Durch Pfützen durch das Pfitschtal: Kulturerleben folgt Naturerleben

Natur: Pfitsch wie Pfütze

Samstag, der 2. August 2025. Der Wetterbericht hatte kräftigen Regen vorhergesagt. So ist es auch. Bergsport heißt für mich nicht, mich vom Regenwetter abhalten zu lassen. Anfangs geht es mit unseren Mountainbikes vom Pfitscherjoch-Haus noch regenfrei den gut ausgebauten Karrenweg ins Pfitschtal hinunter. Eine spontane Regenerationspause legt sich beim Dorfwirt in St. Jakob nahe. Der Name Pfitsch soll sich von Pfütze herleiten. Das passt zur Weiterfahrt. Selbst die Gore-Tex-Kleidung hält mit der Zeit nicht das ganze Wasser ab, das von oben kommt, um dann von den Mountainbike-Reifen von vorne und hinten fontänenartig über dich nochmals ausgegossen zu werden. Den Plan, bei diesem Wetter über das Pfundererjoch nach Brixen zu fahren, haben wir längst aufgegeben. In Sterzing steigen wir durchnässt in den Zug nach Brixen.

Kultur: Michael Gaismair im Kellergewölbe der Brixner Hofburg

Wir haben eine Übernachtungsmöglichkeit mit besonderer Atmosphäre im Priesterseminar. Geschichte und Kultur umgeben uns. Verdichtete Kultur wird sichtbar gemacht in der Hofburg in Brixen. Räume, die mit ihren Kunstwerken Südtiroler Volksreligiosität anschaulich machen – vom Mittelalter bis in die Gegenwart; Räume, die von der Herrschaftsgeschichte erzählen. Besonders ist jetzt im Gaismair-Jahr in den Kellergewölben die temporäre Sonderausstellung, die von der Widerstandsgeschichte von Michael Gaismair erzählt. Sie wurde anlässlich des 500-jährigen Jubiläumsjahres der Bauernkriege geschaffen.

Michael Gaismair hat mich seit vielen Jahren beschäftigt. In meinem Unterrichten gehörten die Bauernkriege von 1525 zum Pflichtprogramm. Michael Gaismair steht für die Fragen: Wie gehen wir mit Strukturen und Machtsystemen um, in denen es Herrschende auf der einen Seite und Ausgebeutete auf der anderen Seite gibt? Gaismair hat Position bezogen und dafür alle Konsequenzen auf sich genommen. Wie können sich die Verarmten befreien? Gaismair setzte anders als Jakob Huter auf den gewaltsamen Aufstand. Wie kann eine Gesellschaft aussehen, in der Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit bestimmend sind. Gaismair schrieb eine demokratische Grundordnung, die von der Gleichheit aller Menschen ausging und daher den Adel und den Klerus abschaffen wollte. Es sollte selbst eine Kirche sein, in der Pfarrer vom Volk in das Amt gewählt werden. Auf welcher Seite steht die Kirche? Die Ausstellung in den Kellergewölben gibt nicht Antworten, sondern stellt die Fragen, die zu Antworten führen könnten.

Eine Antwort finde ich beim Durchgang durch die Ausstellungsräume. In einer Vitrine in einem der Prunkräume werden Pontifikalschuhe aus Brokatstoffen mit Goldfäden und seidene Handschuhe zur Schau gestellt. Solche hatte wohl auch der Fürstbischof, bei dem Gaismair als Sekretär tätig war. Die Kirche war damals nicht auf Seite der Bauern. Sie stand auf Seite der Mächtigen. Gaismair glaubte, dass sich eine Änderung des damaligen Feudalsystems nur mit einem gewaltsamen Aufstand erreichen ließe – und selbst die Werkzeuge der Bauern wie Heugabeln und Dreschflegel wurden zu Waffen umfunktioniert. Der Blick auf Gaismair und seinen Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Demokratie kann eine Ermutigung sein, auf Situationen der Ungerechtigkeit im Heute zu blicken. Die aktuelle Gaismair-Ausstellung bringt keine Verherrlichung dieser Person. Sie macht nicht einfach einen Helden oder Anti-Helden aus ihm. Er wird nicht als ein Andreas Hofer des 16. Jahrhunderts stilisiert. In den drei kleinen Räumen bleibt vieles offen. Unerwähnt bleibt Magdalena, die Frau von Michael Gaismair. Wie es ihr wohl ergangen ist mit ihren vier gemeinsamen Kindern? Ich habe Zeit und gehe ein zweites Mal durch die Räume der Hofburg, jetzt aus dem Blickwinkel von Gaismair. In den kaiserlichen Räumen der Hofburg wird begreifbar, warum die Herrschenden mit Pacht und Steuern die Existenzgrundlagen eines Großteils der Bevölkerung raubten. Habsburger im Pakt mit der Kirche lebten ein Luxusleben und hatten ein System der Herrschaft etabliert, das sich nur mit äußerster Gewalt aufrecht erhalten ließ. Aufständische wurde hingerichtet. Auch Michael Gaismair erlag letztlich den vom Kaiser gedungenen Auftragsmördern.

Am nahen Domplatz von Brixen freuen sich Menschen über den nun blauen Himmel mit den weißen Wolken und die Sonnenstrahlen, die etwas die Kühle der vergangenen Tage nehmen. Die Welt wäre viel mehr ein schöner und guter Ort des Lebens, würden die Menschen endlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und nie wieder Kriege führen und nie wieder Ungerechtigkeiten produzieren und aufrecht erhalten. Die Welt wäre ein guter Ort des Lebens für alle, wenn nicht wenige durch narzisstische Eitelkeiten das Leben der vielen gefährden.

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