Die anderen Ufer – Neues wagen: Mk 4,35

eutopia_mainDie “anderen Ufer“
„Am Abend jenes Tages sagte er zu ihnen: ‚Lasst uns ans andere Ufer fahren‘.“ (Mk 4,35)
Im Sonntagsevangelium vom 21. Juni 2015 schreibt der Evangelist Markus zu Beginn davon, dass Jesus mit seinen Jüngern und Jüngerinnen im Boot an das „andere Ufer“ fahren will. In den Predigten und Evanglienkommentaren wird diese Ortsangabe kaum beachtet. Dabei könnte sie wie ein Schlüssel sein für das, was Jesus mit seiner Nachfolgegemeinschaft wollte und was auch für die Kirche und alle, die in seiner Nachfolge stehen, bedeutsam sein könnte.
Wir werden dazu aufgefordert, das vermeintlich sichere Ufer zu verlassen und auf die andere Seite zu wechseln. Auf der bestehenden Seite funktioniert so vieles nicht mehr: Hier gibt es Hunger und Elend, verursacht durch Habgier, Neid, Völlerei, Wollust, Zorn, Trägheit oder Hochmut. Millionen Menschen hungern. Die Ressourcen werden ausgebeutet. Kriege. Gewalt und Gegengewalt. Im Evangelium wird die Zeit angegeben. „Es ist Abend“ geworden. Die herankommende Nacht hat auch etwas Bedrohliches an sich.
Jesus ermutigt, das Heil woanders zu suchen. Auf der anderen Seite sind Demut, Wohlwollen, Friedfertigkeit, Zärtlichkeit, Bescheidenheit, Entschlossenheit und Großzügigkeit zu finden. Die Jünger und Jüngerinnen sind bereit, für diesen Aufbruch den festen Boden unter den Füßen zu verlassen, Neues zu wagen, ins Boot zu steigen. Nicht mehr weiterwursteln wie bisher. Nicht mehr ein Reförmchen versuchen, wo es doch eine radikale Umkehr brauchen würde.
Freilich erzählt uns das Evangelium auch, dass eine solche Überfahrt nicht ungefährlich ist. Viele Revolutionäre sind schon daran gestorben, haben Schiffbruch erlitten. Bei solcher Überfahrt muss man mit Sturmwind rechnen – mit jenen massiven Kräften der Herrschenden, die gegen einen Neuanfang sind. Da schlagen die Wellen der Restauration ins Boot hinein.
Papst Franziskus ermutigt uns in diesen Tagen mit seiner neuen Öko-Enzyklika, ans andere Ufer zu fahren, in ein Land, wo Menschen einen achtsamen Lebensstil pflegen, wo es eine integrale Gemeinwohl-Ökonomie gibt und kein Raubtierkapitalismus herrscht. Jetzt ist nicht mehr die Zeit, darauf zu warten, bis die Herrschenden bereit sind, eine andere Politik zu machen. Jeder und jede einzelne ist herausgefordert, in das Boot zu steigen, täglich neu und heute schon. Es gilt die Zusage von Jesus: Habt Vertrauen. Ihr werdet nicht untergehen!
Klaus Heidegger, 21.6.2015

Kommentare

  1. Lieber Klaus,
    mit Interesse lese ich deine Artikel Ich bewundere dein Engagement in so vielen Themenbereichen, deine treffsichere Argumentation, die Faktenbezogenheit und deine eindeutigen Botschaften. Die Geschichte gibt dir in deiner Treue zu deiner Überzeugung recht. Was du nun nach rund 30 Jahren im Zusammenhang mit Laudato si als Bestätigung deines Denkens und Handelns erfährst, wirst du vielleicht auch beim Thema Kirche und Militär ernten. Es ist authentisch, wenn du schreibst „…das vermeintlich sichere Ufer zu verlassen und auf die andere Seite zu wechseln…“ und es macht mich nachdenklich… Josef

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