
Tatsächlich trägt der Klettersteig bei St. Jodok im Wipptal den Namen „Peter Kofler-Klettersteig“. Viele sprechen von der „Stafflachwand“, wenn sie dieses Ziel angehen. Die Klettersteigangaben sind schnell angeführt: Es sind weniger als 300 Höhenmeter und dennoch 600 Klettermeter, weil sich die Hälfte der Route waagrecht von links nach rechts der Wand entlang auf verschiedenen Höhenebenen bewegt. Der Steig ist maximal mit C-Stellen ausgewiesen. Dennoch gibt es an einigen überhängenden Stellen etwas Muskelkraft einzusetzen. Ich hätte da schon meinem Empfinden nach an manchen Stellen eine D-Bewertung gegeben. Allerdings gibt es an den schwierigeren Stellen immer genügend Tritte. Wer bis zur ersten Ausstiegsstelle schon Schwierigkeiten hätte, sollte dort besser aufhören, weil es nicht einfacher wird. Zwei Seilbrücken machen das Steigen über den Abgründen zusätzlich attraktiv. Als klimafreundlich kann der Klettersteig bezeichnet werden, weil der Einstieg fast beim Bahnhof in St. Jodok liegt, der halbstündich stündlich mit der S-Bahn in einer halben Stunde von Innsbruck aus erreichbar ist. Man könnte diesen Klettersteig auch „Kräuterklettersteig“ benennen, weil in der meist von der Sonne schnell aufgewärmten Wand eine Fülle an Pflanzen wächst, so als würde man durch einen senkrechten Kräutergarten klettern. Es riecht nach Wacholder – bzw. Sebenstrauch oder Stinkwacholder – und Schnittlauch und anderen Kräutern, die in den Ritzen der Felswand aus Bündnerschiefer wachsen, gerade so, als befände man sich irgendwo weit unten im Süden. Kräuterkundige Menschen könnten hier jedenfalls aus dem Vollen schöpfen, soll es doch auch etliche botanische Seltenheiten geben. Am Ende des Klettersteiges ist ein liebevoll gestalteter Platz mit Tischen, Bänken, einem Getränkedepot zur freien Bedienung und einem Gipfelkreuz. Am Rande wachsen Beerensträucher. Ich koste von den Berberitzen. Manchmal hört man die Eisenbahn weit unten im Tal. Die Autobahn ist kaum hörbar, weil sie auf der anderen Talseite hoch über die Brücken führt. Panoramablicke hinein ins Valsertal und auf die Brennerberge, Stubaier- und Zillertaler Alpen, die sich heute zugleich immer wieder in Regenwolken verstecken. Auf dem Waldsteig hinunter zur Eisenbahnstrecke, die einer kitschig-idyllischen Modelleisenbahn-Szenerie gleicht, lässt sich gut reden über Dinge, die tief in der Seele geborgen sind und Herz und Hirn beschäftigen. Unten im Tal am Wald-Wiesenrand ist die botanische Vielfalt von Wiesensalbei, Alpen-Astern, Rotklee und andere Pflanzen schon im herbstlichen Kleid. Nach der Vormittagstour haben wir Kraft aus dem Kräuterklettersteig und aus Freundschaft getankt und der Tag ist noch lang genug für die vielen Dinge, die es zu tun gibt.
mich freuen dürfen?
am Duft des Wacholders in der Wand
und anderer Kräuter,
kräftig und stark riechen sie,
während meine Hände und Füße suchen den Halt
fern sind die Schreckensnachrichten
aus Gaza, der Ukraine und anderer Orte,
fern und doch nahe,
das schier unendliche Sterben und Leid
am kräftig herbstlichen Rot der Berberitzen,
die wachsen in Fülle am Ausstieg,
schon hoch über dem Tal,
und Hagebutten in gelbroter Sattheit
Klettern lehrt mich
mit allen Sinnen zu leben,
leben und nicht gelebt werden,
im Augenblick zu sein
klaus.heidegger