Habemus Klima-Papam – Laudato Si

Umweltengagement hat den Segen des Papstes

Als Jugendlicher und Vorsitzender einer Projektgruppe der Kath. Jugend Tirol und dann einige Jahre später als Bundessekretär der Kath. Jugend und Kath. Jugend Land Österreichs musste ich vor mehr als 30 Jahren wieder und wieder das umweltpolitische Engagement der katholischen Jugendorganisationen verteidigen. Mein damaliger Heimatbischof hätte es lieber gesehen, wenn wir Jugendliche weniger gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf demonstriert hätten, wenn wir mehr gebetet und weniger für die Zwentendorf-AKW-Volksabstimmung geworben hätten, wenn wir nicht mit dem Bus der Kath. Arbeiterjugend in die Donauauen nach Hainburg gefahren wären und nicht Tempo 80/100-Pickerl unter den Autofahrern verteilt hätten. Das alles sei nicht die primäre Aufgabe einer kirchlichen Organisation, hörte ich dann vom österreichischen Jugendbischof, der mich zu sich in den Bischofshof nach Klagenfurt zitiert hatte. Eine kirchliche Organisation sei nicht Greenpeace & Co. Auch noch als Religionslehrer bin ich oftmals herausgefordert zu begründen, warum in den Religionsstunden über die Zerstörung der Umwelt, das Ausrotten von Tierarten oder ein umweltgerechtes Verhalten diskutiert wird. Mit der Öko-Enzyklika „Laudato Si“ kann ich nun zunächst einfach sagen: Papst Franziskus will, dass wir uns gerade von unserem Christsein und auf der Basis unseres Glaubens mit Umweltthemen beschäftigen. Sie sind keine Randnotiz der kirchlichen Verkündigung, Praxis und Liturgie, sondern gehören zu ihrer Mitte.

Die Erde wie eine Schwester und Mutter

Laudato Si beginnt gleich mit einem finalen Auftakt. Die Erde ist in den Augen des Papstes nicht mehr etwas, das vom Menschen getrennt ist, nicht mehr reine Sache, kein Ding, das in der Verfügungsgewalt des Menschen stünde. Nein, der Papst schreibt ganz zu Beginn mit Bezug auf den Sonnengesang des Franziskus, dass „unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt“.(1) Das ist ein Auftakt, der einem Ansatz der Naturvölker entspricht. Unsere Beziehung zur Natur ist schwesterlich. Dies bringt Empathie ins Spiel, die eine nüchterne Betrachtung weit übersteigt. Immer wieder finden sich daher in der Enzyklika emotionale Statements, etwa dann, wenn Franziskus vom „Schrei der Erde“ schreibt.

Option für die Armen

Wie es sich für kirchliche Dokumente geziemt, wird die moralisch-ethische Seite besonders betont. Der Papst redet ins Gewissen. Die Öko-Misere resultiere aus dem Verhalten der Machthaber, aus der Interesselosigkeit der vielen und aus der Leugnung der Problematik. Vor allem aber kritisiert Franziskus die Ideologie, dass das Spiel der Marktkräfte dem Segen der Menschheit diene. Es sind die Technokraten des Kapitalismus und die weltbeherrschende Diktatur des Finanzkapitals, die zu den Totengräbern des Planeten Erde geworden sind. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Enzyklika die befreiungstheologische Option für die Ärmsten. Der Schrei der Erde ist durchmischt mit dem Schrei der Verelendeten. Der Umkehrruf richtet sich daher in erster Linie an die Erste Welt. Hier argumentiert Franziskus beispielsweise, dass der Klimawandel, der jetzt schon so viel Elend in den Ländern des Südens mit sich bringt, auf das Konto der Industrieländer des Nordens zurückzuführen ist.

Die „Global Commons“

Franziskus definiert das Klima als etwas, das nicht in die Verfügungsgewalt einiger weniger fällt. Im Gegenteil. Es zählt zu den globalen Gemeinschaftsgütern. Der Papst: „Das Klima ist gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ Mit diesem richtungsweisenden Satz wird verdeutlicht, dass die Atmosphäre nicht länger als weltweite Müllkippe für CO-2-Abfälle missbraucht werden darf.

Hoffnung schlägt Pessimismus

Wenn ich den Zustand dieser Welt ernsthaft in Erwägung ziehe, wenn ich an die fortschreitende Erderhitzung, die Ausbeutung der Ressourcen oder das Aussterben der Tier- und Pflanzenarten denke, wenn ich über all dies täglich neu in den Medien lese, wenn ich mir dann zugleich das kollektive Verhalten der Massen vergegenwärtige und die herrschende Politik, dann zweifle ich an der Möglichkeit einer Rettung für diese Welt. Franziskus richtet anders als seine Vorgänger im Petrusamt seine Worte der Umkehr nicht nur an die Gläubigen der katholischen Kirche, sondern wendet sich ausdrücklich „an alle Menschen“ . Eine Abwendung des Ökozids braucht eine kollektive Anstrengung aller Menschen. Der Papst traut sich zu sagen, was auf den ersten Augenblick so unbequem zu sein scheint: Er spricht von „Askese“ und „Mäßigung“, Worte, die so quer sind zur Wachstumsideologie, die nicht zur „Shopping-Night“-Stimmung u. ä. passen. Wird eine Umkehr möglich sein? Letztlich, so der Papst, ist es eine Frage des Glaubens. Franziskus vertraut auf Gott, der die Schöpfung in seinen Händen hält und wie damals, nach der Großen Flut, mit der Hilfe von Noah und seiner Familie der Schöpfung unter dem Zeichen des Regenbogens und der Friedenstaube einen neuen Anfang schenkte.

Klaus Heidegger