. Die „Hütte“, die privat geführt wird, ist knapp auf Südtiroler Seite des Joches. Sie ist modern ausgebaut. Den Hüttenschlafsack brauchen wir diesmal also nicht. Im Radkeller stehen nur noch zwei andere Fahrräder. Die Wolken geben etwas den Blick frei hinunter ins Pfitschertal mit den saftig grünen Wiesen und hinüber zu den imposanten Nordwänden der Hochfernspitze. Wir sind an einem schönen Ort, um im Leben innezuhalten und so das Leben zu spüren. Hineingewoben in meine Dankbarkeit für solches Erleben bleiben immer auch die Fäden der Wut und der Trauer, dass mächtige Menschen und Strukturen das Leben von Hunderttausenden zur Hölle machen und dass selbstsüchtiges Verhalten, Gier und Dummheit für ein Leben in Fülle zerstörerisch wirken.

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