
Die Trümmer eines vollständig zerstörten Landstreifens, in dem zwei Millionen Menschen ihr Zuhause hatten, sollen heute nicht länger zum Stolperstein für einen Neuanfang werden. Heute soll gelten: Die Waffen müssen für immer schweigen, damit mit einem Neuaufbau des Landes begonnen werden kann. Wer immer noch nach all den Schrecken des Terrors und des Krieges seine Hände an ein Maschinengewehr klammert, wer immer noch Raketensilos gräbt und Panzer und Abschussrampen für todbringende Geschoße bedient, wer immer noch die Kriegsherren mit Waffen versorgt, soll endlich lernen: Frieden entsteht nicht durch Gewalt, sondern durch Diplomatie, durch Verhandlungen, durch Überwinden irrwitziger Grenzen.
Über die Gräber von 68.000 Palästinenserinnen und Palästinensern, von Kindern und Müttern und Vätern und Großeltern, die man hinnahm als „Kollateralschäden“ eines Vernichtungsfeldzugs, und über die Gräber der getöteten Geiseln und Soldaten der israelischen Streitkräfte sollen die Menschen nicht stolpern, die heute nach Wegen des Friedens suchen. Heute gilt es, die Krankenhäuser aufzubauen, in denen die Verwundeten und von Hunger und Krankheiten gepeinigten Menschen geheilt und versorgt werden können. Heute gilt es, die Schulen neu zu errichten, in denen Kinder lernen können, wie nie mehr Kriege geführt werden und die tödliche Fratze des Hasses verschwindet. Heute gilt es, Moscheen und Gotteshäuser wieder zu aufzubauen, in denen die Allbarmherzigkeit Gottes gepriesen wird, der ein Gott des Friedens und der Versöhnung ist.
Wenn sich die Kriegsherren von gestern sich heute als Friedenstauben feiern lassen, so soll es halt sein, vielleicht lernen sie heute auch für morgen: Nicht aus den Maschinen des Todes und der Zerstörung und einer Kriegspolitik von gestern entsteht der Frieden, sondern dort, wo sich selbst Verfeindete begegnen, wo Orte für Verhandlungen vorbereitet sind, wo nicht auf-, sondern abgerüstet wird, wo Kompromisse gefunden werden, die zur Einheit führen könnten.
Heute gilt es, den internationalen Organisationen, die die Expertise und die Legitimation haben, die Hebel des Wiederaufbaus in die Hand zu geben, die Organisationen der Vereinten Nationen wie UNRWA, die Hilfsorganisationen des Internationalen Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, und all jene zivilen Organisationen, die schon während des endlos erscheinenden Krieges nicht aufhörten, für die Menschen im Kriegsgebiet gegenwärtig zu sein.
Heute sollen nicht vergessen sein all jene vielen Menschen und Organisationen, die von Beginn an sich der kriegerischen Politik widersetzten und die Kriegsherren nicht einfach gewähren ließen. Vielleicht haben gerade sie die mächtigen Kriegsherren bewegt, die heute sich schmücken mit Olivenzweigen auf MAGA-Kappen. Die vielen Menschen in Israel, die dem Kriegskurs von Netanjahu widersprachen, die israelisch-palästinensischen Friedensorganisationen wie „Standing together“, die Kriegsdienstverweigerer, die Journalistinnen und Journalisten, die unter Lebensgefahr nicht aufhörten, vom Schicksal der Menschen in Gaza zu berichten, Greta Thunberg und die Friedensflotilla und die Abertausenden Palästinademonstrationen auf der ganzen Welt, die Forderungen so vieler Länder nach einem Ende des Krieges und nach einer Zweistaaten-Lösung, die historische Rede von Mahmoud Abbas bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen – es könnte hier eine lange Liste angeführt werden für jene, denen heute kein roter Teppich ausgerollt wird, und die doch die Mächtigsten der Mächtigen zu einer anderen Politik bewegten.
Heute gilt es, auf der Basis des internationalen Völkerrechts und seiner Einrichtungen, wie dem Internationalen Gerichtshof, dem ganzen Gaza-Streifen und der Westbank auf der Grundlage der längst beschlossenen Verträge eine neue Existenz als Staat zu ermöglichen, so dass der Staat Israel und ein Staat Palästina friedlich zusammen existieren können. Dann wird Frieden sein „from the river to the sea“ in zwei staatlichen Gebilden – für alle Menschen, die in Israel und den palästinensischen Gebieten leben. Die Hardliner und Halsabschneider auf beiden Seiten werden verstummen.
Für immer verstummen sollen die Sirenen, die vor einem neuen Luftangriff warnen und Menschen in Angst und Schrecken in die Luftschutzbunker flüchten lassen. Es soll kein Schreien der Verwundeten mehr geben und keine Trauergesänge über die getöteten Verwandten. Heute werden Friedenslieder gesungen und man hört das Gurren von Friedenstauben und den Wind, der durch Olivenhaine weht.
Heute geht es aber vor allem darum, dass Gefangene freigekommen sind und die Hände und Arme frei sind, um sich zu umarmen und die Wärme und Verletzlichkeit zu spüren, die in uns Menschen liegt.
Klaus Heidegger, 13. Oktober 2025, dem Tag der Freilassung von palästinensischen Gefangenen und israelischen Geiseln
(Bild: Banksy)
Ja, so mag es sein.
Eine kleine Anmerkung zu:
„Heute gilt es, Moscheen und Gotteshäuser wieder zu aufzubauen, in denen
**sich Menschen begegnen können und**
die Allbarmherzigkeit Gottes gepriesen wird, der ein Gott des Friedens und der Versöhnung ist.“
Ich glaube nicht, dass es wichtig ist Tempel zu bauen um Gott zu preisen. Wichtig sind Orte der Begegnung um dort Gott im Nächsten zu begegnen.
besonders die Moscheen sind für Muslime jene Orte, die du dir wünscht: Orte der Begegnung, der Solidarität, des Miteinanders – und zugleich auch und gerade deswegen auch Orte des Gebetes